Maschine Maier: Der härteste Spieler der Oberliga

Seine körperliche und emotionale Präsenz macht Andreas Maier für den TSB Gmünd sowohl im Angriff als auch in der Abwehr unverzichtbar. Von einem Nationalspieler wurde er einst ehrfurchtsvoll „Metzger“ genannt, für seinen Trainer ist er ein „Mentalitätsmonster“.


Die Saison war noch nicht einmal 20 Minuten alt, da sendete Andreas Maier bereits das erste Signal an die Oberliga-Konkurrenz. Beim Auftaktspiel in Großsachsen war der TSB früh in Rückstand geraten. Abwehrspieler Maier packte seinen Gegenspieler, schob ihn vom eigenen Tor weg und sogar durch die Kabinentür hinaus aus der Halle. Dass der 1,96 Meter-Hüne damit den gesamten Unmut der gegnerischen Fans auf sich zog, nahm er lachend zur Kenntnis. Wichtig war ihm nur, ein Zeichen zu setzen für die eigene Mannschaft. Ganz nach dem Motto: „Bis hierher und nicht weiter.“ Es ist die vielzitierte „gesunde Härte“, die Maier so sehr liebt und pflegt.
„Es ist mein Ziel, mir Respekt zu verschaffen“, sagt der Straßdorfer, der bereits bis zur C-Jugend für den TSB spielte und zu Saisonbeginn nach sieben Jahren heimgekehrt war. Den Gegenspieler gleich zu Beginn mit zwei Fouls zu stoppen, zeugt in der Vollkontaktsportart Handball keinesfalls von grober Unsportlichkeit. „Doch wenn ich früh ein Zeichen setze, dann wird er es sich beim nächsten Mal zweimal überlegen, ob er hier vorbeikommen kann.“ Maier ist der Mann für die von Trainer Michael Stettner geforderten „Stopp-Fouls“ – sprich direkte Zweikämpfe und kleine Fouls, um die gegnerischen Angriffe auszubremsen.

Ein wesentlicher Aspekt, um in Zeiten der schnellen Mitte und des nun noch schnelleren Anwurfs nicht überrannt zu worden. Ohnehin stellen die Gmünder derzeit eine Abwehr, die extrem viel kommuniziert und die Gegner allein durch ihre Körpersprache beeindruckt. Darin hat sich Maier mit seiner emotionalen Art schon nach kurzer Zeit unverzichtbar gemacht. Er ist jemand, der das Team anpeitscht und jeden vereitelten Angriff mindestens genauso lautstark bejubelt wie einen eigenen Treffer.
Ein „Mentalitätsmonster und absoluter Führungsspieler“, wie sein Trainer findet. Stettner hatte den Wert des Rückkehrers früh erkannt: „Klar spielt Andi ab und zu auch an der Grenze des Erlaubten, aber er pusht jeden Einzelnen. Mit seinem Einsatz und seiner wahnsinnigen Präsenz geht er voran, egal ob im Training oder im Spiel.“ Als sich Maier zu Saisonbeginn mit Schulterproblemen herumplagte, konnte er seiner Mannschaft meist nur in der Abwehr helfen. Doch der 21-Jährige ist genauso hart im Nehmen wie auch im Zweikampf.

Inzwischen kann er wieder seine gefürchteten Sprungwürfe aus dem Rückraum abfeuern. 40 Tore stehen bislang in der Statistik. In einer weiteren Kategorie liegt er sowohl teamintern als auch ligaweit an der Spitze: Nämlich mit 16 Zeitstrafen aus den ersten zehn Spielen. Beim 34:29-Auswärtssieg in Altenheim am vergangenen Samstag holte sich Maier außerdem seine zweite Rote Karte ab – wenn auch eine äußerst strittige, nachdem er seinen Kontrahenten mit der Hand unabsichtlich im Gesicht erwischt hatte.
Dennoch kein ganz neues Gefühl für den vielseitigen Neuzugang, der einst als A-Jugendlicher schon zum härtesten Spieler der Oberliga avancierte. In der Saison 2019/20 handelte er sich im Trikot des TV Bittenfeld II elf Zeitstrafen und drei Rote Karten in nur 16 Spielen ein. „Andere Jugendspieler erstarren vielleicht in Ehrfurcht“, blickt Maier auf sein Aktivendebüt zurück: „Doch ich dachte mir nur, wie geil das ist, einigen erfahrenen Spielern mal zu zeigen, wie gut ich bin. Das war meine Denkweise, die mich damals hochgezogen hat.“
Im gleichen Jahr wurde er von den Stuttgartern sogar für drei Spiele in den Bundesliga-Kader berufen. Denn auch im Training mit den Profis hatte er bleibenden Eindruck hinterlassen. Von Nationalspieler David Schmidt bekam Maier den Spitznamen „Metzger“ verpasst: „Das hat mir gezeigt, dass es gar nicht schlecht ist, was ich mache. Ich will auch gar nicht leugnen, dass mir das sogar ein Stück weit Spaß macht.“
Nach einem Studienaufenthalt in Kanada sowie einer Saison beim TSV Alfdorf/Lorch erfüllte sich dann der „Kindheitstraum“, zu seinem Jugendverein zurückzukehren. Ein Königstransfer für den TSB, wenn man es so sagen mag. Eingefädelt übrigens vom vorherigen Kapitän Aaron Fröhlich, der als Jugendtrainer früher auch Maier unter seine Fittiche genommen hatte. Nur zu gerne hätte der einstige Schüler noch mit seinem Lehrmeister zusammengespielt.

Dennoch ist der 21-Jährige bei den Jets angekommen, als wenn er nie weg gewesen wäre. Eingewöhnungszeit brauchte es ohnehin nicht, denn seine Mitspieler und das Umfeld kennt er seit vielen Jahren bestens. Selbstbewusst hatte der Rechtshänder angekündigt, beim TSB „eine Ära prägen zu wollen.“ Dass er das Zeug dazu hat, ist unbestritten.
Der erst 21-Jährige verkörpert genau das, was dem TSB zwischenzeitlich abhanden gekommen war. Ein „Aggressive Leader“, wie er nach dem Karriereende von Lukas Waldenmaier im Sommer 2019 schmerzlich vermisst wurde. Ohne den corona-bedingten Saisonabbruch wäre der TSB ziemlich sicher direkt wieder aus der Oberliga abgestiegen. Das besserte sich mit Marian Rascher, der aber vor dieser Saison zu seinem Heimatverein TSV Bartenbach zurückkehrte. Da gleichzeitig Abwehrchef Christian Waibel seine Handballschuhe an den Nagel hängte, galt es für das neue Trainerduo Stettner/Haiser ein Loch in der Defensive zu stopfen. Maier füllt es nun hervorragend aus.
„Andi bringt ganz viel von dem mit, was Marian uns im vergangenen Jahr gegeben hat“, freut sich TSB-Kapitän Nicola Rascher. Eine „brutale Maschine“ und ein „Kraftbüffel“ sei der neue Mitspieler, der auch neben dem Spielfeld stets für gute Laune sorgt. „Er zerreißt sich vorne, er zerreißt sich hinten und ist überall da wo man ihn braucht“, lobt Rascher. Auch Christian Waibel, der das Trikot mit der Nummer 10 an Maier weitergab, zeigt sich begeistert von seinem Nachfolger in der Abwehrzentrale: „Andi bringt Härte ins Spiel und verschafft sich Respekt. Das ist auch gut so. Damit zieht er die anderen mit. Keiner will gegen ihn spielen, weil man immer weiß, dass es weh tun wird.“
Dieses defensive Bollwerk, das von Woche zu Woche besser harmoniert, ist ein wesentlicher Faktor, weshalb der TSB als Tabellenvierter abermals überraschend zur Spitzengruppe der Liga zählt. Doch bis zur kurzen Weihnachtspause wartet noch ein knüppelhartes Programm auf die Jets. Am Sonntag (17 Uhr) gastiert Schlusslicht TuS Steißlingen in der Großen Sporthalle, es folgen ein weiterer Härtetest beim Aufsteiger TSV Wolfschlugen (09.Dezember) sowie das Topspiel gegen den derzeitigen Spitzenreiter TV Plochingen (17.Dezember).

„Diese ganze Saison mit 34 Spielen ist eine Riesen-Herausforderung“, meint Maier. Doch er sieht das zweitjüngste Team der Liga dabei im Vorteil. In der Vorbereitung wurde wochenlang Kondition gebolzt. Diese schweißtreibende Arbeit soll sich nun auszahlen: „Manchmal will der Körper vielleicht nicht mehr, aber dann kommt es umso mehr auf Wille und Ehrgeiz an. Da verhält sich die gesamte Mannschaft vorbildlich, alle ziehen voll mit.“ Genau diese Einstellung verkörpert Maier wie kein anderer. Auf den Antreiber wird es ankommen, wenn die Jets ihren Höhenflug fortsetzen wollen.

(Text: Nico Schoch - Bilder: Enrico Immer, Nico Schoch, Jens Körner)