Angekommen in der europäischen Spitze: Otternasen überraschen mit Viertelfinal-Einzug

„Die Otternasen“ aus Bartenbach erreichen beim EHF Champions Cup auf Porto Santo einen starken siebten Platz. Beim Aus im Viertelfinale hatte der deutsche Meister sogar den späteren Titelgewinner Plock am Rande einer Niederlage. Daniel Mühleisen und Nicola Rascher vom TSB Gmünd verbesserten gleichzeitig ihre Chancen auf einen Platz im Nationalteam.


„Absolut stolz und einfach nur happy“, zeigte sich Nicola Rascher auf dem Rückflug von einem unvergesslichen Wochenende. Mit den „Otternasen“ aus seinem Heimatort Bartenbach hatte der Torjäger des Oberligisten TSB Gmünd die europäische Elite im Beachhandball kräftig aufgemischt und einen zuvor nicht erwarteten siebten Platz erreicht. Beim großen Finale des Champions Cup am Sonntagabend nahmen die Otter zwar „nur“ noch die Zuschauerrolle ein. „Doch wir haben das Turnier auf alle Fälle gut ausklingen lassen“, berichtete Rascher mit immer noch heiserer Stimme. Bei den Finalspielen war das direkt am Meer gelegene Stadion auf der portugiesischen Atlantikinsel proppenvoll, die Mannschaften feuerten sich gegenseitig an und feierten anschließend gemeinsam. Beim Beachhandball ist das Standard. „Diese freundschaftliche Atmosphäre genießt auch auf internationaler Ebene einen hohen Stellenwert, erst recht wenn man vier Tage zusammen verbringt“, sagt Rascher. Der Letzte seiner Teamkollegen sei am Montagmorgen um 4 Uhr im Bett gewesen, bevor es wenige Stunden später zum Flughafen und zurück in die Heimat ging.
Schon an den Tagen zuvor hatten die Otternasen für kräftig Furore gesorgt. Nach dem überraschenden Gewinn der deutschen Meisterschaft Anfang August hätten viele Außenstehende den Bartenbachern nicht einmal zu zugetraut, die Vorrunde zu überstehen. Auch das Team selbst war ohne großen Ambitionen zu seinem ersten großen internationalen Turnier angereist. Am Ende war man selbst von einer Medaille nicht weit entfernt. Mit Rascher (57 Punkte), dessen TSB-Kollegen Stephan Mühleisen (53) und Patrick Kohl (52) vom Oberliga-Konkurrenten TSV Wolfschlugen fanden sich sogar gleich drei Otter unter den zehn besten Torschützen des Turniers. Denn Rascher und Kreisläufer Mühleisen bilden nicht nur beim TSB Gmünd, sondern auch bei den Otternasen die zentrale Achse. „In diesem Zusammenspiel zählen wir derzeit zur deutschen Spitze“, berichtet Rascher über seinen Kollegen: „Steph ist vielleicht nicht der spektakulärste Typ, der gefühlte acht Meter hoch springt. Aber er hat ein extrem gutes Timing, ist brutal wurfsicher und bringt auch in der Verteidigung seine Qualität ein.“
Mit Daniel Mühleisen knüpfte ein weiterer TSBler nahtlos an die zuletzt in der Halle gezeigten Leistungen an. Der Torwart war der Garant dafür, dass sich die Otter als Gruppenzweiter für die Hauptrunde und damit auch vorzeitig für das Viertelfinale qualifizierten. Im Auftaktmatch setzten sie sich nach Penalty-Werfen (25:20, 28:32, 14:12) gegen den niederländischen Vertreter Camelot Tilburg durch, musste sich dann aber dem Titelkandidaten Os Tigris aus Portugal in beiden Sätzen (16:21, 22:23) geschlagen geben. Im finalen Gruppenspiel gegen die Beach Stars BHC musste daher ein Sieg her. Der erste Satz ging mit 25:22 an die Magyaren, doch die Otternasen hielten dem Druck stand und retteten sich mit einem 28:20-Satzerfolg ins Penalty-Werfen. Dort avancierte abermals Daniel Mühleisen zum Matchwinner.
Nicht nur auf dem Sandspielfeld hatten sich Otter damit einen Namen gemacht, vielmehr avancierten sie sogar zu einem Publikumsliebling. „Viele haben uns gefeiert, weil sie unsere Spielweise mögen und wir auch abseits des Feldes eine gute Stimmung verbreitet haben“, freute sich Rascher über die tolle Stimmung: „Das erfüllt uns natürlich mit Stolz, besonders aber unsere Alt-Otter, die das ursprünglich angefangen haben.“ Gemeint sind Vater und Trainer Ralf Rascher sowie Bruder Marian, die beiden Gründungsväter der Otternasen. Marian Rascher, der zwei gemeinsamen Jahren beim TSB Gmünd inzwischen als spielender Co-Trainer für den Heimatverein TSV Bartenbach (Landesliga) fungiert, hatte als Teamkapitän den gesamten Trip zum Champions Cup organisiert.
Sportlich konnte der Außenseiter selbst den favorisierten spanischen Teams ordentlich Paroli bieten. In der Hauptrunde unterlagen die Otternasen zwar dem späteren Dritten GRD Leca (22:25, 18:26) sowie dem amtierenden Titelträger Ciudad de Málaga (16:23, 20:26) in zwei Sätzen, sicherten sich dann allerdings auch noch einen 2:0-Erfolg gegen Galobank BM Playa (17:12, 29:22). „Die Spiele waren immer eng und wir haben gemerkt, dass wir nicht weit weg sind von der absoluten Europaspitze“, bemerkt Nicola Rascher. Dieses Selbstbewusstsein bekam auch der sechsfache polnische Meister BHT Petra Plock zu spüren. Dieses Viertelfinale geriet zu einem echten Thriller. Im ersten Satz unterlagen die Otter mit 20:24, im zweiten Satz bekamen sie mit der Schlusssirene den K.O.zum 26:28 verpasst. „Wir hatten sie wirklich am Rande einer Niederlage“, blickt Rascher leicht wehmütig auf das Duell mit dem späteren Europameister zurück: „Mit ein oder zwei Fehlern weniger hätten wir um die Medaillen gespielt. Das wäre der Gipfel gewesen.“
Doch vielleicht wäre das auch ein bisschen zu viel des Märchens gewesen. Das Viertelfinal-Aus trübte die Spielfreude jedenfalls nicht. In den Platzierungsspielen unterlagen die Otternasen zwar im Shoot-Out dem schwedischen Meister Göteborg (24:26, 32:24, 8:9), bezwangen dann aber erneut Galobank BM Playa (26:34, 25:22, 5:2) und sicherten sich damit den siebten Rang. Es ist die drittbeste Platzierung einer deutschen Männermannschaft überhaupt beim Champions Cup. Lediglich die BC Sand Devils Minden (2018) sowie BHC Beach & Da Gang Münster (2019) hatten als Vierter besser abgeschnitten. „Wenn wir jedes Spiel an unser Leistungsmaximum kommen, dann machen wir es jeder Mannschaft schwer“, stellt Rascher fest: „Wir waren schon nahe dran, aber es fehlen uns noch ein paar Jährchen Erfahrung und die nötige Cleverness.“
Dennoch zählen die Otternasen nun zur europäischen Spitzenklasse. Ganz anders als die deutsche Beachhandball-Nationalmannschaft, die zuletzt die Teilnahme sowohl an der EM als auch der WM verpasste. Nicola Rascher und Daniel Mühleisen würden nur allzu gerne ihren Beitrag dazu leisten, dass sich das in Zukunft wieder ändert. Das Duo vom TSB Gmünd wurde in der Vergangenheit bereits zu DHB-Lehrgängen eingeladen und hat nun fleißig Argumente gesammelt, um auf einen Anruf des Bundestrainers Marten Franke hoffen zu dürfen. Rascher zeigt sich grundsätzlich offen für diese Herausforderung: „Ich könnte mir schon vorstellen, dass ich mir mit meiner Leistung eine Nominierung verdient hätte. Doch schlussendlich ist das nicht meine Entscheidung, ich lasse mich überraschen.“ Bei Rückhalt Mühleisen ist sich Rascher hingegen „zu tausend Prozent“ sicher, dass dieser zu einer festen Größe im Nationalteam heranwachsen wird: „Er hat sich das absolut verdient und hat da extrem gute Chancen.“
Die Beachhandball-Saison ist nun vorbei, doch die Otternasen wollen ihr Beachhandball-Märchen im kommenden Sommer unbedingt fortsetzen. „Wir haben jetzt Lunte gerochen“, betont Rascher. Sein Team habe sich in den vergangenen Jahren einen hervorragenden Ruf erarbeitet: „Die Leistungsdichte in Deutschland ist enorm, doch wir wollen natürlich wieder vorne mitschnuppern.“ Denn der starke Auftritt beim Champions Cup soll kein einmaliger Ausflug gewesen sein.
 

Die Mannschaft der Otternasen beim EHF Champions Cup 2022
Stehend von links: Manuel Haas, Moritz Knück, Hendrik Prahst, Axel Baumeister, Stephan Mühleisen, Niklas Weißbrod, Trainer Ralf Rascher
Kniend von links Tobias Klemm, Pascal Rilli, Nicola Rascher, Marian Rascher, Marcel Lenz
Auf dem Bild fehlen: Daniel Mühleisen, Patrick Kohl

(Text: Nico Schoch – Bilder: Die Otternasen)