Der Kraftakt wird zu viel: TSB-Eigengewächs Sven Petersen hört auf

Der TSB Gmünd verliert zum Saisonende einen absoluten Schlüsselspieler. Für Sven Petersen sind Viertliga-Handball und die berufliche Belastung nicht mehr zu vereinbaren, weshalb er seine Hallenschuhe schweren Herzens mit erst 23 Jahren an den Nagel hängt.

Kratzspuren und blaue Flecken zierten seine Brust am späten Samstagabend. Sven Petersen ist ein Handballer, der gerne dorthin geht, wo es wehtut. „Auch in dieser Situation, in der es für uns eigentlich um nichts mehr geht, geben wir Vollgas und daran sieht man, wie gut unsere Mannschaft ist“, bilanzierte der rechte Rückraumspieler nach dem hart erkämpften 38:36-Sieg beim TSV Schmiden. Das letzte Auswärtsspiel der Saison war für ihn gleichzeitig die letzte gemeinsame Fahrt mit dem TSB.
„Das war für mich alles andere als eine leichte Entscheidung“, gesteht Petersen seine Trauer über den bevorstehenden Abschied. Wohl aber war es eine sehr überlegte Entscheidung. Schon in den vergangenen beiden Jahren hatte er sich mit dem Gedanken herumgeplagt, kürzer zu treten. Der Kraftakt mit teils bis zu dreistündigen Auswärtsreisen und der hohen körperlichen Belastung in der Oberliga ist ihm längst zu viel geworden.
Kräftezehrend ist nämlich auch Petersens tägliche Arbeit als Zimmermann. „Das ist ein ganz anderes Arbeiten als nur im Büro zu hocken“, gibt er einen Einblick in seinen Arbeitstag, der gut und gerne mehr als acht Stunden dauern kann. Das mache ihm zwar „unheimlich Spaß“, aber nach dem abendlichen Training bleibt dann eigentlich keine Freizeit mehr. Von Erholungsphasen ganz zu schweigen.
Und das geht schon seit bald acht Jahren so. Direkt nach der Schule startete Petersen seine Ausbildung, spielte parallel dazu in der Bundesliga-Jugend des TV Bittenfeld und gab bereits mit 17 Jahren sein Viertliga-Debüt beim TSB. Michael Hieber, damaliger Trainer und heutiger Abteilungsleiter, habe den größten Anteil an seiner Entwicklung: „Ihm gilt ein dickes Lob, dass er mich gefördert und sofort in diese brutal erfahrene Mannschaft aufgenommen hat. Das ist nicht selbstverständlich, denn ich war ja noch ein ganz junger Kerl.“ Längst zählt der 1,89 Meter große Athlet mit seinem markanten Vollbart selbst zu den erfahrensten Akteuren im jüngsten Team der Oberliga. 103 Einsätze und 238 Tore stehen bislang zu Buche.
In den vergangenen sechs Spielzeiten hat Petersen fast kein Spiel verpasst. Da erscheint es nur verständlich, dass der Akku ziemlich leer geworden ist. „Auch wenn dieser Schritt für mich ultraschwierig ist und manche wahrscheinlich nicht verstehen werden, dass ich mit nur 23 Jahren aufhören will“, betont er nochmals: „Jetzt ist der richtige Zeitpunkt gekommen, um ein bisschen mehr nach mir zu schauen.“ Mehr Zeit für Freundin und Familie oder für neue Hobbies – es sind legitime Wünsche, die Petersen äußert.
Großen Respekt für diese einschneidende Entscheidung erfährt er vom Sportlichen Leiter Jürgen Rilli: „Pidi hat die höchste Trainingsbeteiligung in der Mannschaft und lebt einen Einsatz in Perfektion vor. Leider lässt sich dieses Engagement nicht mehr mit seiner Arbeit in Einklang bringen.“ Rilli zeigt Verständnis, obwohl es menschlich wie sportlich einen „wahnsinnig hohen Verlust“ für den TSB bedeutet.
Denn bei den Gmündern besteht jetzt erst recht ein akuter Mangel auf der rechten Spielhälfte. Ohne Patrick Watzl, der nach seinem vor zwei Wochen erlittenen Kreuzbandriss inklusive Meniskusschaden am Montag operiert wird, war Petersen am Samstag der letzte verbliebene Linkshänder. Ein Szenario, an das sich der TSB – Stand jetzt – möglicherweise gewöhnen muss. Watzl fällt voraussichtlich neun Monate und damit mindestens die komplette Hinrunde aus. Es ist der Super-GAU für den TSB. Nur noch Rechtsaußen Wolfgang Bächle bleibt damit übrig. Dennoch bleibt Rilli gelassen: „Wir werden unseren Weg mit der Talentförderung weitergehen und das mit eigenen jungen Spielern kompensieren. Damit sind wir bislang sehr gut gefahren.“
Der Sportliche Leiter stellt aber klar, dass die Tür für Petersen beim TSB stets offen bleibt: „Er ist ein echter Gmünder und total loyal zum Verein.“ Petersen kann sich eine Rückkehr zu gegebener Zeit, allerdings abhängig von seiner weiteren beruflichen Entwicklung, durchaus vorstellen. Denn: „Ich bin ja nicht ganz weg vom Verein, alle meine Freunde sind im Verein. Der TSB wird immer wie eine Familie für mich sein.“ Vielmehr freut er sich darauf, die Teamkollegen künftig bei den Heimspielen von der Tribüne aus anzufeuern. „In der Mannschaft steckt viel Zukunft, wie man in Schmiden gesehen hat“, sagt der 23-Jährige mit Blick auf Arian Pleißner (18) oder Tom Abt (19), der in seinem dritten Oberliga-Jahr bereits zu den etablierten Kräften zählt – so wie einst Petersen selbst. „Es kommen noch viele weitere talentierte Spieler nach, von diesem Potenzial kann man sich einiges erhoffen“, sagt er.
Der Abschied am kommenden Samstag dürfte noch einmal emotional werden. Den Fans und Mitspielern blutet das Herz bei dieser Entscheidung, die eben auch für Petersen weitaus schmerzhafter ist als eine der üblichen Blessuren im Spiel.  

(Text: Nico Schoch - Bilder: Jörg Frenze, Enrico Immer)