"Großer Respekt, aber auch viel Freude": Mit Patrick Watzl steht das nächste hoffnungsvolle TSB-Talent bereit

„Jugend forscht“ mitten im Abstiegskampf – aus der Not heraus machen sie beim TSB Gmünd derzeit eine Tugend: Nachdem es Tom Abt längst gelungen ist, auf hohem Niveau Fuß zu fassen, absolvierte mit Linkshänder Patrick Watzl ein weiterer A-Jugendlicher zuletzt sein Oberliga-Debüt. Das Trainerteam vertraut und fördert seine Talente, die das mit Wille und Leidenschaft zurückzahlen wollen.

Die letzten drei Minuten liefen von der Uhr ab im Auswärtsspiel bei der HSG Konstanz II, welches die Gmünder letztlich deutlich mit 21:33 verloren. Ein weiterer Rückschlag im Abstiegskampf, doch einem 17-Jährigen werden eben diese Schlussminuten besonders in Erinnerung bleiben. Die Nervosität bei seiner Premiere in der vierthöchsten Spielklasse ließ sich Patrick Watzl dabei keinesfalls anmerken, sondern fasste sich prompt den Mut, aus neun Metern Distanz einfach mal abzuziehen – wenn auch glücklos. Wie viele seiner Teamkollegen fand auch der Youngster im herausragenden Beachhandball-Nationaltorwart Moritz Ebert seinen Meister.
 
Obwohl vermeintlich unbedeutend, so war es doch eine Szene mit Symbolcharakter für die angespannte Situation beim TSB. Im Zusammenspiel mit Yannik Leichs (19) bildeten die 17-jährigen Tom Abt und Watzl die vermutlich jüngste Rückraumformation, welche die BWOL je gesehen hat. Es spricht Bände, dass gerade die beiden A-Junioren völlig befreit aufspielen und jene Eigenschaft zeigen, die im Handball unersetzlich ist, den abstiegsbedrohten Gmündern aber fehlt: Selbstbewusstsein. „Ich habe großen Respekt aber auch Freude, in dieser Liga reinschnuppern zu dürfen“, berichtet Watzl, selbst unglaublich dankbar für die enorme Rückendeckung im Team: „Diese Eindrücke nehme ich mit, um mich sportlich und persönlich weiterzuentwickeln. Ich werde immer versuchen, mein Bestes zu geben.“
Seit 2015 trägt der Linkshänder das blau-gelbe Dress und hat sich seitdem kontinuierlich zu einem wurfgewaltigen Rückraumspieler mit Gardemaß entwickelt. „Ich muss noch konsequenter ins Eins gegen Eins gehen und auch meine Wurfvarianten noch besser einsetzen“, bleibt Watzl selbstkritisch. Die Leidenschaft, mit der er zu Werke geht, wird unterstrichen durch die Tatsache, dass er die Wegstrecke aus seinem Heimatort Wasseralfingen meist per Zug absolviert, was bekanntlich nicht immer ganz reibungslos funktioniert. Da ist es umso wertvoller, dass die gesamte Familie Watzl extrem handballbegeistert ist. Die jüngere Schwester Lea, immerhin HVW-Auswahlspielerin, ist für die Stuttgarter Kickers in der höchsten württembergischen Jugendliga am Ball. Die Eltern Bärbel und Ralf stellen bei ihren Wochenende-Touren wohl jeden professionellen Groundhopper in den Schatten, versuchen sie doch wirklich jedes Spiel ihrer Sprösslinge mitzuerleben. Ob zuhause oder auswärts, ob Jugend oder Aktiventeams.
 
In den kommenden Wochen und Monaten dürften einige interessante Ausflüge hinzukommen. Denn auch wenn die Priorität weiterhin der A-Jugend gilt, schwärmt Michael Hieber schon längst in den höchsten Tönen vom TSB-Eigengewächs. „Patrick ist ein guter Kerl und ich sehe es für ihn als Belohnung, dass er bei uns regelmäßig im Training ist und auch seine Einsatzzeiten bekommen wird“, so der Interimscoach. Hiebers folgender Satz klingt beinahe wie ein Ritterschlag: „Er hat zwar noch viele Schritte vor sich, besitzt aber auf jeden Fall die nötige Qualität für die Oberliga.“
 
Das Projekt „Jugend forscht“ ist vielleicht das Beste, dass der Aufsteiger, aktuell als Tabellenvorletzter mit dem Rücken zur Wand stehend, betreiben kann. „Die Jungs lernen in jeder Einheit enorm dazu“, betont Hieber. Wohlwissend, dass talentierte Linkshänder besonders wertvoll sind. Erst recht, wenn man die personellen Engpässe auf der halbrechten Gmünder Rückraumposition betrachtet: Tim Albrecht plagt sich mit hartnäckigen Schulterproblemen herum, Sven Petersen wirkt teilweise überspielt. Watzl wird von Trainerseite das Potenzial und die jugendliche Frische bescheinigt, um selbst auf höchstem Niveau für Entlastung zu sorgen und diese Problemzone des TSB über die kommenden Jahre hinweg zu beheben. „Die größere Härte und Körperlichkeit im Männerbereich ist ein großer Unterschied“, zeigt sich der 17-Jährige ehrfürchtig vor dem großen Schritt zu den Aktiven. Bei der Zweiten Mannschaft in der Bezirksklasse durfte er bereits wertvolle Erfahrungen sammeln: „Der Ball wird schneller von Position zu Position gespielt und Lücken sehr schnell ausgenutzt. Die Gedankenschnelligkeit spielt eine große Rolle.“
Dass er mit Abt sowohl seinen wohlbekannten Nebenmann (Watzl: „Als Spielmacher setzt er mich immer hervorragend ein“) als auch seinen Jugendcoach Aaron Fröhlich zur Seite stehen hat, machte dem Linkshänder die Eingewöhnung etwas leichter. „Es ist ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen, mit Aaron gemeinsam auf dem Feld zu stehen“, berichtet Watzl, der das von den Trainern in ihn gesetzte Vertrauen unbedingt mit guten Leistungen zurückzahlen möchte: „Nach meiner Verletzungspause hat mich Aaron wieder aufgebaut, auch wenn es mal nicht so lief. Dass ich vor Saisonbeginn sogar mit ins Trainingslager der ersten Mannschaft durfte, war ein ganz großer Vertrauensbeweis.“ Der große Vorteil für Watzl wie auch Abt: Die Rückraumspieler haben noch ein weiteres A-Jugendjahr vor sich, können Erfahrungswerte sammeln und dürfen auch Fehler machen, ohne dabei die größte Last der Verantwortung zu spüren. „Beide gehören zu jener Generation, die Aaron zu unserem Vorzeige-Jahrgang aufgebaut hat“, so Hieber, „und auf Dauer ist diese Jugend für uns als Verein elementar.“
 
Unabhängig vom Ausgang der „Mission Klassenerhalt“, die angesichts von sechs Punkten Rückstand zum rettenden Ufer und der bevorstehenden Herkulesaufgabe gegen Klassenprimus SG Pforzheim/Eutingen (Samstag, 19:30 Uhr / Große Sporthalle) immer aussichtsloser erscheint: Um die Zukunft muss sich die „Talentschmiede TSB“ keinerlei Sorgen machen. „Wir haben erstmals alle Jugendklassen besetzt und werden ab kommenden Sommer jedes Jahr Spieler hochziehen, die wir selbst ausgebildet haben. Das können nicht viele Vereine in der Umgebung von sich behaupten“, freut sich Hieber, „denn das ist etwas, dass wir als Verein geschafft und auch durch den Misserfolg in dieser Oberliga-Saison nicht geschmälert wird.“

(Nico Schoch)

Gute Laune trotz Niederlage beim Oberliga-Debüt in Konstanz: TSB-Youngster Patrick Watzl (r.) neben Zeitnehmer Hans Wendel.