Wenn nicht der TSB, wer sonst soll den Primus stoppen?

In letzter Sekunde bezwang der TSB Gmünd den TVS 1907 Baden-Baden beim Hinspiel. Am Sonntag (17 Uhr / Große Sporthalle) kommt es zum brisanten Wiedersehen mit dem Spitzenreiter, der inzwischen seit 14 Spielen ungeschlagen ist.
 
Niemand kann sie stoppen. Den Saisonbeginn hatte der TV Sandweier – der seit 2017 unter dem Namen TVS 1907 Baden-Baden antritt – mit Niederlagen gegen den TSB Gmünd (25:26) und den derzeitigen Tabellenzweiten SG Köndringen/Teningen gründlich verpatzt. Seitdem aber marschiert die Mannschaft aus dem 4300 Einwohner-Stadtteil unaufhaltsam in Richtung 3.Liga, aus der man vor drei Jahren nach einem kurzen Ausflug wieder absteigen musste. Die beinahe furchteinflößende  Serie wurde lediglich durch ein 31:31-Remis gegen den TSV Weinsberg unterbrochen, wobei der TVS noch in der Schlussphase einen Fünf Tore-Rückstand aufholte. Eindrucksvoll setzten sich der Klassenprimus zuletzt gegen die Abstiegskandidaten aus Schutterwald (35:21), Zizishausen (41:30) und Birkenau (32:22) durch. „Was wir in der Abwehr geleistet haben, war wieder überragend“, lobte Trainer Sandro Catak. Nachdem seine Truppe im 14.Spiel nacheinander ungeschlagen blieb, konnte der frühere Bundesligaprofi auch einige Fehler im Angriff verschmerzen: „Da müssen wir noch konzentrierter agieren. Aber das ist Kritik auf hohem Niveau.“
„Eine super Bilanz“, staunt auch Dragoș Oprea über die 27:1 Punkte-Serie, mit der Sandweier die Spitzenposition immer weiter festigte. „Das wurde ihnen nicht geschenkt, dahinter steckt viel harte Arbeit“, äußert sich der Gmünder Coach voller Respekt: „Der TVS wird mit der Einstellung zu uns kommen, diesen Lauf fortzusetzen – aber da müssen sie erst einmal an uns vorbeikommen.“ Denn immerhin glückte dem TSB mit dem jüngsten 39:28 beim zuvor punktgleichen TV Weilstetten der bislang deutlichste Saisonsieg. Trotz der angespannten Personalsituation präsentierten sich die Jets dabei so souverän, wie es bislang nur selten der Fall war. Von einer „sensationellen Leistung“ spricht Oprea rückblickend: „Wir haben den Gegner so weit gebracht, dass sie ideenlos waren und sich nur noch Verzweiflungswürfe genommen haben. Im Angriff haben wir den Ball druckvoll weitergespielt, was uns früher nicht immer so gut gelungen ist. Die Verantwortung ist bei uns auf mehreren Schultern verteilt. Alle ziehen mit und tragen ihren Teil zum Erfolg bei.“
Nun allerdings kommt ein ganz anderes, wenn nicht sogar das größte Kaliber auf den TSB zu. „Für uns ist etwas tolles, sich mit dem Primus der Liga zu messen“, erinnert sich Oprea nur allzu gerne an den November zurück, als die Gmünder mit 34:26 über die damals führenden Weinsberger hinweggefegt waren. „Wir trainieren, studieren stundenlang Videos und schmieden Matchpläne, um uns immer mit den Besten zu messen – und das ist aktuell Sandweier.“ Weshalb sich der 39-Jährige sicher ist, niemanden mehr extra motivieren zu müssen. „Wir sind alle heiß“, ist dem TSB-Trainer die Vorfreude anzumerken.
Vor allem: Wenn jemand den TVS bezwingen kann, dann der TSB. Im Hinspiel sorgte Nicola Rascher per „Buzzerbeater“ für den umjubelten 26:25-Coup, gleichzeitig die einzige Heimschlappe für den Klassenprimus. Auf umso größere Gegenwehr müssen sich die Gmünder am Sonntag einstellen. Wobei Oprea nicht glaubt, dass eine Revanche für die Gäste an oberster Stelle steht: „Das Spiel ist schon so lange her, dass sie nicht mehr die ganz große Wut im Bauch verspüren werden. Es wird nicht ihr Ziel sein, etwas wiedergutzumachen, sondern ihre Serie weiter auszubauen.“
Die große Stärke der Gäste liege darin, dass Catak auf ein extrem eingespieltes Team mit viel Erfahrung zurückgreifen kann. Auch für die kommende Runde setzt der TVS auf Kontinuität. Das Trainerteam und alle Spieler haben bereits fest zugesagt, darüber hinaus sicherte man sich die Dienste des 22-jährigen Rückraumspielers Lukas Veith vom benachbarten Drittligisten TV Willstatt. Aktuell überzeugt Baden-Baden nicht nur mit einer harten, offensiven 3-2-1-Deckung, sondern auch dadurch, nicht von einem einzigen Top-Torjäger abhängig zu sein. Die rechte Seite mit Christian Fritz (85/31 Saisontore) und Han Völker (66) ist rein zahlenmäßig am gefährlichsten. Doch auch Linksaußen Maximilian Mitzel (60) sowie die beiden Rückraumspieler Markus Koch und Jonas Schuster (je 50 Tore) sind äußerst unangenehm zu verteidigen. Letzterer bereitete dem TSB im ersten Aufeinandertreffen mit zehn Treffern die meisten Probleme. „Sie haben eine breite Bank und verlieren durch Wechsel kein bisschen Qualität“, weiß Oprea.
Weshalb sich die Gmünder darauf konzentrieren, dass ihre Deckung ähnlich gut funktioniert wie in Weilstetten. Den Heimvorteil wolle man nicht allein im Angriff nutzen, so Oprea: „Ich sage meinen Jungs immer wieder, dass wir uns die Energie in der Abwehr holen. Dazu müssen wir genauso aggressiv und bissig auftreten wie zuletzt.“ Für ihn ist das Kräftemessen mit dem Titelfavoriten alles andere als ein „Bonusspiel“, in dem man nichts zu verlieren habe. „Wenn wir alles geben, was in unserer Macht steht, und am Ende trotzdem nicht das Ergebnis herauskommt, das wir uns wünschen, dann gehen wir trotzdem erhobenen Hauptes aus der Halle“, kündigt Oprea an. Ein Problem hätte er nur, falls seine Spieler nicht auch die letzten Prozentpunkte aus sich herauskitzeln würden. „Aber darüber mache ich mir bei meinen Jungs gar keine Sorgen.“
Mit 21:11 Punkten auf dem Konto muss sich der Tabellensechste um den Ligaverbleib (fast) keine Sorgen mehr machen. Zumal der Trainer seinen Blick ohnehin nur nach oben richtet. Dort hat sich lediglich Baden-Baden (29:5) ein Stück weit vom Verfolgerfeld abgesetzt, der zweite Aufstiegsplatz liegt für den TSB gerade einmal zwei Zähler entfernt. Beginnt nun also der Aufstiegskampf? Bei dieser Frage muss Oprea schmunzeln. „Wir haben weder das Wort Abstiegskampf noch das Wort Aufstiegskampf jemals in den Mund genommen“, erklärt der Ex-Nationalspieler. Er verweist lieber auf die Möglichkeit, „dass wir einen weiteren Schritt nach vorne machen können und dafür alles geben werden.“
In der Lauerstellung fühlt sich der TSB offenbar wohl, personell allerdings ist die Lage beinahe unverändert. Zwar hat Oprea mit Philipp Schwenk eine weitere Variante für den defensiven Mittelblock zurückgewonnen. Mit seinem Spielverständnis und seiner Erfahrung tut er der jungen Mannschaft besonders gut, doch die wochenlange Pause aufgrund einer Fingerverletzung sei ihm anzumerken. Bei den Führungsspielern Sebastian Fabian (Adduktorenprobleme) und Aaron Fröhlich (Achillessehne) ist hingegen noch keine Besserung in Sicht. Offen ist zudem, ob Wolfgang Bächle nach überstandener Corona-Infektion wieder einsatzfähig sein wird. „Freitestung bedeutet nicht automatisch Vollbelastung“, gibt Oprea zu bedenken.
Nichtdestotrotz sind die Jets hochmotiviert, dem Tabellenführer zum zweiten Mal ein Bein zu stellen. „Wir haben sie schon einmal geschlagen, warum sollte das nicht nochmal drin sein?“, hatte Torwart Daniel Mühleisen im Interview bereits angekündigt. Damit habe er die Denkweise aller Spieler auf den Punkt getroffen, findet Oprea: „Doch alle wissen genau, was wir leisten mussten, um zwei Punkte aus Baden-Baden zu entführen. Das wird am Sonntag nicht anders sein.“ Die Mannschaft, die sowohl im Angriff als auch in der Abwehr näher an die Perfektion herankomme, werde dieses Topspiel für sich entscheiden.
 
TSB: Fabian (?), D.Mühleisen, Immer – Petersen, Watzl, Fröhlich (?), Abt, M.Rascher, N.Rascher, Pleißner, Schwenk, Bächle (?), Zimmermann, S.Mühleisen, Kiesel, Waibel
Bisherige Duelle (aus TSB-Sicht): 5 Siege, 1 Unentschieden, 4 Niederlagen
 
 
Der Gegner: TVS 1907 Baden-Baden / TV Sandweier
 2021 22 Erste TVS I 800
Oben von links: Cheftrainer Sandro Catak, Julian Schlager, Sebastian Wichmann, Matthias Seiter, Markus Koch, Max Mitzel
Mitte von links: Co-Trainer Marius Merkel, Jascha Lehnkering, Christian Fritz, Jonas Schuster, Han Völker, Franz Henke, Torwart-Trainer Frank Zink
Unten von links: Johannes Henke, Maximilian Vollmer, Matthias Meßmer, Dominik Horn, Maximilian Strüwing, Jeremias Seebacher
Es fehlen: Thilo Hafner, Tim Krauth.
 
(Text: Nico Schoch - Bilder: Enrico Immer, Raymund Kunz)