Das Unmögliche wird möglich: TSB-Rumpftruppe verblüfft den Spitzenreiter

In fremder Halle sorgt der TSB Gmünd für eine kleine Sensation. Die Jets kompensieren das Fehlen von fünf Stammspielern, ziehen dem Tabellenführer den Zahn und rücken selbst auf Platz fünf vor. Der 34:28 (18:14) – Erfolg beim zuvor ungeschlagenen TSV Weinsberg war auch in dieser Höhe verdient.

Dieser Coup war nun wirklich nicht zu erwarten, auch wenn sich die Mannschaft von Trainer Dragoș Oprea bereits in den vergangenen Wochen trotz personeller Engpässe hervorragend präsentiert hatte. Am Sonntagabend jedoch erreichte die Ausfallliste einen neuen Höchststand: Mit Aaron Fröhlich, Jonas Waldenmaier, Wolfgang Bächle, Stephan Mühleisen und Sebastian Fabian war eine ganze Reihe an etablierten Spielern krankheits- oder verletzungsbedingt zum Zuschauen verdammt. „Ich wusste am Morgen nicht, wer überhaupt spielen kann“, bekannte Oprea. Erschwerend hinzu kam, dass das Spiel für Tom Abt bereits nach einer Viertelstunde aufgrund einer zumindest fragwürdigen Roten Karte beendet war. Doch die TSBler trotzten all diesen Rückschlägen. Sie agierten nicht nur auf Augenhöhe mit dem Spitzenreiter, nein sie dominierten das Geschehen über weite Strecken. Gestützt auf einen erneut ganz stark agierenden Tormann Daniel Mühleisen, beeindruckten die Gmünder die favorisierten Weinsberger, die zuvor sechs Spiele am Stück gewonnen hatten. „Was die Jungs geboten haben, war schlichtweg überragend“, resümierte Oprea später mit berechtigtem Stolz auf den Lippen.
Lediglich in den Anfangsminuten lag der TSB in Rückstand, nach erst vier Minuten erzielte Ersatz-Rechtsaußen Patrick Watzl den ersten Treffer für die Gäste. Nachdem Weinsberg kurzzeitig einen Zwei Tore-Abstand herstellte, gelang Abt durch einen Konter zum 5:5 (10.) prompt wieder der Ausgleich. Die 200 Zuschauer in der Weibertreuhalle spürten: Der TSB war voll dabei und gewillt, dem scheinbar unverwundbaren Klassenprimus ein Bein zu stellen. Dabei war Improvisation gefragt. Am Kreis sprang Philipp Schwenk in die Bresche und erledigte seine Aufgabe glänzend, wie Oprea anmerkte. „Unsere Taktik, die wir vorbereitet und aufgrund der fehlenden Spieler immer wieder anpassen mussten, haben wir hervorragend umgesetzt“, lobte der TSB-Trainer und fügte hinzu: „Wir haben es geschafft, Weinsberg über die Abwehr zu dominieren. Das war das A und O.“
Bis zum 7:6 (13.) hatten die Hausherren zwar knapp die Nase vorne, der TSB aber immer wieder die passende Antwort parat. Frühzeitig häuften sich auch die Zeitstrafen. Weinsbergs Timon Ströbel wurde nach einem harten Eingreifen sogar direkt disqualifiziert. Daraufhin war es Marian Rascher vorbehalten, den TSB aus sieben Metern erstmals mit 8:7 (15.) in Front zu werfen. Doch nur 90 Sekunden musste auch der starke Abt frühzeitig vom Feld. Nachdem er Robin Mahl beim Gegenstoß foulte, zückten die Schiedsrichter in dieser Szene die nächste Rote Karte.
Ab diesem Zeitpunkt übernahmen die Gmünder das Kommando – selbst in Unterzahl. Mit einer kompakten Abwehr gelang es dem TSB, die starken Weinsberger Rückraumschützen an die Kette zu legen und auch deren Zusammenspiel mit dem Kreis zunehmend zu unterbinden. „Gesunde Härte ist immer erlaubt und das fordere ich auch, genau so haben wir es umgesetzt“, freute sich Oprea. Weinsbergs Halblinker Sven König, der vorige Woche beim Topspiel in Köndringen/Teningen 14 Tore erzielt hatte, kam gegen die Jets nur viermal erfolgreich zum Abschluss – und fand mehrmals in Daniel Mühleisen seinen Meister. Nachdem der TSB-Keeper zweimal in Folge parierte, besorgte Watzl mit einem Doppelschlag das 14:10 (22.). Mit dem 18:13 (30.) setzte Schwenk das Sahnehäubchen auf eine erste Halbzeit, in der beim TSB fast alles funktionierte. Da änderte es auch nichts daran, dass TSV-Linksaußen Mahl mit seinem siebten Treffer unmittelbar vor der Pause auf 18:14 verkürzte.
Mit Wut im Bauch kehrte Weinsberg aus der Kabine zurück, doch der TSB überstand auch die schwierigste Phase dieser Partie nahezu schadlos. Nachdem sich sowohl Abwehrchef Christian Waibel als auch Oprea wegen Reklamierens an der Seitenlinie eine Zeitstrafe eingehandelt hatten, fanden sich die Gmünder kurzzeitig in doppelter Unterzahl wieder. Weinsberg nutzte das, um sich auf 19:16 (33.) und 21:18 (38.) heranzutasten. Umso wertvoller war es dann, als TSB-Linksaußen Eric Zimmermann mit drei blitzsauberen Kontertoren auf 24:18 (40.) erhöhte. Die von TSV-Trainer Michael Stettner erhoffte Aufholjagd war damit gescheitert. Der Spitzenreiter wankte nunmehr nicht nur, er fiel auch.
Denn der TSB blieb konsequent. Da Sven Petersen im rechten Rückraum nicht zu bändigen war und Marian Rascher alle seine sechs Strafwürfe verwandelte, blieb das Sechs Tore-Polster bestehen. Daniel Mühleisen ebnete den Gmündern mit seinen insgesamt 22 Paraden endgültig den Weg zum Sieg. Wie schon in der Vorwoche zeigte der 24-Jährige eine überragende Leistung zwischen den Pfosten. Als Petersen mit einem Doppelschlag auf 31:23 (54.) stellte, war bereits die Entscheidung gefallen. Youngster Arian Pleißner, der am Nachmittag bereits 15 Tore zum 39:26-Auswärtssieg der A-Jugend bei der HSG Winzingen-Wißgoldingen-Donzdorf beigesteuert hatte, schraubte das Resultat sogar bis auf 34:25 (38.) in die Höhe. Mit einer offenen Deckung gelang Weinsberg dann zwar noch einmal Ergebniskosmetik. Doch die letzte Aktion gebührte dem herausragenden Mühleisen, der den letzten Konter parierte und den hochverdienten 34:28-Auswärtserfolg festhielt.
Es war ein Auftritt, mit dem sich der TSB nicht nur zwei weitere Punkte, sondern auch mächtig Respekt erspielt haben dürfte. „Den haben sich die Jungs auch vollauf verdient“, findet Oprea, der diesen Auftritt noch um „zwei Stufen höher“ einschätzte als den nicht minder überraschenden 26:25-Auswärtserfolg in Baden-Baden vor einem Monat. Mit einem Lauf von 9:3 Punkten – lediglich die Last Minute-Niederlage gegen Steißlingen trübt diese Bilanz – ist der TSB nun sogar auf den fünften Platz vorgerückt.
 
„Meinen Jungs ist bewusst geworden, was sie in der Lage sind zu leisten, wenn sich jeder an die Taktik hält und sein ganzes Herz auf die Platte bringt“, betont der TSB-Trainer. Sein Blick richtet sich längst voraus auf das kommende Heimspiel am Samstagabend (19:30 Uhr / Große Sporthalle) gegen den TSV Zizishausen: „Wir wollen uns auch in der nächsten Woche keinen Ausrutscher erlauben und dann wissen wir, wie die Tabelle aussieht.“ Spätestens nach diesem Husarenstreich in Weinsberg ist dem TSB alles zuzutrauen – wie sehr das Verletzungspech auch noch zuschlagen mag.
TSV: Marc Krammer, Adrian Zügel – Robin Mahl (7/2), Moritz Lanig (5), Mert Darancik (4), Maximilian Schulze (4), Sven König (4/1), Moritz Wahl (2), Felix Hofacker (1), Jan König (1), Timon Ströbel, Luca Kazmeier, Louis Helm, Simon Schrempf, Robin Pech
TSB: Daniel Mühleisen – Sven Petersen (7), Marian Rascher (7/6), Eric Zimmermann (5), Patrick Watzl (5), Nicola Rascher (4/1), Philipp Schwenk (3), Tom Abt (2), Arian Pleißner (1), Christian Waibel, Kai Kiesel, Valentin Pick
Siebenmeter: TSV 3/3 – TSB 7/6
Zeitstrafen: TSV 8 Minuten – TSB 14 Minuten
Rote Karte: Timon Ströbel (TSV/15./Foulspiel) – Tom Abt (TSB/16./Foulspiel)
Schiedsrichter: Christoph Kiefner, Robin Weiß (SV Vaihingen)
Zuschauer: 200
 
(Text: Nico Schoch - Bilder: Enrico Immer)