Ein Punkt, zwei Gefühlswelten: Der TSB erringt ein 29:29-Remis beim Klassenprimus und ärgert sich dennoch

Die Achterbahnfahrt des TSB Gmünd in der noch jungen Saison führte am Freitagabend wieder einmal steil nach oben, um dann aber doch noch abrupt abzubremsen. Das Team von Trainer Stefan Klaus hatte den souveränen Tabellenführer SG Pforzheim/Eutingen am Rande seiner Niederlage, musste aber trotz einer zwischenzeitlichen Sechs Tore-Führuntg schließlich mit einem 29:29 (18:13) – Unentschieden zufrieden geben.

Sie haben dem bislang makellosen Spitzenreiter, der vermeintlichen Übermannschaft, den ersten Punktverlust beschert und fühlten sich dennoch zunächst wie Verlierer. Ein wenig ratlos standen die Gmünder zu später Stunde inmitten der Halle. "Wir hätten natürlich gerne zwei Punkte mitgenommen", haderte Stefan Klaus, betonte aber auch: "Ich bin stolz auf die Leistung meiner Mannschaft." Während in der Heimtabelle weiterhin die Null steht, entwickelt sich der TSB allmählich zur Auswärtsmacht angesichts von 5:3 Punkten. Die Fragen nach dem Warum bleiben allerdings unbeantwortet. "Vielleicht machen wir uns zuhause zu viel Druck", so versuchte Wolfgang Bächle eine Erklärung zu finden.
 
In Pforzheim hingegen diktierte der TSB, immerhin als krasser Außenseiter angereist, über weite Strecken das Geschehen und zeigte eine "sensationelle erste Halbzeit", wie Thomas Grau befand. Den anfänglichen 0:1-Rückstand drehte Linksaußen Aleksa Djokic umgehend mit seinen ersten beiden Treffern. Auch Schlussmann Daniel Mühleisen erwischte einen hervorragenden Start in die Partie, während Sebastian Fabian als auch Giovanni Gentile verletzungsbedingt zuschauen mussten. An ihrer Stelle hatte der A-Jugendliche Sascha Grützmacher erstmals auf der Oberliga-Ersatzbank Platz genommen. Bis zum 6:6 (12.) war die Begegnung völlig ausgeglichen, dann aber erspielte sich der TSB zunehmend Vorteile. Djokic und Sven Petersen per Konter sowie Aaron Fröhlich aus sieben Metern besorgten einen 9:6-Gästeführung (15.). Der Spitzenreiter war sichtlich beeindruckt und auch die 550 Zuschauer rieben sich verwundert die Augen. "Die Gmünder erwischen uns richtig knackig", gab SG-Trainer Alexander Lipps später zur Protokoll. Ohne Routinier Ingo Catak fand Pforzheim kaum Mittel gegen effektive Gmünder und ihr kongeniales Spielmacher-Duo Aaron Fröhlich und Yannik Leichs. Auch der langjährige Bundesligakeeper Bastian Rutschmann bekam wenig zu fassen. Der TSB blieb konsequent, gab sich mit dem Drei Tore-Abstand nicht zufrieden und zog innerhalb weniger Minuten von 13:10 (21.) auf 16:11 (25.) davon. Direkt vor der Pause allerdings verpasste es die Klaus-Sieben, sogar auf sieben Tore davonzuziehen: Wolfgang Bächle scheiterte von Rechtsaußen an Tormann Mile Matijevic, im direkten Gegenzug verkürzte stattdessen Michael Hohnerlein auf 18:13 – zu diesem Zeitpunkt Schadensbegrenzung für den indisponierten Aufstiegsanwärter.
Auch nach Wiederanpfiff war der TSB zunächst weit entfernt von einem Einbruch, den viele Heimfans erwartet hätten. Als es beim Stand von 19:15 (33.) erstmals eng zu werden, parierte Daniel Mühleisen einen Tempo-Gegenstoß. Die Gmünder blieben am Drücker, in Überzahl traf Grau aus der Distanz zum 22:16 (42.) ins verwaiste Gehäuse. Pforzheim zog die nächste Auszeit und griff zum erwartbaren Mittel, gegen das der TSB fortan aber kein Gegenelixier fand: Eine Manndeckung gegen Aaron Fröhlich, der bereits acht Treffer erzielt hatte. Auf der Gegenseite gelangen SG-Spielmacher Manuel Mönch immer wieder erfolgreiche Durchbrüche, auch das Kreisläuferspiel bekamen die Gäste nun kaum noch in den Griff. Dennoch behauptete der TSB sein dünner werdendes Polster bis zum 27:23 (52.), als Jonas Waldenmaier nach Fröhlich-Zuspiel sehenswert im Fallen mit dem Rücken zum Tor traf.
 
In der Schlussphase fehlte dem TSB dann das nötige Abschlussglück. Dass Bächle und Petersen zwei Chancen ungenutzt ließen, bestrafte Mönch umgehend mit dem 27:26-Anschlusstreffer (54.). Die Halle kochte. Zu allem Überfluss verloren die Gmünder auch noch Leichs, der einen Schlag ins Gesicht abbekam und mit Verdacht auf eine schwere Gehirnerschütterung ins Krankenhaus musste. Glück im Unglück: Der 20-Jährige durfte die Klinik noch am gleichen Abend wieder verlassen. Kühlen Kopf in dieser hektischen Phase bewahrten Djokic und Grau, die den Zwei Tore-Vorsprung wiederherstellten. In den letzten 90 Sekunden allerdings entschieden die Unparteiischen gleich zweimal auf Siebenmeter für Pforzheim. Daniel Mühleisen, der kurz zuvor mit einer Fußabwehr gegen Mönch geglänzt hatte, zog im Nervenduell gegen Max Lupus auch im dritten und vierten Anlauf den Kürzeren – 29:29. 27 Sekunden verblieben dem TSB für den finalen Angriff. Fröhlich wurde zu Boden gerissen, doch in dieser Szene verweigerten die Schiedsrichter einen vertretbaren Strafwurf. Stattdessen wurde der letzte Freiwurf von der SG-Mauer abgeblockt, Klassenprimus Pforzheim bejubelt paradoxerweise ein Unentschieden gegen Neuling Gmünd.
 
"Ihr könnt eben nur auswärts punkten", meinte der SG-Hallensprecher süffisant und Stefan Klaus entgegnete teils konsterniert, teils zufrieden: "Wir waren nahe dran an unserer Leistungsgrenze, aber leider nicht über die gesamten 60 Minuten." Auch wenn die Gmünder gerne mit zwei Punkten die Heimreise angetreten hätten, so offenbarte diese Partie dennoch, zu welchen Leistungen die "Jets" fähig sind. Das Schlüsselwort bleibt allerdings die bislang fehlende Konstanz, weshalb Klaus mahnt: "Wir dürfen uns darauf jetzt nicht ausruhen und müssen daheim nachlegen, um uns von den hinteren Tabellenplätzen zu distanzieren. Das ist unser prioritäres Ziel." Im Heimspiel am kommenden Samstag (19:30 Uhr / Römersporthalle Straßdorf) gegen den Mitkonkurrenten TSV Zizishausen gilt es zu beweisen, dass der starke Auftritt in Pforzheim keine Eintagsfliege gewesen sein soll. Der Sportliche Leiter Jürgen Rilli gibt sich zuversichtlich: "Wir werden jetzt überheblich werden. Wir wollen die richtige Balance aus Selbstvertrauen und Demut mitnehmen, um gegen Zizishausen endlich auch einmal vor heimischer Kulisse zu überzeugen."
SG: Bastian Rutschmann, Mile Matijevic – Manuel Mönch (10), Michael Hohnerlein (4), Max Lupus (4/4), Paul Lupus (3), Tim Kusch (3), Jan Wörner (2), Slavisa Lacmanovic (2), Sebastian Melcher (1), Nick Kusch, Tom Schlögl, Sören Schmid, Nik Wittke
TSB: Daniel Mühleisen, Sascha Grützmacher – Aaron Fröhlich (9/4), Aleksa Djokic (7/1), Jonas Waldenmaier (4), Wolfgang Bächle (3), Thomas Grau (3), Yannik Leichs (2), Sven Petersen (1), Stephan Mühleisen, Christian Waibel, Tom Abt, Tim Albrecht
Siebenmeter: SG 4/4 – TSB 6/5
Zeitstrafen: SG 12 Minuten – TSB 4 Minuten
Rote Karte: Tom Schlögl (SG/47./Grobes Foulspiel)
Schiedsrichter: Magnus Enßle, Holger Krieg (TV Mögglingen)
Zuschauer: 550
 
"Wir hätten einen Punkt sofort unterschrieben" – Stimmen zum Spiel
Dass der Titelkandidat letzten Ende wesentlich besser mit dieser Punkteteilung leben konnte als der Aufsteiger, sagt viel aus über eine Partie, in der sich die Gmünder lange Zeit auf der Siegerstraße wähnten. Die TSB-Akteure schwankten in ihren Einschätzungen nach Spielende zwischen Stolz über eine starke Vorstellung und Ärger über den verspielten Sechs Tore-Vorsprung.
 
Stefan Klaus, TSB-Trainer: "Die Tatsache, dass der ungeschlagene Tabellenführer zum Schluss einen Punkt gegen uns feiert, ist schon sensationell. Deshalb bin ich grundsätzlich stolz auf unsere Leistung, natürlich aber mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Wir hätten mit zwei Punkten heimfahren müssen, das ist unser einziger Wermutstropfen. Wir haben im Angriff unheimlich effektiv gespielt und gegen die Pforzheimer Abwehrformationen immer wieder Lösungen gefunden. Wir waren am Drücker und haben es dennoch versäumt, den Sack zuzumachen. Das ist das einzige, was ich meiner Mannschaft vorwerfen kann. Ansonsten muss ich ihr ein großes Kompliment aussprechen. Doch wir dürfen uns jetzt nicht auf dieser Auswärtsleistung aufrufen und müssen kommende Woche den ersten Heimsieg klar machen."
 
Alexander Lipps, SG-Trainer: "Dass wir Gmünd unterschätzen, wird unter meiner Leitung garantiert nicht passieren. Die Jungs wöllten den nächsten Sieg holen, denn es macht einfach Spaß die Tabelle von vorne zu bespielen. In der Halbzeit wurde es bei uns zum ersten Mal ein bisschen lauter in der Kabine. Für die tolle Moral hat sich meine Mannschaft ein großes Lob verdient. Es zeugt von Qualität, dass wir selbst bei fünf Toren Rückstand ruhig bleiben und an die eigene Stärke glauben. Am Ende waren wir einfach effektiv, hatten auch das nötige Quäntchen Glück und haben uns diesen Punkt mit einer deutlich verbesserten Abwehrleistung verdient. Ich hätte mich aber auch nicht beschwert, wenn Gmünd aufgrund dieser starken ersten Halbzeit als Sieger heimfährt."
 
Thomas Grau, TSB-Akteur: "Unsere erste Halbzeit fand ich sensationell. Die Angriffsleistung war sehr konsequent, hinten haben wir recht solide gedeckt. Nach der Pause haben wir aber Probleme mit dem Pforzheimer Kreisläuferspiel bekommen und dagegen kein Mittel gefunden. Vielleicht waren wir dann auch zu passiv. Wir waren heiß darauf, Pforzheim die erste Niederlage zuzufügen und sind enttäuscht, dass es doch nicht gereicht hat. Doch vor dem Spiel hätten wir einen Punkt sofort unterschrieben. Ich denke, das ist in Ordnung."
 
Daniel Mühleisen, TSB-Torwart: "Es ist immer eine schöne Anerkennung, wenn einen sogar die gegnerischen Fans lobend auf die eigene Leistung ansprechen. Mein Ziel ist es, ein Leistungsträger zu sein und Verantwortung zu übernehmen, solange Sebi Fabian verletzt ausfällt. Wir müssen jetzt schauen, dass wir Konstanz in unsere Leistungen hinein bekommen und das Woche für Woche auf die Platte bringen. Auf diesen guten Auftritt wollen wir aufbauen und werden dann hoffentlich die ersten beiden Heimpunkte holen."
 
Aaron Fröhlich, TSB-Spielmacher: "Gefühlt ist das eine Niederlage, weil wir alles in der eigenen Hand hatten. Doch in unserer Situation können wir auch mit einem Punkt viel anfangen. Wir haben wenig eklatante Fehler gemacht und die starke offensive Abwehr immer wieder vor Probleme gestellt. Umgekehrt musste der Gegner für jedes einzelne Tor kämpfen. Leider haben wir mit der Manndeckung gegen mich den Faden verloren und nicht mehr so viel Durchschlagskraft entwickelt, obwohl es uns eigentlich in die Karten spielen sollte, wenn wir mehr Räume erhalten."
 
Wolfgang Bächle, TSB-Rechtsaußen: "Es ist schwer zu erklären, warum ich den Wurf kurz vor Schluss nicht verwandele. Wenn man ganzen Spielverlauf betrachtet, ist es natürlich ein verlorener Punkt, weil wir den Sack nicht zugemacht haben. Wir müssen nun endlich anfangen, auch daheim zu punkten."
 
Jürgen Rilli, Sportlicher Leiter TSB Gmünd: "Wir haben unsere Defizite nach dem Heimspiel aufgearbeitet. Körpersprache, Engagement und Einstellung waren hervorragend. Vor allem dass wir das Angriffsspiel beweglicher gestaltet haben, stimmt mich absolut positiv.Wir sind beim ungeschlagenen Tabellenführer lange Zeit überzeugend und dominant aufgetreten. Leider ist es uns nicht gelungen, ein Konzept auf die Platte zu bringen, wann Aaron Fröhlich manngedeckt wird. Das ist ärgerlich."

(Text und Bilder: Nico Schoch)