„Wir sind ein Spiegelbild des TSB“: Rudi Rascher im Interview vor dem Saisonstart

Für den TSB Gmünd ist er viel mehr als „nur“ Trainer der zweiten Mannschaft. Andreas „Rudi“ Rascher verfolgt die Mission, den eigenen Nachwuchs sukzessive in den Aktivenbereich zu integrieren und aus dem Bezirksklassen-Perspektivteam ein attraktives Sprungbrett zur BW-Oberliga zu gestalten. Das „Konzept Zukunft“ ist zwar ins Stocken geraten – bekanntermaßen aber nicht aus sportlichen Gründen, sondern wegen der Corona-Pandemie. Doch schon frühzeitig waren die Weichen für den im September angepeilten Re-Start gestellt.
 
Rudi, was ist aus deiner Sicht wahrscheinlicher: Dass dass Perspektivteam Bezirksklassen-Meister wird oder dass die neue Saison trotz der Corona durchgespielt wird?

Zunächst einmal ist es für den gesamten Sport überlebenswichtig, dass endlich wieder Normalität einkehrt und eine Runde zu Ende gebracht wird. Das Wort Meisterschaft aber werde ich gar nicht in den Mund nehmen.
 
Aus welchen Gründen?
 
Zunächst einmal weil uns eine komplette Saison der Vorbereitung fehlt, auch für mich persönlich. Das vergangene Jahr war eigentlich als Übergangsjahr angedacht. Damit ich die Liga und die Gegner kennenlerne und sehe, welches Niveau hier gespielt wird. Auch um zu erkennen, wo wir uns verstärken müssen, um erfolgreich zu sein. Um gleichzeitig die A-Jugendspieler frühzeitig an die Aktive heranzuführen und diesen neuen Unterbau somit behutsam aufzubauen. Dieses Jahr ist komplett weggefallen. Deshalb fangen wir jetzt wieder von Null an.
Doch unabhängig davon dürfte das Perspektivteam mit den zahlreichen A-Jugendlichen aus dem Jahrgang 2002 künftig deutlich schlagkräftiger aufgestellt sein als bislang, oder?
 
Das hoffe ich natürlich. Doch es bleibt ein großes Fragezeichen, wo wir denn wirklich stehen. Es gab im Sommer einen großen Bruch. Viele junge Spieler sind dazugekommen, ein paar Ältere haben aufgehört. Nun muss sich erstmal zeigen, wie sich das Team findet. Doch ich gehe positiv an die Sache heran. Mit unserer Truppe lässt sich wirklich etwas bewegen, wie unser letztes Spiel gezeigt hat. In Süßen zu gewinnen, wo der TSB bislang meist schlecht ausgesehen hat, war ein erstes Ausrufezeichen.
 
Wie frisch sind deine Erinnerungen an das letzte Spiel Ende Oktober noch?
 
(lacht) Die sind noch ganz frisch, weil es damals unser Sieg war! Immer wenn ich während dieser schwierigen Zeit zurückdachte, wäre ich gerne sofort wieder in der Halle gestanden, um das nächste Spiel zu bestreiten. Denn ich war überzeugt, dass wir eine richtig gute Serie hingelegt hätten.
 
Beim 25:18-Auswärtserfolg beim TSV Süßen sah es ganz so aus, als wäre der Knoten geplatzt. Dass vier Tage darauf die Saison unterbrochen wurde, kam für euch sicherlich zur völligen Unzeit, oder?
 
Total. Aber so denken alle anderen auch. Der Lockdown hat uns Handballer sehr hart getroffen.
War die Annullierung der Saison 2020/21 eine richtige Entscheidung?
 
Es war richtig, abzubrechen und sich lieber auf die nächste Runde vorzubereiten. Dennoch enorm schade für die Motivation und unsere gesamte Zielsetzung. Nicht nur die Entwicklung eines ganzen Jahres geht verloren. Viele Vereine kämpfen damit, dass in dieser langen Zeit ohne Sport eventuell Spieler abspringen und ganz aufhören. Das ist eine gefährliche Situation.
 
Auf welche Weise stand die Mannschaft währenddessen miteinander in Kontakt, auch mit dem Versuch sich ohne ein gemeinsames Training fit zu halten?
 
Generell waren Einzelverantwortung und Einzeldisziplin gefordert. Ich habe vollstes Vertrauen zu meinen Spielern, dass jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten etwas für sich gemacht und eigenständig Lauf- oder Krafttraining absolviert hat. Zwischendurch haben wir uns in Videokonferenzen getroffen, um uns wieder einmal sehen und ich auch ein Feedback bekomme, wie die Jungs drauf sind.
 
Wie zufrieden bist du mit der sehr kurzen Saison 2020/21? Nach den knappen Niederlagen in Aalen (21:24) und Giengen (20:24) glückte, wie bereits angesprochen, auswärts in Süßen (25:18) im dritten Anlauf endlich der erste Sieg.
 
Das Hauptziel war ja zunächst, dass wir zueinanderfinden und eine Basis schaffen. Ich denke, das ist uns gelungen. In den ersten beiden Spielen war mehr drin, auch wenn ich Aalen ganz vorne erwarte. In Giengen war ich enttäuscht aufgrund unserer ganz schwachen Wurfquote. Da haben wir kopflos gespielt, ohne die richtige Einstellung. Ich habe eine Reaktion erwartet – und die kam in Süßen. Die Abwehr mit unseren ganzen erfahrenen Spielern ist bombastisch gestanden, das war ein tolles Miteinander. Besonders wichtig für mich zu sehen war, dass die jungen Spieler einen Schritt nach vorne gemacht und aus ihren eigenen Erfahrungen gelernt haben. Der A-Jugendliche Hannes Kauderer war zum ersten Mal mit dabei und hat ein sehr gutes Spiel gezeigt. Ebenso wie Arian Pleißner, der bei seinem Debüt eine Woche zuvor trotz guten Ansätzen noch ein wenig glücklos war und fünfmal nacheinander den Pfosten getroffen hat.

Welche Stolpersteine sind euch abseits der Ligaspiele bislang begegnet?
 
Die Trainingsgestaltung war anfangs schwierig. Dass regelmäßig 20 bis 25 Leute ins Training kommen, ist Vor- und Nachteil gleichermaßen. Da wird es natürlich knifflig, dem ein oder anderen individuell etwas beizubringen. Am Ende muss der Trainer dann auch entscheiden, wer spielt und wer nicht. Dass der ein oder andere einmal enttäuscht ist, ist dann auch nur verständlich. Doch darin bestand zu keiner Zeit ein ernsthaftes Problem und ich denke, wir haben inzwischen einen ganz guten Mittelweg gefunden. Wenn man offen und ehrlich mit den Spielern umgeht, verstehen sie das dann auch.
 
In welcher Hinsicht warst du positiv überrascht von deiner neuen Mannschaft?
 
Wie sowohl die gestandenen Spieler als auch die Jugendlichen von Anfang an mitgezogen haben, war wirklich hervorragend. Alle haben richtig Bock zu trainieren, so macht es mir als Trainer ebenfalls Spaß. Auch wie gerne die älteren Spieler die Jungen aufnehmen, ist nicht selbstverständlich. Die Gemeinschaft stimmt. Genau das ist auch auf den gesamten Verein zu übertragen. Wir als Perspektivteam sind da ein Spiegelbild des TSB.
 
Du selbst sitzt beim TSB an der wichtigen Schnittstelle zwischen den Aktiven und der Jugend und bist fast überall eingebunden. Wie siehst du deine Rolle und das Potenzial im Nachwuchsbereich?
 
Ich sehe mich nicht nur als reiner Trainer des Perspektivteams, sondern als jemanden, der die Verbindung herstellt. Von der Jugend bis zur Ersten Mannschaft kenne ich alle Spieler. Ganz arg wichtig ist mir das positive Feedback meiner Trainerkollegen, allen voran von Aaron Fröhlich. Er trainierte die A-Jugendlichen viele Jahre lang, hat sie gut ausgebildet und nach vorne gebracht. Dass diese Jungs nun auch gerne in mein Training kommen und dazulernen, motiviert mich ungemein.
Waren das auch die ausschlaggebenden Gründe, schon zu einem solch frühen Zeitpunkt dem TSB deine Zusage für ein weiteres Jahr zu geben?
 
Von Beginn an war mit dem Sportlichen Leiter Jürgen Rilli besprochen, dass mein Engagement mittelfristig ausgerichtet ist. Ziel ist es, unsere talentierten jungen Spieler über die Zweite Mannschaft an den Aktivenbereich heranzuführen und damit einen guten Unterbau für das Oberliga-Team zu schaffen. Dass das in nur einer Saison nicht getan ist, erst recht wenn sie schon nach drei Spielen annulliert wird, darin sind wir uns alle einig. Daher war für mich im vornherein klar, dass ich weitermachen werde, wenn der Verein das auch will. Ich fühle mich richtig wohl beim TSB und habe zu allen ein gutes Verhältnis, angefangen von den Hausmeistern über die Abteilungsleiter und Dodo Oprea bis hin zu den Spielern. Das sind alles Gründe, weshalb die Entscheidung für mich ganz, ganz einfach war.
 
Im November 2019 bist du während der laufenden Saison neu zum TSB gekommen. Was hat sich seitdem entwickelt? Spürst du auch diese Aufbruchstimmung, von der viele sprechen?
 
Das kann ich auf jeden Fall so unterschreiben. Das gesamte Paket mit neuen Trainern und neuen Spielern, nicht zuletzt auch was sich im Laufe der vergangenen Saison bereits entwickelt hat, passt einfach. Ich habe das Gefühl, dass da ein Ruck durch den Verein ging und wir deshalb nun diese tolle Stimmung erfahren. Das überträgt sich direkt auch auf die zweite Mannschaft. Wir sehen, dass sich hier etwas entwickelt.
Ganz direkt gefragt: Auf welchem Tabellenplatz landet der TSB 2 in diesem neuerlichen Übergangsjahr?
 
Den Erfolg dieser Saison mache ich sicher nicht an einem Tabellenplatz fest. Mein Ziel ist es einfach, schnellstmöglich nichts mit dem Abstieg zu tun zu haben und dann zu schauen, was nach oben für uns möglich ist.
 
Und wie sieht es mit dem Aufstieg aus?
 
Wir werden nicht vom Aufstieg reden. Wir müssen zunächst einmal in der Liga ankommen. Ich sehe uns nicht als Favorit. Doch ich traue der Mannschaft schon Vieles zu und sehe, dass große Möglichkeiten vorhanden sind.
 
Wie lauten denn die künftigen Ambitionen? Dass die Zweite Mannschaft eines Oberligisten nicht ewig in der Bezirksklasse antreten will, daraus macht ja niemand einen Hehl...
 
Ganz klar, unser Blick richtet sich nach oben. Aber Stand jetzt werde ich sicher nicht vom Aufstieg reden. Dennoch ist unsere Zielsetzung eindeutig. Wir möchten einen attraktiven Unterbau schaffen. Dieser definiert sich nicht nur durch ein attraktives Training und eine gute Beteiligung, sondern auch über die Spielklasse. Auf Dauer wollen wir die Bezirks- oder Landesliga erreichen. Die Grundlage dafür wollen wir nun schaffen, den Prozess haben wir begonnen.

(Text und Bilder: Nico Schoch)