In der Region wird er als Handballfachmann geschätzt. Abteilungsleiter Michael Hieber nennt ihn den „Glücksgriff“ diesen Sommers. Gemeinsam verfolgt der TSB Gmünd ein ambitioniertes Konzept, um die starke Jugendarbeit in den kommenden Jahren zu veredeln. Andreas „Rudi“ Rascher besetzt als neuer Trainer der zweiten Mannschaft dabei eine Schlüsselposition und sorgt dort für frischen Wind.
Spitznamen sind bekanntlich eine Sache für sich. Ob sie denn gefallen oder nicht, aussuchen können sie sich die Betroffenen meist nicht. „Im Job und auch im Verein wissen viele Leute gar nicht, wie ich richtig heiße“, schmunzelt Andreas Rascher. Seitdem er vor vielen Jahren in der Schulzeit von einem Lehrer seinen Rufnamen erhielt, wird er überall bloß „Rudi“ gerufen: „Das hat sich sofort etabliert und haftet bis heute an mir, doch ich gehe positiv damit um und kann damit gut leben.“
Ebenso hatte der 52-Jährige kein Problem damit, als ihn im vergangenen November der Anruf vom Sportlichen Leiter Jürgen Rilli erreichte mit der Nachricht: „Der TSB braucht dich!“ Die Gmünder hatten sich gerade von ihrem Aufstiegscoach Stefan Klaus getrennt, zwei Wochen zuvor war Rascher bei der HSG Winzingen-Wißgoldingen-Donzdorf entlassen worden. „Der Verein stand aufgrund der Ligareform enorm unter Erfolgsdruck und wollte unbedingt einen neuen Impuls setzen, insgesamt war es aber keine erfolglose oder schlechte Zeit“, blickt Rascher nicht im Groll zurück.
Eine „Ehren- und Freundschaftssache“ war es für ihn, von November an gemeinsam mit Michael Hieber das Oberliga-Team des TSB zu coachen. „Wir haben die Arbeit des jeweils anderen immer mit viel Respekt verfolgt“, berichtet Rascher über das Verhältnis zu seinem früheren Mitspieler aus Donzdorfer Zeiten und freut sich darüber, „dass sich unsere Sportlerfreundschaft jetzt wieder verstärkt hat.“ Nicht zuletzt ist er überzeugt davon, dass für den TSB allen Widerständen und sechs Punkten Rückstand zum Trotz, auch rein sportlich noch eine gute Chance für den Oberliga-Verbleib vorhanden war: „Die Formkurve unter dem neuen Trainergespann zeigte klar nach oben, die Mannschaft ist enger zusammengewachsen. In vielen Spielen hat uns bloß ein wenig Glück und die Cleverness gefehlt.“
Auch persönlich hat sich Rascher in dieser sportlich schwierigen Situation bestens eingelebt. „Ob Fans, Betreuer, Zeitnehmer oder Hausmeisterteam – ich bin vom gesamten Umfeld fantastisch aufgenommen worden und habe von Niemandem Widerspruch erlebt“, freut sich der Diplom-Betriebswirt und fiebert weiteren Jahren in Gmünd entgegen. Denn während Abteilungsleiter Hieber interimsweise auf der Bank Platz nahm, war schnell verabredet, dass Rascher künftig die zweite Mannschaft übernehmen würde. Verbunden mit der Zielsetzung, den Aktiven- und Jugendbereich enger zu verknüpfen. Hieber bezeichnet seinen einstigen Mitspieler als „absoluten Glücksgriff“ für den TSB: „Rudi ist extrem heiß auf seine Aufgabe und mit seiner positiven Art unglaublich wichtig für uns. Deshalb sind wir wahnsinnig glücklich, unser neues Konzept so realisieren zu können.“
Auch wenn die jüngste Vereinshistorie etwas täuscht – als Co-Trainer von Bruder Ralf beim TSV Deizisau erlebte er ebenso nur eine kurze Episode wie die eineinhalb Jahre als hauptverantwortlicher Coach bei der HSG WiWiDo – ist Andreas Rascher jemand, der sich selbst über eine „hohe Vereinsidentifikation“ definiert. Einem Jahrzehnt als Spieler beim damaligen Regionalligisten TG Donzdorf folgten fünf Jahre für den TSV Bartenbach, wo er vom Spielfeld aus direkt auf die Trainerbank wechselte. Über 13 Jahre hinweg betreute der B-Lizenzhaber nicht nur die erste Herrenmannschaft überaus erfolgreich und stieg bis in die Württembergliga auf, sondern trieb zugleich die erfolgreiche Ausbildung der Jugendspieler beim TSV voran. Unter anderem hat er in dieser Zeit auch die Gmünder Talente Wolfgang Bächle und Max Häfner trainiert.
Um langfristig heimisch zu werden, dafür scheint beim TSB Gmünd alles gegeben. Dass sich nun auch die beiden Söhne Nicola (22) und Marian (25) das blau-gelbe Dress überstreifen, erhöht den Wohlfühl-Faktor zusätzlich. „Jetzt muss sich meine Frau nur noch auf einen Verein konzentrieren“, lacht Rascher, „wobei der Wechsel nicht meine, sondern die Entscheidung meiner Jungs war. Mein Wunsch ist, dass sie der Mannschaft richtig neuen Schwung geben und sich auch selbst nochmals weiterentwickeln können.“ Mit Marian und Nicola Rascher, Stephan und Daniel Mühleisen sowie Bächle stehen nunmehr fünf Spieler im TSB-Kader, die im Jugend- und Aktivenbereich von Rascher mit ausgebildet wurden.
Mit der Familienzusammenführung soll es das nicht gewesen sein. „Rudis“ Mission ist es, die Zweite Mannschaft, die aus der Spitzengruppe der Bezirksliga zwischenzeitlich sogar in die Kreisliga durchgereicht wurde, wieder zu einem attraktiven Sprungbrett für den eigenen Nachwuchs zu formen. Nach den bisherigen Stationen sieht die Bezirksklasse wie ein Rückschritt in Raschers Trainerkarriere aus – doch es handelt sich vielmehr um eine bewusste Entscheidung. „Schon die Württembergliga wird immer weiter professionalisiert, das kostet viel Zeit und Kraft“, berichtet der 52-Jährige, „nach 17 Jahren Trainertätigkeit im mittleren und oberen Leistungsbereich wollte ich etwas kürzertreten.“ Der Aufwand, auch in Verbindung mit dem Job, wurde ihm zu hoch.
Neben mehr privater Zeit reizt Rascher das neue sportliche Projekt, in dem nicht unbedingt der Erfolg in der Tabelle, sondern die Entwicklung junger Talente sowie deren Heranführung an den Aktivenbereich als oberstes Ziel gilt. Bei der „1b“, wie die Zweite Mannschaft im TSB-Umfeld inzwischen bezeichnet wird, wurde der neue Coach von ordentlichen Voraussetzungen empfangen. Die beiden Eigengewächse Florian Krazer sowie Sascha Grützmacher aus dem Jahrgang 2001 gehören nun fest zum Kader. Dass auch die altgedienten Stützen wie Simon Frey, Daniel Mucha, die Brüder Sebastian und Benjamin Göth zum Wohle des TSB noch ein weiteres Jahr dranhängen, freut Rascher ganz besonders. Denn ausschließlich mit jungen Spielern geht es nicht, dieser Tatsache ist sich der neue Coach durchaus bewusst.
Ein schleichender Umbruch ist deshalb der Wunsch. „In unserer A-Jugend sind tolle Typen dabei, die uns noch viel Spaß machen werden, aber in dieser Saison noch nicht dauerhaft zur Verfügung stehen werden“, erklärt Rascher. Die Parallelen zu seiner Bartenbacher Zeit sind damit unübersehbar: Aus hungrigen Spielern der eigenen Nachwuchsarbeit eine schlagkräftige Einheit zu formen, dieser bodenständige Weg war damals die Erfolgsformel. „Deutlich gesagt, ohne Perspektiven aus der Jugendarbeit und ohne klare Zukunftsausrichtung hätte ich die Zweite Mannschaft nicht übernommen“, betont Rascher, „doch dies genau ist die Zielsetzung beim TSB. Wir haben endlich große Möglichkeiten, die es auszuschöpfen gilt.“
Der Oberligist braucht endlich einen soliden Unterbau. Um die Wichtigkeit dieser Aufgabe weiß der gesamte Verein. „Nicht sofort, aber mittelfristig wäre es eine enorme Weiterentwicklung, mit der Zweiten Mannschaft um eine oder sogar zwei Ligen aufzusteigen“, lautet die Devise von Jugendleiter Aaron Fröhlich, auf dessen A-Junioren (Baden-Württemberg-Oberliga) so große Hoffnungen ruhen. Fröhlichs Worte sollen keinen direkten Druck aufbauen, zeigen aber in welche Richtung beim TSB gedacht wird.
Trotz aller Vorfreude auf eine spannende Zukunft: Beim TSB II stellt man sich zunächst einmal auf ein weiteres Übergangsjahr in der Bezirksklasse ein. „Ein Mittelfeldplatz ist auf alle Fälle machbar, dann sind wir sehr zufrieden“, will Rascher nicht erst in Abstiegsnöte geraten und mahnt zugleich: „Das wird schwer genug. In diesem Jahr gilt es die jungen Spieler an den Aktivenbereich zu gewöhnen und die Erfahrung der älteren Spieler einzubauen und zu nützen. Wenn sich unsere jungen Spieler aber weiter positiv entwickeln, dann können wir im zweiten Jahr richtig loslegen.“
Steckbrief: Andreas „Rudi“ Rascher
Geburtsdatum: 06.03.1968 in Göppingen
Beruf: Diplom-Betriebswirt
Spielerstationen: TG Donzdorf, TSV Bartenbach
Trainerstationen: TSV Bartenbach Jugend und Aktive (bis 2017), TSV Deizisau (2017-2018), HSG Winzingen-Wißgoldingen-Donzdorf (2018-2019), TSB Gmünd (seit November 2019)
Erfolge: Mehrere Aufstiege mit Bartenbach bis in die Württembergliga, Trainer-B-Lizenz
(Text und Bilder: Nico Schoch)