Nach der Rekordsaison steht dem TSB Gmünd ein radikaler Umbruch bevor. Damit der fünfte Tabellenplatz in einer künftig noch stärkeren Liga kein einmaliges Erlebnis bleibt, stehen die eigenen Nachwuchstalente noch mehr in der Verantwortung als ohnehin schon.
In der vergangenen Samstag zu Ende gegangenen Saison hat der TSB Gmünd 16 Siege und 36:24 Punkte geholt – so viele wie noch nie in der eigenen Historie. Eine Zeitlang schnupperte das Team von Trainer Dragoș Oprea sogar an den beiden Aufstiegsplätzen, die sich letztlich aber mit großem Vorsprung die SG Köndringen/Teningen (53:7) und der TVS 1907 Baden-Baden (48:12) sicherten. Dass die Gmünder beide Duelle mit dem Zweitplatzierten für sich entscheiden konnten, zählt zu den Höhepunkten ihrer Rekordsaison. Sich auf dieser Leistung lange auszuruhen, wäre jedoch fatal. „Zu Beginn der neuen Runde zählt das alles gar nichts mehr“, betont der Sportliche Leiter Jürgen Rilli. Zumal die Oberliga durch die corona-bedingte Aufstockung der Dritten Liga nicht ganz so stark gewesen sei wie in den Jahren zuvor.
Dennoch hat der Höhenflug der „Jets“ während Opreas zweijähriger Amtszeit märchenhafte Züge angenommen. Vor dem ersten Lockdown im März 2020 zierte der TSB gemeinsam mit dem TSV Zizishausen und dem SV Fellbach das Tabellenende. Während diese beiden Teams nun weit abgeschlagen in die Württembergliga heruntergehen müssen, sind die Gmünder zu einem Spitzenteam herangewachsen. „Ich will nicht arrogant klingen“, meint Rilli, „doch mir war klar, dass wir nicht als Absteiger Nummer eins in die Runde gehen. Denn unser Kader lässt sich nicht vergleichen mit dem Zeitpunkt, als es uns beinahe erwischt hat.“ Die beiden Neuzugänge Nicola und Marian Rascher (zuvor SV Remshalden) haben sofort eingeschlagen, gleichzeitig haben sich die jungen Eigengewächse stetig weiterentwickelt.
In der Breite sei der TSB so gut aufgestellt gewesen wie noch nie zuvor, findet Rilli. Er verweist darauf, dass sich erfahrene Akteure wie Sebastian Fabian, Jonas Waldenmaier oder Aaron Fröhlich oftmals nur auf der Bank wiederfanden, „wenn wir mit voller Kapelle antreten konnten.“ Das allerdings war nur selten der Fall. Immer wieder musste der TSB langfristige Ausfälle verkraften. Der Erfolg war deshalb keinesfalls selbstverständlich: „Doch die Jungs haben sich von der Verletzungsmisere überhaupt nicht aus dem Tritt bringen lassen. Diese Leistung macht mich besonders stolz.“
Besonders die jungen Spieler haben die Chance genutzt, ihr Potenzial zu zeigen. Eric Zimmermann hatte zuvor in der A-Jugend von Frisch Auf Göppingen nur geringe Einsatzzeiten erhalten, beim TSB avancierte er mit 129 Toren zum Senkrechtstarter. Das verblüffte selbst Rilli: „Von seinem Talent war ich voll überzeugt. Deshalb habe ich auf dieser Position trotz Möglichkeiten keinen weiteren Spieler verpflichtet. Aber dass er so aufblühen würde, war nicht vorauszusehen. Vor allem, weil er nur ganz wenige Tiefen in seinen Leistungen hatte.“ Ebenso hat es Eigengewächs Patrick Watzl geschafft, sich in den Vordergrund zu spielen. „Zu Beginn hat er keine Rolle gespielt, doch als die Luft dünn wurde, da ist er explodiert“, freut sich Rilli. Umso schwerer wiegt es nun, dass der rechte Rückraumspieler mit einer Kreuzband- und Meniskusverletzung nun bis zu neun Monate lang ausfallen wird.
In der Personalplanung wartet nun umso mehr Arbeit auf den Sportlichen Leiter. Besonders auf dem rechten Flügel – aktuell wäre Rechtsaußen Wolfgang Bächle der einzige Linkshänder – besteht Handlungsbedarf. Stand jetzt bleibt es bei den zwei bekannten Neuzugängen: Torwart Giovanni Gentile (23) und der vielseitig einsetzbare Andreas Maier (21) kehren vom TSV Alfdorf/Lorch zu ihrem Heimatverein zurück.
Mit dem Karriereende der langjährigen Leistungsträger Fröhlich, Fabian, Christian Waibel und Sven Petersen kommt es nun zur großen Zäsur beim TSB. Besonders schwer wiegt der berufsbedingte Abgang von Marian Rascher (TSV Bartenbach). „Klar, wir haben den Aderlass“, stellt Rilli klar. Mit dem oberligaerfahrenen Maier sei jedoch schon ein gleichwertiger Ersatz für Rascher gefunden. In die Rolle der zuletzt verletzungsanfälligen Urgesteine Fröhlich, Waibel und Fabian seien die eigenen Nachwuchstalente längst hineingewachsen. Das war besonders in den letzten beiden Saisonspielen zusehen: Beim 38:36-Sieg in Schmiden ragte der erst 18-jährige Arian Pleißner mit acht Treffern heraus, gegen Herrenberg (28:30) ging Tom Abt mit zehn Toren voran. Um Spielmacher Abt und Nicola Rascher – den drittbesten Feldtorschützen der Oberliga und für Rilli der „absolute Leader“ – sei die Rückraumachse der Zukunft herangewachsen.
Insgesamt 26 Spieler tauchten in dieser Saison auf dem Spielberichtsbogen auf, die Hälfte davon war unter 20 Jahre alt. An Alternativen mangelt es dem TSB nicht. Vor allem nach dem das Perspektivteam ungeschlagen in die Bezirksliga aufgestiegen ist und den Übergang aus der Jugend in den Aktivenbereich erleichtert. „In Teilen haben wir es schon gezeigt, dass wir uns auch ohne die ganz erfahrenen Leute in der Oberliga zurecht finden“, sagt Rilli: „Ich traue unseren Jungs den nächsten Schritt zu, wenn sie selbst künftig noch mehr Verantwortung tragen.“
Konsequent auf die eigenen Talente und hohe Identifikation setzen – das soll das Erfolgsrezept bleiben. Der „Gmünder Weg“ wird nämlich auch von den Fans honoriert. Trotz der lange Zeit geltenden Corona-Beschränkungen erreichte der TSB mit 450 Zuschauern den höchsten Schnitt ligaweit. „Das beweist ganz klar, dass unsere Philosophie angenommen wird und sorgt bei uns für ein tolles Gefühl“, freut sich Rilli. Anstelle von Oprea, den es zum Drittligisten TSB Heilbronn-Horkheim zieht, nimmt mit Michael Stettner künftig ein exzellenter Talententwickler auf der Trainerbank Platz. Mit den Spielern ist Stettner bereits in Kontakt, am 28.Juni trifft man sich zum Trainingsauftakt.
Sehr zuversichtlich zeigt sich der Sportliche Leiter, dass der TSB erneut eine gute Rolle spielen kann. Allerdings werde die Oberliga in der neuen Saison „bedeutend stärker“. Das liegt in erster Linie daran, dass gleich fünf Drittliga-Absteiger – TSV Blaustein, TSG Söflingen, TGS Pforzheim, TVG Großsachsen und TV Plochingen – dabei sein werden. In den Landesverbänden haben sich der TuS Altenheim (Südbaden), TV Knielingen (Nordbaden), VfL Waiblingen sowie TSV Wolfschlugen (Württemberg) den Aufstieg gesichert.
Damit umfasst die höchste Spielklasse in Baden-Württemberg künftig 18 Mannschaften. Dass die Liga ab dem 09.September trotzdem eingleisig gespielt wird, wie Staffelleiter Johannes Kern auf Anfrage mitteilte, stößt bei vielen Vereinen auf Unverständnis. „Bei 34 Spielen und dem großen Fahrtaufwand stoßen berufstätige Amateure wirklich an Grenzen“, meint Jürgen Rilli, der deshalb bereits einige Absagen von potenziellen Neuzugängen erhalten hat. Er hatte für eine Aufteilung in zwei Staffeln plädiert: „Wir werden mit Sicherheit den Kontakt zum Verband suchen, doch für dieses Jahr ist das wohl beschlossene Sache.“ Für den TSB bedeutet das vor allem eines, so Rilli: „Trotz unserer vielen Eigengewächse werden wir den Kader nochmals erweitern müssen.“
Spielerstatistik TSB Gmünd 2021/22
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Torhüter: Daniel Mühleisen (30 Einsätze / 4 Tore), Devin Immer (20 Einsätze), Sebastian Fabian (15 Einsätze), Frederik Füchtner (1 Einsatz)Feldspieler: Nicola Rascher (30 Einsätze / 161/14 Tore), Marian Rascher (28 Einsätze / 139/69 Tore), Eric Zimmermann (30 Einsätze / 129/1 Tore), Tom Abt (29 Einsätze / 102/4 Tore), Wolfgang Bächle (27 Einsätze / 100/12 Tore), Patrick Watzl (26 Einsätze / 60 Tore), Sven Petersen (26 Einsätze / 56 Tore), Aaron Fröhlich (27 Einsätze / 51/8 Tore), Stephan Mühleisen (26 Einsätze / 39 Tore), Jonas Waldenmaier (19 Einsätze / 39 Tore), Arian Pleißner (25 Einsätze / 17 Tore), Philipp Schwenk (20 Einsätze / 16 Tore), Christian Waibel (24 Einsätze / 2 Tore), Valentin Pick (24 Einsätze / 2 Tore), Kai Kiesel (10 Einsätze / 1 Tor), Jonas Schwenk (3 Einsätze), Florian Krazer (3 Einsätze), Hannes Kauderer (2 Einsätze), Jonas Schmutzert (2 Einsätze), Louis Waldraff (2 Einsätze), Robert Heer (1 Einsatz), Vincent Pick (1 Einsatz)(Text: Nico Schoch – Bilder: Enrico Immer)