Ohne fünf Leistungsträger ringt der TSB Gmünd den Absteiger TSV Schmiden mit 38:36 (17:17) nieder und erobert den vierten Tabellenplatz zurück. Zwei Nachwuchstalente sorgten in der Schlussphase für die Entscheidung.
Ab und an lassen Trainer ihre hellseherischen Fähigkeiten durchblitzen. Nicht nur durch Taktik, sondern über den Kampf werde die letzte Auswärtspartie der Saison entschieden, hatte Dragoș Oprea vorausgeahnt. Seine Ansage an die TSBler war deshalb eindeutig: „Ich habe nur zwei Sachen verlangt, eben diesen Kampfgeist und dass die Jungs den puren Willen präsent verkörpern.“ Tatsächlich mussten die Gmünder beim längst abgestiegenen Drittletzten an ihr Leistungsmaximum gehen. In einem Spiel, in dem es für beide Seiten oberflächlich betrachtet eigentlich um nichts mehr ging und das gerade deshalb so attraktiv für die 450 Zuschauer wurde. Der Schmidener Coach Almir Mekic brachte es auf den Punkt: „Spielwitz, Tempo und zwei Mannschaften, die offensiv richtig Gas gegeben haben – das macht Spaß beim Zuschauen.“
Der Absteiger war ein ebenbürtiger Gegner für das Überraschungsteam der Liga, welches ohne fünf Stammkräfte angereist war. Neben Christian Waibel, Philipp Schwenk, Wolfgang Bächle (private Gründe) und dem langzeitverletzten Patrick Watzl fehlte kurzfristig auch noch der Kapitän. Aaron Fröhlich erwartete mit seiner Frau Claudia am Samstagabend die Geburt des ersten Kindes. Mit Sven Petersen war dem TSB zudem nur noch ein Linkshänder übrig geblieben (siehe Extra-Artikel), Die drei aus dem Perspektivteam aufgerückten Jungspunde Louis Waldraff, Florian Krazer und Jonas Schmutzert blieben zwar dennoch ohne Einsatzminute, doch ein weiterer Youngster füllte die Lücke glänzend aus. Dass der erst 18-jährige Arian Pleißner sein bislang stärkstes Oberliga-Spiel machen würde, konnte auch sein Trainer kaum vorhersehen. „Er hat bislang nicht die Riesenspielanteile bekommen, mir aber nun das zurückgegeben, was ich von ihm erwartet habe“, sprach Oprea dem siebenfachen Torschützen ein dickes Kompliment aus: „Arian war ein wichtiger Faktor für diesen Sieg.“
Alles begann mit einem kurzen Schreckmoment. Als Top-Torjäger Nicola Rascher nach einer Viertelstunde infolge eines Fouls mit schmerzverzerrtem Gesicht vom Feld humpelte, da waren die Gäste bereits mit 6:9 (15.) ins Hintertreffen geraten. Oprea schickte Pleißner aufs Feld, der den TSB mit seinen ersten beiden Treffern prompt auf 10:11 (21.) heranbrachte. „Das hat mir gleich ein gutes Gefühl gegeben“, erklärte der wurfgewaltige Rückraumspieler später in aller Bescheidenheit: „Als junger Spieler bin ich für jede Minute dankbar. Wenn ich der Mannschaft dann gleich helfen kann, dann freut mich das natürlich doppelt und dreifach.“ Noch vor der Pause gelang dem TSB der Turnaround. Mit einem ansatzlosen Schlagwurf traf Marian Rascher in den Winkel und zum 14:14-Ausgleich (26.), nur 19 Sekunden später erzielte Linksaußen Eric Zimmermann per Konter die Gmünder Führung. Ein gelungener Kempa-Trick von Zimmermann auf Tom Abt bedeutete das 17:16 (30.), doch unmittelbar vor dem Pausenpfiff zog Schmiden gleich.
Auch nach dem Seitenwechsel ließ sich die Gmünder Abwehr allzu oft vom rasanten Tempospiel der „Pumas“ überrumpeln. Kaum zu verhindern waren die Anspiele auf TSV-Kreisläufer Tobias Pichler (8 Tore) und so musste der TSB vom 18:19 (32.) bis zum 25:27 (44.) erneut einem Rückstand hinterher rennen. Doch die Jets erzwangen in diesem mitreißenden, intensiven Schlagabtausch nochmals die Wende. „Über die Dauer haben wir das Spiel dann an uns gerissen und ich hatte das Gefühl, dass wir den Sieg einen Ticken mehr wollten“, meinte Pleißner. Das Nachwuchstalent selbst warf sein Team mit 28:27 (47,) in Front. An seiner Seite lief dann auch Nicola Rascher, der schon in der ersten Hälfte nach kurzer Behandlungspause zurückgekehrt war und insgesamt neunmal einnetzte, zur Höchstform auf.
In den vergangenen Wochen hatte Oprea seinen Mannen stets die fahrlässige Chancenverwertung angekreidet – offenbar hatten sie sich ihr Pulver für Schmiden aufgespart, wobei aber beide Seiten mit einem offenen Visier agierten und damit quasi eine Einladung zum munteren Tore werfen ausstellten. „Mit einer besseren Torhüterleistung hätten wir das Spiel vermutlich gewonnen“, haderte TSV-Trainer Mekic. Die entscheidenden Bälle in der Schlussphase beanspruchte nämlich der Gmünder Rückhalt Daniel Mühleisen für sich. Auf der Gegenseite verwandelte Marian Rascher nervenstark alle sechs Siebenmeter und Jonas Waldenmaier, am Kreis glänzend durch Tom Abt in Szene gesetzt, erhöhte auf 32:30 (52.).
Die beiden Jüngsten brachten den TSB schließlich auf die Siegerstraße. Da Schmiden auf Tuchfühlung blieb, sorgte der 19-Jährige Tom Abt mit seinem Durchsetzungsvermögen und drei Toren in Folge zum 35:32 (55.) für die nötige Entlastung. „In dieser engen Phase die Verantwortung zu übernehmen, ist unglaublich wertvoll für den Lernprozess der Jungs“, zeigte sich Oprea stolz. Vor Selbstvertrauen nur so strotzend, verwandelte Pleißner die nächsten beiden Wurfchancen völlig abgezockt zum 37:33 (58.). Ganz lässig erklärte er später: „Ich habe einfach versucht, mein Ding zu machen und an mich zu glauben anstatt mir den Kopf zu zerbrechen.“
Zur ganzen Geschichte der emotional geführten Partie passt es allerdings, dass sich in den letzten zwei Minuten nochmals ein Thriller anbahnte. Abt scheiterte am Pfosten und so stellte Schmiden mit zwei schnellen Toren den Anschluss her. In der Halle hielt es niemand mehr auf den Sitzen, die mitgereisten Gmünder Fans hatten ihr Team ohnehin während der gesamten zweiten Halbzeit stehend angefeuert. Die letzten 15 Sekunden spielte der TSB routiniert herunter und Marian Rascher beendete mit dem erlösenden Treffer zum 38:36 dieses Spektakel. „Am Ende haben die Glücklichen gewonnen, am Ende haben wir ein paar technische Fehler zu viel gemacht“, ärgerte sich Mekic über einen aus Schmidener Sicht verpassten Achtungserfolg zum Abschied aus der Oberliga: „Wenn wir immer so aufgetreten wären, hätten wir mit dem Abstieg nichts zu tun gehabt.“
„Die Jungs haben sich für ihre harte Arbeit belohnt und alles aus sich herausgekitzelt“, bilanzierte Oprea hingegen zufrieden: „Wenn ich dieses Spiel sehe, kann kein einziger Spieler behaupten, dass es in den vergangenen Wochen an der mangelnden Kraft gelegen hat.“ Während zuvor beim 28:27-Heimsieg gegen Bittenfeld II nur das Ergebnis gestimmt hätte, sei in Schmiden auch die Leistung „absolut positiv gewesen.“
Somit ist alles angerichtet für ein jubelreiches Saisonfinale gegen die SG H2Ku Herrenberg am kommenden Samstag (20 Uhr / Große Sporthalle). „Da brauche ich niemanden mehr zusätzlich motivieren“, ist Oprea überzeugt, bedauert vor seinem letzten Auftritt als TSB-Trainer allerdings eine Sache: „Leider geht es nur um zwei und nicht um drei Punkte.“ Die bräuchten die viertplatzierten Gmünder (36:22 Punkte) theoretisch, um ihre Gäste (39:19) vom dritten Tabellenplatz zu verdrängen. So oder so wird für die Jets ein Endresultat herausspringen, mit dem zu Rundenbeginn niemand gerechnet hätte: Der vierte, fünfte oder sechste Rang einschließlich der höchsten Punktezahl in der eigenen Oberliga-Historie.
TSV: Marc Dürr, Nathan Seibold – Tobias Pichler (8), Moritz Klenk (7), Leonard Gühne (7), Matthias Fischer (6/6), Tobias Maurer (4), Christian Müller (2), Robin Mack (1), Levi Leyh (1), Marvin Klein, Simon Mack, Marc Klein, Marvin Züfle
TSB: Daniel Mühleisen, Devin Immer – Nicola Rascher (9), Marian Rascher (9/6), Arian Pleißner (7), Tom Abt (5), Jonas Waldenmaier (4), Eric Zimmermann (3), Sven Petersen (1), Stephan Mühleisen, Louis Waldraff (n.e.), Florian Krazer (n.e.), Jonas Schmutzert (n.e.), Valentin Pick (n.e.)
Siebenmeter: TSV 6/6 – TSB 6/6
Zeitstrafen: TSV 6 Minuten – TSB 12 Minuten
Schiedsrichter: Niclas Mild (TuS Altenheim), David Keßler (TuS Helmlingen)
Zuschauer: 450
(Text: Nico Schoch – Bilder: Enrico Immer)