Totalausfall nach der Pause: TSB stellt sich auswärts selbst ein Bein

Zum wiederholten Mal patzt der TSB Gmünd gegen einen Abstiegskandidaten. Beim TSV Birkenau verlor das Oprea-Team nach einer 15:14-Pausenführung beim TSV Birkenau völlig den Faden und musste mit einer 28:36-Niederlage die weite Heimfahrt aus dem Odenwald antreten.

Mit dem ungefährdeten Klassenverbleib und 32 Punkten auf der Habenseite haben die „Jets“ längst alle Erwartungen übertroffen. Doch ein Muster, welches sich durch die Saison zieht, trübt diese stolze Bilanz: Gegen die vermeintlich „Kleinen“ der Oberliga lässt der TSB regelmäßig Punkte liegen, mit denen durchaus sogar noch mehr möglich gewesen wäre als „nur“ der vierte Tabellenplatz. Vor drei Wochen unterlagen die Gmünder in eigener Halle dem Dreizehnten aus Schutterwald (28:29), gegen die bereits abgestiegenen Schmidener und den TSV Birkenau war man nicht über ein Remis hinausgekommen. Beim Wiedersehen mit den Südhessen bekam der TSB nun „ein richtiges Brett“ verpasst, wie Dragoș Oprea ernüchtert feststellte. Ganz offen bemängelte der Trainer: „Es war eine gewisse Unterschätzung vorhanden. Jedem meiner Spieler haben einige Prozente gefehlt.“
Bereits nach knapp einer Viertelstunde sahen die 220 Zuschauer eine Szene, die sinnbildlich für einen aus Gmünder Sicht frustrierenden Abend stand: Tormann Daniel Mühleisen wollte Eric Zimmermann mit einem schnellen Abwurf auf die Reise schicken, doch der Ball prallte von der tiefen Hallendecke ab. Die aussichtsreiche Konterchance war dahin, Birkenau nutzte die Verwirrung und netzte umgehend selbst zur 8:5-Führung ein. Nichts wollte so recht gelingen. Doch zumindest zeigte der TSB anschließend genau jenen Kampfgeist, den die abstiegsbedrohten Hausherren von der ersten Sekunde an mit bedingungslosem Einsatz in die Waagschale warfen. Für sie war es ein „echtes Endspiel“, wie TSV-Interimscoach Michael Sahm betonte: „Wir müssen und Gmünd kann, logisch wollten wir den Sieg noch mehr.“
Einzig dem anfangs gut aufgelegten Mühleisen hatten es die Gäste zu verdanken, dass der Rückstand zunächst nicht weiter anwuchs. Denn die eigene Abwehr fand nicht zur gewohnten Stabilität. Zur übereifrigen Hektik in der Offensive gesellte sich zudem eine ganze Kette an Aluminiumtreffern. Und als etwa Abwehrchef Christian Waibel einen Abpraller zu seinem ersten Saisontreffer nutzte, hatte Birkenau umgehend die passende Antwort parat.

Nachdem die Versuche, Stephan Mühleisen am Kreis in Szene zu setzen, meist abgeblockt wurden, stellte der TSB über Rechtsaußen Wolfgang Bächle beim 9:10 (21.) den Anschluss her. Der Innenpfosten verhinderte den möglichen Ausgleich durch Zimmermann. Nur kurz darauf humpelte der 20-Jährige nach einem unglücklichen Zusammenprall vom Feld. Später zog er sich nochmals seine Schuhe an – doch die Schmerzen waren zu groß, um nochmals einzugreifen. Von diesem kurzen Schockmoment unbeeindruckt war es Tom Abt, der als Vertreter auf Linksaußen zum 12:12 (27.) traf.

Direkt vor der Pause warf Kapitän Aaron Fröhlich seine Farben erstmals in Front und auch in den ersten Minuten nach Wiederanpfiff blieb der TSB am Drücker. Erneut war es Fröhlich, der ein 15:17 (33.) vorlegte. Doch dass dann sowohl Rascher als auch Abt aussichtsreiche Würfe vergaben, sollte nur der Beginn einer Reihe von fahrlässig versiebten Torchancen sein. Als auf der Gegenseite der Birkenauer Rückraum-Shooter Lukas Gutsche in die Höhe stieg und den Ball zum 17:17 (36.) ins Netz wuchtete, kochte die Halle. Der Bruch, der nun ins Gmünder Spiel kam, war auch für den Trainer unerklärlich. „Natürlich haben uns die Alternativen gefehlt“, gab Oprea zu bedenken, nachdem sich Waibel im Zweikampf das Knie verdreht hatte und somit der nächste Leistungsträger weggebrochen war. Antreiber Marian Rascher hatte die Reise in den Odenwald aufgrund eines grippalen Infekts gar nicht erst antreten können.
Bruder Nicola sorgte zwar dafür, dass der TSB bis zum 18:19 (39.) knapp im Vorteil blieb. Doch die Kontrolle über eine zunehmend hitzige Partie war längst entglitten. Zum entscheidenden Faktor wurde nun der Birkenauer Keeper Nils Heckmann. Gleich dreimal nacheinander scheiterte TSB-Kreisläufer Jonas Waldenmaier völlig freistehend an Heckmann, dessen Vorderleute den Spielstand auf 24:19 (45.) drehten. „Diese Phase war die Initialzündung für uns“, freute sich der TSV-Rückhalt. Das Lob, der Matchwinner gewesen zu sein, schüttelte er hingegen bescheiden ab: „Wenn die Abwehr steht, dann halte ich auch gut.“

Sein Gegenüber Daniel Mühleisen hingegen war meistens auf sich allein gestellt und völlig machtlos bei den vielen freien Abschlüssen der Gastgeber. Opreas Versuch, das eigene Team mit einer Auszeit wachzurütteln, blieb vergebens. „Jeden Wurf in alle Richtungen verballerten“ die Jets, wie Nicola Rascher selbstkritisch eingestand. Der TSB stellte sich selbst ein Bein.
Nach acht torlosen Minuten verkürzte Bächle auf 24:20 (46.), doch Birkenau blieb gnadenlos effizient im Tempospiel. Als letztes Mittel diente dem TSB eine Manndeckung gegen die beiden Rückraumschützen Gutsche und Tobias Büttel. Doch das eröffnete letztlich nur noch mehr Räume für TSV-Rechtsaußen Simon Spilger. Der zweitbeste Werfer der Oberliga präsentierte den Fans bei 13 eigenen Treffern sein gesamtes Wurfrepertoire. Nachdem der Linkshänder einen Strafwurf ans Lattenkreuz nagelte, brachte Fröhlich den TSB zwar nochmals auf 27:23 (50.) heran und hielt so das letzte Fünkchen Hoffnungen am Leben. Doch als sich Heckmann zwei weitere Male auszeichnen konnte und Spilger sehenswert per Dreher zum 33:25 (56.) traf, war die Entscheidung gefallen. Beim 36:26 (59.) drohte den Gmündern sogar ein totales Debakel, welches durch den von Stephan Mühleisen verwandelten Kempa-Trick zum 36:28-Endstand nur noch leicht kaschiert wurde. „22 Tore in einer halben Stunde zu kassieren, das schaffst du selbst beim Training im Umschaltspiel nicht“, legte Oprea leicht ironisch den Finger in die Wunde.
Der Negativlauf gegen die Abstiegskandidaten hat sich fortgesetzt. Doch es gibt noch eine Regel in dieser außergewöhnlichen Saison des TSB: Auf einen schlechten folgt meist ein herausragender Auftritt. Vielleicht kommt das Heimspiel gegen den Klassenprimus SG Köndringen/Teningen am kommenden Sonntag (17 Uhr / Große Sporthalle) daher zum genau richtigen Zeitpunkt. Die Südbadener haben mit einem 40:29-Kantersieg beim Schlusslicht SV Fellbach bereits vier Spieltage vor Schluss den Drittliga-Aufstieg perfekt gemacht. „Die oberen Gegner liegen uns“, meint Nicola Rascher schmunzelnd und fügt ein Versprechen an: „Wir wollen unseren Fans beweisen, dass die Leistung in Birkenau ein einmaliger Ausrutscher war.“ Sein Trainer ist sich jedenfalls sicher, dass „jeder einfach geil auf dieses Spiel sein wird. Wir wollen unbedingt gewinnen.“
TSV: Nils Heckmann, Timo Fritsche (n.e.) – Simon Spilger (13/6), Tobias Büttel (4), Niklas Bolkart (4), Lukas Gutsche (3), Niklas Zehrbach (3), Jan-Niklas Weis (3), David-Denny Hirsch (2), Simon Schwarz (2), Tobias Kohl (1), Jonas Böhm (1), Laurenz Keil, Stefan Dietrich, Marvin Brock
TSB: Daniel Mühleisen, Devin Immer – Aaron Fröhlich (8/3), Wolfgang Bächle (6), Tom Abt (3), Nicola Rascher (3), Eric Zimmermann (2), Stephan Mühleisen (1), Christian Waibel (1), Sven Petersen (1), Patrick Watzl (1), Jonas Waldenmaier (1), Valentin Pick (1)
Siebenmeter: TSV 7/6 – TSB 3/3
Zeitstrafen: TSV 12 Minuten – TSB 12 Minuten
Rote Karte: Niklas Zehrbach (TSV/54./Dritte Zeitstrafe)
Schiedsrichter: Daniel Fischer (HSG Bruchsal/Untergrombach), Julian Herrmann (Rhein-Neckar Löwen)
Zuschauer: 220

 

„Fünfmal nacheinander die gleichen Fehler gemacht“ – Stimmen zum Spiel

Direkt nach der 28:36-Schlappe in Birkenau begann beim TSB Gmünd die Suche nach Erklärungen für den desaströsen Einbruch in der zweiten Halbzeit. Der Trainer fand mit Blick auf eine mangelhafte Einstellung in Training und Spiel klare Worte.
Dragoș Oprea, TSB-Trainer: „Teilweise hatte ich den Eindruck, dass wir den Sieg nicht so sehr wollten wie Birkenau. Die Art und Weise, wie diese Niederlage zustande gekommen ist, stört mich. Wir haben uns vorgenommen, hart zu spielen, das aber in der zweiten Halbzeit nicht mehr getan. So geht das einfach nicht. Man kann einige Eins-gegen-Eins-Situationen verlieren, aber doch nicht fünfmal hintereinander die gleichen Fehler machen. Im Angriff nehmen wir uns Würfe aus völlig ungeeigneten Positionen, das spiegelt sich mit meinen Eindrücken aus dem Training. Ich erwarte von meinen Spielern mehr Seriosität und Fokus. Denn es wäre nicht korrekt, wenn wir unsere Arbeit der vergangenen zwei Jahre in den letzten vier Spielen einfach so wegschmeißen. Vielleicht war das der richtige Weckruf und hoffentlich ist er bei allen angekommen. Ich bin mir sicher, dass die Jungs das verarbeiten werden und zwar jeder auf seine eigene, selbstkritische Art – ich als Trainer genauso.“
Michael Sahm, TSV-Interimstrainer: „Was meine Mannschaft gezeigt hat, war a la Bonheur. Dass wir den Druck aufrecht erhalten und kaum leichte Gegentore bekommen haben, war der Schlüssel zum Sieg. Ich bin stolz, wie wir das umgesetzt haben. Die Gmünder hatten in der zweiten Halbzeit nicht mehr die Kraft, ihre Aktionen und Würfe waren nicht mehr so gut wie davor. Unsere Torhüterleistung kam hinzu und gab uns nochmals Selbstbewusstsein für diesen Befreiungsschlag. Wir haben das Ruder herumgerissen, danach befreit aufgespielt und es bis zum Schuss durchgezogen.“
 
Aaron Fröhlich, TSB-Kapitän: „Wir müssen uns eingestehen, dass unsere Einstellung zu locker und nicht wünschenswert war. Vielleicht ist das auch ein Stück weit menschlich in unserer bequemen Situation. Aber das darf uns nicht passieren und soll auch keine Ausrede sein. Wir waren nicht konzentriert genug. In der Abwehr haben wir keinen Zugriff bekommen, zum anderen verwerfen wir in der zweiten Halbzeit extrem viele Bälle. So ist das Spiel voll in die falsche Richtung gekippt und am Ende wird es in die Höhe getrieben zu einem sehr unschönen Ergebnis, vor allem auch von der Anzahl der Gegentore. Wir hatten keine Möglichkeiten mehr parat und dadurch auch das Torhüterduell klar verloren.“
Nils Heckmann, TSV-Tormann: „In der ersten Halbzeit hätte ich nie damit gerechnet, dass wir dieses Spiel so klar und auch verdient für uns entscheiden würden. Die Nervosität und der Druck waren uns anzumerken. Doch nach der Pause waren die Leidenschaft und der Kampfgeist da, den wir im Moment brauchen. Wenn die Jungs merken, dass ich als Rückhalt zur Stelle bin, geht es für sie natürlich viel einfacher. Darauf müssen wir aufbauen. Wenn wir unsere Hausaufgaben machen, dann können uns die anderen Ergebnisse egal sein.“
 
Nicola Rascher, TSB-Rückraumspieler: „Nach einem schwachen Start haben wir in der Abwehr unseren Rhythmus gefunden, uns in das Spiel hinein gekämpft und es mit leichten Toren gedreht. Nach der Pause haben wir eine Viertelstunde lang jeden Wurf in alle Richtungen verballert. Im Gegenzug bekamen wir gefühlt alle 20 Sekunden einen schnellen Angriff mit freiem Abschluss für den Gegner. Wir sind nochmals aufgewacht, hatten aber nicht mehr die Energie und die Cleverness um uns gegen die Niederlage zu stemmen.“
(Text und Bilder: Nico Schoch)