Nach einem wahren Krimi feiert der TSB Gmünd seinen ersten Auswärtssieg. Mit bis zu sechs Treffern führten die Jets beim TVS 1907 Baden-Baden, doch erst zwei Sekunden vor Schluss machte der neunfache Torschütze Nicola Rascher den überraschenden 26:25 (15:11) – Erfolg beim Aufstiegsaspiranten perfekt.
Es blieb ihm nichts anderes übrig: Die Position war eigentlich nicht gut, doch es waren nur noch zwei Sekunden Spielzeit. Also fasste sich Nicola Rascher ein Herz, sprang bei neun Metern Entfernung ab und wuchtete den Ball am Block vorbei mit aller Gewalt aufs Tor – und ins Netz. Die Schlusssirene ertönte und wie entfesselt stürmte die gesamte Gmünder Mannschaft aufs Spielfeld. Denn selbstverständlich war es nicht, dass der TSB beim Ex-Drittligisten beide Punkte entführen würde. Verdient war der Coup in fremder Halle aber allemal. Lediglich in den Anfangsminuten waren die Jets kurzzeitig in Rückstand gelegen, führten dann aber fast die gesamte Spielzeit über und das sogar deutlich. Erst in der letzten Minute gelang Baden-Baden kurzzeitig wieder der Ausgleich. „Dass Gmünd Sekunden vor Schluss den entscheidenden Treffer erzielte, war irgendwie symptomatisch für dieses Spiel“, erklärte ein enttäuschter Sandro Catak. Der TVS-Trainer fügte aber auch hinzu, „dass der Gästesieg vom Spielverlauf her sicherlich nicht unverdient war."
„Dieser Sieg war sehr wichtig als Lohn für unsere Arbeit“, erklärte Dragoș Oprea wiederum freudestrahlend nach seinem ersten Auswärtssieg überhaupt als TSB-Trainer: „Taktisch hat alles funktioniert, die Jungs haben unseren Matchplan von der ersten bis zur letzten Minute hervorragend umgesetzt.“ Denn neben den verletzten Tom Abt und Aaron Fröhlich mussten kurzfristig auch Sebastian Fabian (private Gründe) sowie Christian Waibel und Stephan Mühleisen (beide erkältet) passen. Ein Nachteil? Mitnichten. „Wir haben bewiesen, wie viel Potenzial in uns steckt, wenn jeder seine Aufgabe erfüllt und noch 20 bis 30 Prozent draufpackt“, findet Oprea.
Nicola Rascher ist das Paradebeispiel dafür. In der Vorwoche steuerte der linke Rückraumspieler zwölf Treffer zum Heimsieg gegen Weilstetten bei, mit neun Toren war er auch in Baden-Baden der entscheidende Akteur. Trotz aller Umstände deutet der Trend beim TSB nach oben. Wobei der Trainer gar nicht so sehr einen einzelnen Spieler hervorheben möchte: „Vor dem Spiel habe ich den Jungs gesagt, dass sie sich wundern werden, welche Kräfte in einer solchen Situation entfachen können. Genauso kam es. Der Glaube an sich selbst und an unser Team versetzt Berge.“
Denn tatsächlich boten die Gmünder eine erste Halbzeit wie aus dem Lehrbuch. Zwar erzielte Nicola Rascher erst nach drei Minuten den ersten Treffer zum 1:2, doch ab dem 4:3 (8.) dominierte der TSB. Die Abwehr präsentierte sich genauso aggressiv und aufmerksam, wie Oprea es sich wünscht: „Die Mannschaft hat Herz, Wille und Leidenschaft gezeigt. Da brauche ich nicht viel mehr dazu sagen.“ Auch Tormann Daniel Mühleisen war von Anfang an glänzend aufgelegt, durch zwei Kontertore stellte Eric Zimmermann den ersten Drei Tore-Vorsprung her. Als Nicola Rascher mit einem Doppelschlag auf 9:4 (18.) stellte, war Sandweier zur ersten Auszeit gezwungen. „Im Angriff lief es bei uns nicht rund, Gmünd hat diese Schwächen konsequent ausgenutzt“, haderte Catak.
Der TSB ließ sich auch nicht davon aus dem Konzept bringen, dass Philipp Schwenk vorzeitig vom Feld musste. Für ein Stoßen in der Luft sah der Abwehr-Stabilisator glatt Rot. „Ich glaube nicht, dass man diese Rote Karte unbedingt geben muss“, meint der TSB-Coach. Fortan verrichteten die Brüder Marian und Nicola Rascher eine laut Oprea „überragende Arbeit“ im Mittelblock. Vom 12:6 (24.) aus tastete sich der TVS zwar auf 13:10 (28.) heran. Doch über den rechten Flügel stellten Sven Petersen und Wolfgang Bächle den hochverdienten 15:11-Halbzeitstand her.
Ein zusätzlicher Pluspunkt für den TSB: Die in dieser Saison fast schon zur Gewohnheit gewordene Schwächephase nach dem Seitenwechsel blieb dieses Mal aus – trotz dem dezimierten Kader und obwohl Sandweier mit viel Wut im Bauch aus der Kabine kam. „Jeder Einzelne ist wichtig für das Team“, stellt Oprea klar. Dazu zählte auch Arian Pleißner. Der erst seit einer Woche 18-Jährige stand erstmals in der Oberliga auf dem Feld und erzielte mit dem 17:14 (35.) prompt sein Premierentor. Mit Valentin Pick setzte ein weiterer Youngster wichtige Akzente in dem sich anbahnenden Krimi. Auf beiden Seiten häuften sich die Zeitstrafen. Nachdem Spielmacher Marian Rascher von der Siebenmeterlinie aus scheiterte, kam Sandweier beim 18:17 (40.) zum Anschluss „Bei dieser hohen Intensität lassen natürlich auch ein bisschen die Kräfte nach“, befand Oprea, dass „uns in der Abwehr gegen die starken Rückraumleute von Sandweier ein halber Schritt gefehlt hat.“
Der TSB aber hatte die richtige Antwort parat und mit Mühleisen weiterhin einen starken Rückhalt hinter sich. Trotz Unterzahl legte der TSB ein 23:19 (50.) vor, Baden-Baden gab sich aber längst noch nicht geschlagen. Im Mittelpunkt der dramatischen Schlussphase stand das Wettschießen zwischen Jonas Schuster und Nicola Rascher. Der wurfgewaltige Linkshänder des TVS war für die Gmünder nicht zu bändigen. Auf der Gegenseite wurde Rascher zwar in Manndeckung genommen, doch der TSB spielte seine Angriffe lange und geduldig aus. Als Jonas Waldenmaier am Kreis freigespielt wurde und zum 25:22 (56.) einnetzte, rechneten die 300 Zuschauer bereits mit der Vorentscheidung. Doch von wegen: Der TSB zeigte Nerven und vergab drei Angriffe nacheinander. Schuster war es, der mit seinem zehnten Treffer 57 Sekunden vor dem Ende den 25:25-Gleichstand herstellte. Oprea nahm folgerichtig das Time-Out. Wohlwissend, die Jets müssen mit Druck spielen, um ein mögliches Zeitspiel zu vermeiden. Tatsächlich holten die Gmünder ein Foulspiel heraus, Rascher stieg hoch und sorgte für den emotionalen Erfolg in fremder Halle.
„Einen Abend lang dürfen wir uns freuen“, resümierte Oprea, richtete den Blick aber umgehend nach vorne auf das kommende Heimspiel: „Diese zwei Punkte werden erst richtig wertvoll, wenn wir gegen Steißlingen gewinnen.“ Der Vorjahres-Aufsteiger hat mit dem 32:26 gegen Birkenau seine ersten beiden Punkte eingefahren. Was den TSB allerdings nicht daran hindern sollte, am kommenden Sonntag (17 Uhr / Große Sporthalle) seine Serie fortzusetzen. An Selbstvertrauen mangelt es nicht und auch die angespannte Personalsituation muss kein Nachteil, wie in Baden-Baden auf beeindruckende Art und Weise deutlich wurde.
TVS: Dominik Horn, Matthias Meßmer – Jonas Schuster (10), Markus Koch (4), Christian Fritz (4/3), Johannes Henke (3), Han Völker (1), Maximilian Mitzel (1), Maximilian Strüwing (1), Maximilian Vollmer (1), Franz Henke, Jeremias Seebacher, Sebastian Wichmann, Matthias Seiter, Julian Schlager, Jascha Lehnkering
TSB: Daniel Mühleisen, Devin Immer (n.e.) – Nicola Rascher (9/2), Wolfgang Bächle (4), Eric Zimmermann (4), Jonas Waldenmaier (4), Sven Petersen (2), Marian Rascher (2), Arian Pleißner (1), Philipp Schwenk, Valentin Pick, Patrick Watzl, Aaron Fröhlich (n.e.)
Siebenmeter: TVS 3/3 – TSB 3/2
Zeitstrafen: TVS 14 Minuten – TSB 10 Minuten
Rote Karte: Philipp Schwenk (TSB/24./Stoßen in der Luft)
Rote Karte: Philipp Schwenk (TSB/24./Stoßen in der Luft)
Schiedsrichter: Magnus Enßle, Holger Krieg (JSG Rosenstein)
Zuschauer: 300
(Text: Nico Schoch - Bilder: Enrico Immer)