Die Leistungsexplosion nach dem verpatzten Heimauftakt bleibt unbelohnt. Der TSB Gmünd gibt eine Sechs Tore-Führung aus der Hand und unterliegt mit 30:34 (18:13) bei der HSG Konstanz II.
Ratlos wirkten sie, als sie da verloren in der Schänzle-Halle standen. Keiner der TSBler wusste so recht, wie mit diesem Spiel umzugehen ist. Einerseits hatte die Truppe von Trainer Dragoș Oprea zunächst eine Leistungsexplosion gezeigt, mit der eine Woche zuvor bei der Heimpleite gegen Heiningen (28:37) wohl kaum einer der Gmünder Fans gerechnet hätte. Erst recht nicht im Duell mit der spielstarken und blutjungen Zweitvertretung des Zweitliga-Absteigers HSG Konstanz. Andererseits hatte der TSB in diesen 60 Minuten fast schon leichtfertig die Chance verschenkt, einem der großen Favoriten der Oberliga ein Bein zu stellen. „Mit dem Auftreten bin ich sehr zufrieden“, hob Oprea dann doch die positiven Aspekte hervor: „Wir haben in der Trainingswoche sehr viel miteinander gesprochen und analysiert. Keiner der Jungs war glücklich mit dem Auftritt gegen Heiningen. Wir haben nun ein anderes Gesicht gezeigt. Ein Gesicht, das den TSB und diese Mannschaft auszeichnet.“
Denn in der ersten Halbzeit hatten die „Jets“ zum Höhenflug angesetzt, es lief fast alles nach Wunsch. Bereits beim ersten Gästeangriff wurde der Konstanzer Lars Michelberger glatt mit Rot vom Feld gestellt, nachdem er Sven Petersen unsanft aus der Luft gerissen hatte. Später sollte mit Constantin Eich ein weiterer HSG-Akteur nach einem harten Foulspiel disqualifiziert werden (40.). „Die Roten Karten waren nicht geschenkt, sondern unser Verdienst“, befand Oprea. Denn sein Team ging an die eigenen Grenzen, präsentierte sich in der 6-0-Abwehr „aggressiv und bissig“, genauso wie es der Coach sich wünscht. Erst nach sieben Minuten musste Tormann Daniel Mühleisen zum ersten Mal hinter sich greifen, zuvor hatten Rechtsaußen Wolfgang Bächle und Kapitän Aaron Fröhlich den TSB bereits mit 2:0 in Front gebracht. Damit nicht genug. Als sich Marian Rascher durchtankte und auf 5:1 (10.) erhöhte, war eine sichtlich verblüffte HSG Konstanz zur ersten Auszeit gezwungen.
Anschließend verkürzten die Hausherren zwar blitzschnell auf 6:5 (13.), doch der TSB zog das Tempo wieder an und mit drei Toren in Folge auf 9:5 (16.) davon. Aus dem stehenden Angriff heraus ließ die Gmünder Abwehr nahezu keine gegnerischen Würfe zu und wenn doch, dann war Mühleisen zur Stelle. Gefährlich wurde es einzig bei eigenen Ballverlusten in der Offensive oder sobald der TSB nicht schnell genug zurückwechselte. Denn gleich zweimal hielt der Gmünder Torjubel in Unterzahl nur ganz kurz an, weil das eigene Tor leer stand und die HSG diese Nachlässigkeit eiskalt bestrafte. Doch selbst diese Nackenschläge brachten einen ebenso engagierten wie willensstarken TSB nicht aus dem Takt. Ein gelungener Kempa-Trick von Fröhlich auf Tom Abt zum 17:12 (26.) war das spielerische Sahnehäubchen. Mit dem Pausenpfiff war es Sebastian Fabian, der bis dahin nur von der Bank aus mitgejubelt hatte, dann aber einen Konstanzer Strafwurf parierte und damit die 18:13-Führung festhielt. Groß war der Rückenwind für die Oprea-Sieben, während die HSG mit hängenden Köpfen in die Kabine schlich.
Trotz Unterzahl blieb der TSB auch nach dem Seitenwechsel zunächst tonangebend. Fröhlich blieb von der Siebenmeterlinie aus zweimal cool, Linksaußen Eric Zimmermann erhöhte sogar auf 21:15 (35.). Doch danach folgte der Bruch im Spiel. Innerhalb von nur vier Minuten stellte Konstanz den Anschluss her, beim 22:22 (43.) stand erstmals ein Gleichstand. Woran lag es? Einerseits leistete sich der TSB teils unerklärliche Abspielfehler und Fehlwürfe. Gleichzeitig war die mit acht letztjährigen A-Jugendspielern angetretene Nachwuchstruppe der HSG in vielen Szenen einen Tick gedankenschneller. Im Rückzugsverhalten offenbarten die Gmünder eklatante Schwächen. Insgesamt fünfmal flog der Ball ins leere Tor, nachdem Oprea anstelle des Keepers einen zusätzlichen Feldspieler aufs Parkett geschickt hatte. „Gmünd hat uns die Fehler teilweise geschenkt“, erklärte der Konstanzer Co-Trainer Matthias Stocker und fügte an: „Wenn sie diese Fehler nicht machen, dann kommen wir gar nicht erst heran.“
Oprea wiederum sah im plötzlichen Leistungseinbruch seiner Mannen keine Kraft-, sondern vielmehr eine Konzentrationsfrage: „Wir schaffen es noch nicht, über 60 Minuten die Konsequenz zu behalten.“ Fröhlich, mit elf Toren der beste Gmünder Schütze, war überzeugt, dass „wir das Spiel gewinnen würden, wenn wir den Vorsprung fünf oder zehn Minuten länger halten.“ Stephan Mühleisen und Nicola Rascher sorgten zwar noch für knappe Führung, doch beim 24:26 (47.) hatte die HSG den Spielstand auf den Kopf gestellt. Die defensive Stabilität fehlte dem TSB, daran änderte auch der Torwartwechsel kaum etwas. Die Gmünder bäumten sich in der Schlussphase zwar noch entschlossen auf. Fabian hielt sein Team mit zwei wichtigen Paraden im Rennen, vorne übernahm Fröhlich mit seinen Schlagwürfen zum 28:28 (54.) und 29:29 (56.) Verantwortung. Der TSB setzte alles auf eine Karte, musste aber zwei ganz bittere Konter schlucken. Das 29:32 (58.) bedeutete die Entscheidung, am Ende fiel das Ergebnis mit 30:34 (60.) zu deutlich aus.
Auch wenn es abgedroschen klingen mag: Im Kräftemessen mit einem der stärksten Teams der Liga haben die Jets unter Beweis gestellt, wozu sie fähig sind. „Auf diese Leistung lässt sich aufbauen“, resümierte Fröhlich zwar noch leicht geknickt, aber den Blick nach vorne gerichtet. Am kommenden Sonntag (17 Uhr / Große Sporthalle) im zweiten Heimspiel gegen den TV Weilstetten soll der starke Willen der TSBler endlich auch mit Punkten belohnt werden. HSG-Übungsleiter Stocker jedenfalls ist überzeugt: „Mit der Leistung der ersten 40 Minuten ist dem TSB sehr viel zuzutrauen.“ Es sind Worte, die vielversprechend klingen, nach einer bitteren Niederlage, die den Gmündern aber als Mutmacher dienen dürfte.
HSG II: Lukas Herrmann, Sven Gemeinhardt (1) – Jonas Hadlich (8), Felix Fehrenbach (8), Gianluca Herbel (6/2), Pascal Mack (5), Kai Mittendorf (2), Jan Stotten (2), Jo Knipp (1), Adam Czako (1) , Lars Michelberger, Marvin Böhlefeld, Nico Koch, Constantin Eich, Jens Koester, Leandro Lioi
TSB: Daniel Mühleisen, Sebastian Fabian – Aaron Fröhlich (11/2), Wolfgang Bächle (5), Tom Abt (3), Stephan Mühleisen (2), Marian Rascher (2), Nicola Rascher (2), Eric Zimmermann (2), Jonas Waldenmaier (2), Sven Petersen (1), Patrick Watzl, Valentin Pick
Siebenmeter: HSG 3/2 – TSB 2/2
Zeitstrafen: HSG 14 Minuten – TSB 14 Minuten
Rote Karte: Lars Michelberger (HSG/2./hartes Foul), Constantin Eich (HSG/40./hartes Foul)
Schiedsrichter: Tobias Hägele, Stefan Schmid-Denzinger (TV Altbach)
Zuschauer: 100
„Nach der Pause das komplette Gegenteil“ – Stimmen zum Spiel
Stark angefangen, stark nachgelassen – in dieser Kürze wäre es viel zu einfach formuliert. Viele Faktoren haben zur TSB-Auswärtsniederlage in Konstanz geführt. Dennoch heben die Jets die positiven Aspekte hervor. Diese Niederlage kann ein Mutmacher gewesen sein.
Dragoș Oprea, TSB-Trainer: „40 Minuten lang haben wir geführt und waren ziemlich souverän Danach hat jeder Einzelne ein kleines bisschen nachgelassen. Durch Kleinigkeiten lassen wir Konstanz zurück ins Spiel kommen. Uns hat dieser letzte, entscheidende Schritt gefehlt. Auch das Glück mit Pfostentreffern und Abprallern hatten wir dann nicht mehr.“
Matthias Stocker, HSG-Co-Trainer: „Ab Minute 31 kann ich mit meiner jungen Mannschaft nur zufrieden sein. In der ersten Halbzeit waren wir gefühlt gar nicht auf dem Platz. Unser Zweikampfverhalten hat nicht gestimmt, wir hatten auch keine Torhüterleistung. In der zweiten Halbzeit hatten wir laut Statistik nur zwei Fehlwürfe und drei technische Fehler. Das war das High-Level, das wir erreichen wollen. Wir waren endlich wach, haben die Fehler bei Gmünd provoziert und konnten uns so zurückkämpfen.“
Marian Rascher, TSB-Spielmacher: „Leider haben wir in den ersten zehn Minuten nach der Pause den Kopf verloren. Dass wir uns dennoch wieder gefunden und auf ein Unentschieden herangekämpft haben, ist ein großes Plus für die Mannschaft. Wir sind natürlich mega enttäuscht, denn auswärts beim Favoriten war mehr drin. Die erste Halbzeit zeigt, was wir eigentlich können.“
Stephan Mühleisen, TSB-Kreisläufer: „Ich denke, wir waren alle sehr überrascht von unserer ersten Halbzeit. Wir haben eine überragende Abwehr gespielt, guten Zugriff gefunden und ein hohes Tempo gefahren. Nach der Pause war es dann gefühlt das komplette Gegenteil. Wir werfen viel zu leichtsinnig die Bälle weg und kassieren dann einfache Gegenstoß-Tore. Das tut dann sehr weh.“
Aaron Fröhlich, TSB-Kapitän: „Wir haben die Partie zu Beginn der zweiten Halbzeit aus der Hand gegeben und Konstanz vorbeiziehen lassen. Bis dahin war es eine souveräne Vorstellung von uns. Dennoch sind wir noch einmal zurückgekommen und haben uns nicht total aus dem Konzept bringen lassen. Es ist eine Entwicklung zu sehen, dennoch tut diese Niederlage verdammt weh.“
Nicola Rascher, TSB-Rückraumspieler: „Nach 40 Minuten waren wir in der Abwehr nicht mehr so bissig und gallig, wie es nötig ist. Vor allem aber haben wir im Angriff extrem viele Fehler gemacht, die dann immer wieder zu schnellen Gegentoren geführt haben. Da konnten wir nicht ganz mithalten. Im Vergleich zur vergangenen Woche war eine enorme Steigerung da, jetzt müssen wir unseren Blick auf Weilstetten richten und zuhause die ersten Punkte einfahren.“
(Text und Bilder: Nico Schoch)
(Text und Bilder: Nico Schoch)