Groß war die Euphorie beim TSB Gmünd vor dem Start der neuen Saison. Umso heftiger war der Stimmungsdämpfer, den sich das Oprea-Team mit der 28:37 (15:16) – Heimpleite gegen den Vorjahres-Aufsteiger TSV Heiningen einbrockte.
Wie extrem doch die Fallhöhe sein kann. Zwischen großer Euphorie und bitterer Enttäuschung lagen für den TSB am Sonntagabend genau 60 Minuten. Wobei eine Viertelstunde ausschlaggebend war dafür, dass die „Jets“ mit neun Toren Unterschied aus der eigenen Halle geschossen wurden. „Das hätten wir uns in unseren schlimmsten Albträumen nicht ausgemalt“, erklärte Eric Zimmermann nach seinem ersten Pflichtspiel im TSB-Dress kleinlaut. Jonas Waldenmaier stellte fest: „Das ist ein herber Dämpfer, uns hat das nötige Spielglück gefehlt.“ Damit spielte der Kreisläufer auf die Phase nach der Halbzeitpause an, als beim TSB wirklich alles misslang.
Zumindest im ersten Durchgang hatte das Stauferland-Derby all das gehalten, was es im Vorfeld versprochen hatte: Viele Emotionen, hohe Geschwindigkeit – und vor allen Dingen Spannung. Der erste Oberliga-Treffer nach 330 Tagen Corona-Zwangspause blieb den Gästen vorbehalten. Danach bekamen die 400 Zuschauer einen offenen Schlagabtausch zu sehen von beiden Teams, die immer wieder überfallartig auf ihr Konterspiel setzten. Heiningen legte zunächst ein 4:6 (8.) vor, doch durch einen Doppelschlag drehte Marian Rascher zugunsten der Gmünder auf 8:7 (15.). Durch die offensive Abwehrformation gelang es dem TSB nur kurzzeitig Verwirrung zu stiften. Als die Gäste zwei Konter zum 9:12 (20.) verwandelten, zog Oprea die Notbremse und stellte Sebastian Fabian anstelle von Daniel Mühleisen zwischen die Pfosten.
Direkt nach der Auszeit wuchs der Rückstand auf 10:14 (23.) an, doch die Gmünder zeigten eine starken Reaktion. Mit zwei Glanztaten hielt Fabian seinen Vorderleuten den Rücken frei. Neuzugang Zimmermann erzielte seinen ersten Treffer und immer wieder war es Waldenmaier, der am Kreis durch die Rascher-Brüder oder durch Aaron Fröhlich in Szene gesetzt wurde. Mit dem 13:14 (27.) erzielte das 100 Kilo-Kraftpaket bereits seinen vierten Treffer. Nur eine Szene darauf nutzte Youngster Tom Abt einen Ballverlust, um dann ins leere Tor zum Ausgleich einzuwerfen (28.). Doch viel zu selten kam es vor, dass der TSB die gegnerischen Fehler derart konsequent bestrafte. Heiningen schlug noch vor der Pausensirene zurück. Zum 15:16 (30.) obendrauf kam eine aus Gmünder Sicht unglückliche Zeitstrafe gegen Abt, der zuvor selbst kräftig hatte einstecken müssen. Insgesamt 16 Zeitstrafen verteilten die Schiedsrichter in diesem hitzigen, aber keinesfalls unfairen Lokalschlager.
Den angesprochenen Alptraum erlebte der TSB unmittelbar nach dem Seitenwechsel. Das Experiment von Trainer Dragoș Oprea, in eigener Unterzahl konsequent auf einen zusätzlichen Feldspieler zu setzen, scheiterte kläglich. Die „Jets“ leisteten sich zu viele individuelle Fehler, luden die Gäste dadurch zu Kontern und beim 15:19 (34.) zum zweiten Wurf ins leere Tor ein. Der TSB rannte sprichwörtlich ins offene Messer. Selbst hingegen verfehlten Nico Rascher sowie Abt aus der Distanz knapp, als das Heininger Gehäuse verweist blieb. Der TSB verlor völlig den Faden – und damit auch schon vorzeitig das Derby. Mit einem 4:0-Lauf zogen die vom herausragenden Halblinken Felix Kohnle (9/3 Tore) angeführten Heininger auf 19:27 (45.) davon. Der Oprea-Sieben fehlten die Mittel und die Ideen, ein weiteres Comeback zu starten. Das Umschaltspiel funktionierte anders als in den Vorbereitungsspielen nur schleppend, die Konter blieben immer wieder in der aufmerksamen TSV-Defensive stecken. Einzig Marian Rascher vermochte es, mit geschickten Anspielen oder willensstarken Einzelleistungen, für besondere Momente zu sorgen. Sieben Tore erzielte der frühere Remshaldener, was aber bei weitem nicht genug war, da seine Mitspieler weitestgehend blass blieben. Auch Kapitän Fröhlich war davon nicht ausgenommen, das Spiel über die Außen lag fast komplett darnieder.
Als fünf Minuten vor Schluss (23:32) dann sogar ein Neun Tore-Abstand auf der Anzeigetafel stand, senkten sich die Köpfe erstmals in Richtung Boden. Die Niederlage war besiegelt, die Gmünder Fans blieben dennoch bis zum bitteren Ende. Sie freuten sich, ihre Jungs nach einer langen Zeit wieder live gesehen zu haben und spendeten aufmunternden Applaus. In dem Wissen: Diese Saison dürfte für den TSB noch schwieriger werden als ohnehin schon angenommen. Die erste Auswärtsreise führt das Oprea-Team ausgerechnet zum Drittliga-Absteiger HSG Konstanz, der sich durch einen 30:22-Sieg beim TSV Schmiden prompt an die Tabellenspitze gesetzt hat.
TSB: Daniel Mühleisen, Sebastian Fabian – Marian Rascher (7/3), Jonas Waldenmaier (4), Wolfgang Bächle (3), Tom Abt (3), Nicola Rascher (3), Aaron Fröhlich (3), Sven Petersen (2), Eric Zimmermann (2), Stephan Mühleisen (1), Patrick Watzl, Philipp Schwenk, Arian Pleißner, Valentin Pick, Kai Kiesel
TSV: Lars Wittlinger, Yanik Braun – Felix Kohnle (9/3), Felix Weißer (8), Simon Dürner (6/3), Dennis Welz (3), Simon Kosak (3), Chris Zöller (2), Sascha Hartl (2), Fabian Gross (2), Nico Gerasia (1), Mike Heim (1), Finn Krempl, Nick Kohnle, Andreas Schaaf, Tassilo Neudeck
Siebenmeter: TSB 4/3 – TSV 6/6
Zeitstrafen: TSB 14 Minuten - TSV 18 Minuten
Rote Karte: Fabian Gross (TSV/54./Dritte Zeitstrafe)
Schiedsrichter: Philipp Schmidt, Carsten Müller (SV Leonberg/Eltingen)
Zuschauer: 400
Zuschauer: 400
„Wie wir uns fühlen, kann sich jeder denken“ – Stimmen zum Spiel
Dragoș Oprea, TSB-Trainer: „Ich habe uns gut vorbereitet gesehen. In der ersten Halbzeit wir die Vorgaben umgesetzt und uns zurückgekämpft. Die ersten fünf Minuten nach der Pause waren entscheidend, da haben wir das Spiel aus der Hand gegeben. Jeder Einzelne muss sich nun selbst Gedanken machen, ob er das geschafft hat zu zeigen, was wir uns vorgenommen haben. Das gilt auch für mich als Trainer. Wir werden das selbstkritisch aufarbeiten, dürfen aber nicht vergessen, dass es eben erst das erste Saisonspiel war. Jetzt auf allem und jedem herumzuhacken, wäre falsch und auch nicht mein Stil.“
Mike Wolz, TSV-Trainer: „Es war ein schönes Gefühl, nach so einer langen Pause wieder vor Zuschauern spielen zu dürfen und ich denke, ich spreche da allen Handballern aus der Seele. Direkt nach der Pause hat sich das Spiel zu unseren Gunsten gedreht, nachdem wir unseren ersten Vorsprung etwas leichtfertig hergeschenkt haben. Wir haben es geschafft, Gmünd zu einfachen Fehlern zu zwingen und einfache Gegenstoß-Tore zu erzielen. Die letzten 20 Minuten mussten wir das Ergebnis verwalten, haben das aber sehr ordentlich gemacht.“
Jonas Waldenmaier, TSB-Kreisläufer: „Das ist auf jeden Fall ein herber Dämpfer. Wie wir uns fühlen, kann sich jeder denken. Durch technische Fehler haben wir immer wieder Gegenstöße kassiert. Sobald wir Heiningen in den stehenden Angriff gezwungen haben, lief es gut für uns und so haben wir auch den Vier Tore-Rückstand wett gemacht. Der schlechte Start nach der Pause hat uns dann das Genick gebrochen. Wir waren schnell abgeschlagen, haben uns zwar nicht aufgegeben, aber bei Heiningen hat dann eben alles geklappt. Uns hat das nötige Spielglück gefehlt.“
Sebastian Fabian, TSB-Torwart: „Von einem Schock zu sprechen, wäre übertrieben. Wir haben ein schlechtes Handballspiel gemacht, fertig. Deshalb ist nicht alles falsch, was wir bislang gemacht haben. Wir haben gegen einen Gegner verloren, der aus meiner Sicht großes Understatement betreibt. Denn rein vom Kader her sehe ich Heiningen in dieser Liga ganz vorne. Wir müssen daher noch keine Krise kriegen, auch wenn es natürlich viele Dinge gibt, die wir besser machen müssen.“
Eric Zimmermann, TSB-Neuzugang: „Die Stimmung in der Halle war hervorragend, doch eine so hohe Niederlage hatten wir uns in unseren schlimmsten Alpträumen nicht ausgemalt. Wir sind mit einer guten Einstellung in das Spiel gegangen, doch es hat uns an allem gemangelt. Besonders in der Abwehr und im Torabschluss haben wir noch viel Arbeit vor uns. Wir müssen viel üben, doch viel spielt sich eben im Kopf ab. Wir müssen in der kommenden Wochen wieder zu dem Spiel finden, das wir können und das wir schon gezeigt haben.“
Jürgen Rilli, Sportlicher Leiter: „In der ersten Halbzeit hat die Einstellung hundertprozentig gestimmt. Mit Engagement und Körpersprache sind wir ins Spiel zurückgekommen. Doch nach der Pause kam die Phase, in der wir viel zu viele leichte Fehler gemacht und dadurch einfache Gegentore geschluckt haben. Heiningen hat das gnadenlos bestraft. Wir haben nicht mehr zu unserem System gefunden und konnten unsere Stärke, das schnelle Spiel über die erste und zweite Welle, gar nicht mehr ausspielen. Am Ende fehlte dann die Leidenschaft, die unser Spiel verlangt.“
(Text: Nico Schoch - Bilder: Enrico Immer)