Fehlende Cleverness kostet den ersten Auswärtserfolg: Erneut kein Lohn für eine Aufholjagd in fremder Halle

Der TSB Gmünd muss weiterhin auf die ersten Auswärtspunkte der noch jungen Oberliga-Saison warten. Nach einem frühen Sechs Tore-Rückstand bewies die Mannschaft von Trainer Dragoș Oprea zwar eine starke Moral und kam zweimal zum Ausgleich. Letztlich aber bekamen die „Jets“ bei ihrer knappen 32:34 (15:17) – Niederlage vom TV Weilstetten eine Lehre in Sachen Kaltschnäuzigkeit erteilt.

24 Sekunden standen noch auf der Uhr, da lebte auf der Gmünder Bank noch einmal die Hoffnung auf einen späten Punktgewinn.
Der starke TVW-Tormann Jens Brückner hatte sich nach seiner Parade gegen Stephan Mühleisen bereits als Matchwinner feiern lassen. Gleichzeitig allerdings stibitzte der aufmerksame Aleksa Djokic von seinem Gegenspieler umgehend wieder den Ball und erzielte eiskalt den 32:33-Anschluss. „Wir hätten den Sieg viel ruhiger über die Ziellinie bringen können als mit dieser unglücklichen Aktion“, gestand Weilstettens Übungsleiter René Wismar später, konnte dabei aber erleichtert aufatmen: Denn sein Rechtsaußen Daniel Weckenmann, der ebenfalls wie TSB-Linksaußen Djokic mit zehn Treffern dieser hektischen Partie seinen Stempel aufgedrückt hatte, besorgte mit dem 32:34 sieben Sekunden vor dem Ende die Entscheidung. Die Gmünder Energieleistung in der mit 180 Zuschauern nur spärlich besetzten Balinger Sparkassen-Arena blieb unbelohnt.
Dragoș Oprea ärgerte sich allerdings weitaus weniger über den dramatischen Schlussakkord als über die Tatsache, dass seine Mannen die Anfangsphase völlig verschlafen hatten. „Warum müssen wir immer erst zurückliegen, um ins Spiel zu finden?“, wusste der TSB-Trainer selbst so recht keine Antwort auf seine Frage. Denn schon nach der ersten Viertelstunde hatte es ganz danach ausgesehen, als ob die „Jets“ frühzeitig auf die Verliererstraße einbiegen würden. Mit 4:10 (15.) lagen die anfangs völlig desorientierten Gäste schnell deutlich zurück. Der große Schwachpunkt: Die eigene Abwehrarbeit. „Wir haben uns gezielt auf die Einläufer des Gegners vorbereitet und wollten defensiver stehen, doch das hat ab dem ersten Angriff überhaupt nicht funktioniert“, kritisierte Oprea: „Ich sage es immer wieder: In unserer Deckung muss ein Rädchen ins andere greifen. Doch es hat sich nicht jeder an unsere Regeln und Absprachen gehalten. In dem Moment, in dem der Schalter bei allen Spielern umgelegt wurde, lagen wir schon mit sechs Toren zurück. Das werden wir analysieren.“
Erst nach knapp 20 Minuten steigerten sich die Gmünder, die bereits im ersten Durchgang vier Zeitstrafen verkraften mussten, allmählich. Mit dem wachsenden Engagement im Defensivverbund funktionierte auch das Umschaltspiel immer besser. Vom 7:13 (19.) ausgehend kämpfte sich der TSB zurück und als der wurfgewaltige Sven Petersen mit einem Doppelschlag auf 12:14 (24.) verkürzte, war die Aufholjagd in vollem Gange. Durch das 15:16 (29.) von Marian Rascher waren die Gmünder dann sogar erstmals auf Tuchfühlung, vergaben aber gleich zweimal die Gelegenheit zum Ausgleich: Nach zwei Ballgewinnen in Überzahl verfehlten sowohl Tormann Daniel Mühleisen als auch Marian Rascher aus der Distanz das leere Weilstetter Gehäuse. Stattdessen spielten die „Lochenfüchse“ Joscha Slongo am Kreis frei, dieser traf unmittelbar vor der Pausensirene zum 15:17. Rückblickend einer von vielen kleinen Knackpunkten für den TSB, dem in den entscheidenden Szenen zu oft die nötige Cleverness abhanden kam.
Dieser muntere Schlagabtausch setzte sich nach dem Seitenwechsel nahtlos fort. Rückhalt Mühleisen und der Pfosten verhinderten zunächst, dass der TSB erneut mit vier Toren ins Hintertreffen geriet. Der nächste Nackenschlag folgte aber prompt, als Bächle bei einem Gegenstoß Weckenmann umstieß und direkt mit Rot vom Feld gestellt wurde. „Es sah einfach unglücklich aus“; wollte Bächle den Unparteiischen keinen Vorwurf machen, „ich berühre den Spieler, aber er fällt aus meiner Sicht zu theatralisch sein. Vielleicht muss ich cleverer sein und meine Hände weg lassen.“ Auch ohne ihren einzigen gelernten Rechtsaußen tasteten sich die „Jets“ vom 18:21 (36.) abermals auf 21:22 (39.) heran. Direkt nachdem Felix Narr einen Strafwurf lediglich an den Pfosten des Gmünder Gehäuses gesetzt hatte, erzielte Petersen beim 23:23 (44.) den lang ersehnten Gleichstand. Doch umgehend holte sich Weilstetten die Führung zurück und der TSB musste den nächsten schwerwiegenden Ausfall verkraften, als der starke Marian Rascher nach einem Zusammenprall vom Feld humpelte. Die Untersuchungen in der kommenden Woche werden zeigen, ob und wie schwer der Meniskus beschädigt ist – ein langwieriger Ausfall des kreativen Spielgestalters und Neuzugangs aus Remshalden würde den TSB hart treffen.
An der Gmünder Moral bestehen jedoch keine Zweifel. Obwohl personell stark gebeutelt, ließ die Oprea-Sieben keine Zweifel an ihrer Moral aufkommen und glaubte bis zum Schluss an ihre Chance. Djokic und Petersen machten innerhalb von nur 72 Sekunden die Drei Tore-Hypothek wett – 31:31 (55.). Doch gerade als das Spiel auf Messers Schneide stand, war Weilstetten den nötigen Tick kaltschnäuziger. Obwohl Tormann Sebastian Fabian einen Fehler seiner Vorderleute mit einer Parade bravourös ausbügelte, lag der TSB wieder mit 31:33 (58.) zurück. Als Aaron Fröhlich 90 Sekunden vor dem Ende mit einem verdeckten Wurf an TVW-Keeper Brückner scheiterte, kam dies bereits der Vorentscheidung gleich. Djokics zehnter Treffer kam zu spät, Weilstetten machte mit dem 32:34 im letzten Angriff alles klar.
„Zwei Sachen sind es und absolut nichts Übermenschliches, was wir jetzt ändern müssen“, resümierte Oprea, „wir müssen von der ersten Sekunde an konsequenter in der Abwehr auftreten und im Spielaufbau nach vorne diszipliniert blieben. Das werden wir schaffen und unsere Punkte holen, denn wir haben wieder gesehen welch großes Potenzial in den Jungs steckt.“ Sein Kapitän und Spielmacher Aaron Fröhlich hatte den Blick ebenfalls direkt nach vorne gerichtet und richtete klare Worte an das Team: „Man kann schon von uns erwarten, dass wir beim nächsten Spiel ein anderes Gesicht zeigen und mit noch mehr Aggressivität und Entschlossenheit einen Sieg holen.“
 
Die Reihe an Auswärtsspielen setzt sich für den TSB am kommenden Samstag (19:30 Uhr) beim aktuellen Tabellenzweiten HC Neuenbürg fort – vorausgesetzt, die Corona-Pandemie macht den „Jets“ nicht einen Strich durch die Rechnung. Denn bereits an diesem Wochenende wurden vier der neun angesetzten Oberliga-Partien aufgrund der steigenden Covid 19-Fallzahlen kurzfristig abgesetzt. Jede Austragung ist derzeit mit einem dicken Fragezeichen verbunden. +++UPDATE 29.10.2020: Das Spiel in Neuenbürg wurde abgesagt, der gesamte Spielbetrieb in der BWOL ruht im November. +++
 
TVW: Jens Brückner, Raphael Madlener, Niklas Euchner – Daniel Weckenmann (10), Micha Kübler (6/4), Jonas Lösch (4), Tim Singer (4), Fabian Mayer (4), Silas Wagner (4), Joscha Slongo (2), Daniel Naumann, Nick Single, Felix Narr, Florian Pawelka, Felix Saueressig
TSB: Sebastian Fabian, Daniel Mühleisen – Aleksa Djokic (10), Marian Rascher (7), Sven Petersen (6), Aaron Fröhlich (3), Nicola Rascher (3), Wolfgang Bächle (1), Jonas Waldenmaier (1), Valentin Pick (1), Stephan Mühleisen, Tom Abt, Christian Waibel, Moritz Knück
Siebenmeter: TVW 7/4 – TSB 0/0
Zeitstrafen: TVW 6 Minuten – TSB 12 Minuten
Rote Karte: Wolfgang Bächle (TSB/35./Notbremse)
Schiedsrichter: Yannik Krauss, Matthias Schwing (HSG Hanauerland)
Zuschauer: 180
 
„Müssen lernen, einen kühlen Kopf zu bewahren“ - Stimmen zum Spiel
Einmal mehr bot der TSB Gmünd ein Spiel, welches nichts für schwache Nerven war, und erlebte zugleich ein kleines Déjà-vu zum Auftritt in Bittenfeld (26:29) zwei Wochen zuvor. Denn erneut genügte eine couragierte Aufholjagd letztlich nicht, um Zählbares mit auf die Heimreise zu nehmen. Kein Wunder also, dass die „Jets“ rückblickend besonders mit ihrer verschlafenen Anfangsviertelstunde hadern.
 
Dragoș Oprea, TSB-Trainer: „Mich freut es natürlich, dass meine Jungs sehen, welches Potenzial in ihnen steckt. Aber das müssen wir von der ersten Sekunde an abrufen und präsent sein. Doch am Anfang war die Abwehr unser Schwachpunkt, weil wir unsere Regeln und Absprachen nicht respektiert haben. Danach haben wir gekämpft, uns aber zu viele leichte Fehlpässe und Fehlwürfe geleistet. Es sind Kleinigkeiten, die wir ändern müssen. Doch dafür muss sich jeder an unsere Disziplin halten. In den Phasen, in denen wir diszipliniert gespielt haben, sind wir zu guten Chancen gekommen. Da müssen wir aber lernen, abgezockter zu sein und einen kühlen Kopf zu bewahren.“
 
René Wismar, TVW-Chefcoach: „Ganz klar, es ärgert mich immens, dass wir das Spiel nicht früher für uns entscheiden konnten. Dennoch bin ich vielmehr überrascht, was meine Mannschaft aus sich herausgeholt hat. Immerhin haben wir aufgrund einiger Ausfälle mit nur acht Spielern durchgespielt und trotzdem stabiler verteidigt als zuletzt. Wir wussten von der unangenehmen offensiven Abwehr der Gmünder und dass dies unserer Spielweise eigentlich sehr entgegen kommt, da wir sehr viele flinke Spieler haben, die im Eins-gegen-Eins die richtige Entscheidung treffen. Im Tempospiel waren wir mit fünf Toren im Plus gegenüber Gmünd. Das hat den Unterschied gemacht.“
 
Marian Rascher, TSB-Rückraumspieler: „Diese Niederlage schmerzt genauso sehr wie mein Knie. Wir opfern uns in der Abwehr auf, kämpfen um jeden Ball und verlieren dann doch immer wieder ein bisschen den Kopf. Wir machen zu viele einfache Fehler, So schaffen wir es nicht, uns selbst auch zu belohnen.“
Wolfgang Bächle, TSB-Rechtsaußen: „Von Anfang an sind wir in den meisten Szenen einen Schritt zu spät gekommen und haben dann die Zeitstrafen kassiert. Wenn wir so oft in Unterzahl sind, ist es umso schwieriger, in der Abwehr Zugriff zu bekommen. 34 Gegentore sind insgesamt zu viel, um dieses Spiel zu gewinnen.“
 
Aaron Fröhlich, TSB-Kapitän: „Am Ende hat uns die Frische gefehlt, doch vor allem sind wir in der Abwehr nicht so aggressiv aufgetreten, wie wir es uns vorstellen. Das lag hauptsächlich an individuellen Fehlern und auch daran, dass wir insgesamt zu wenig Einsatz gezeigt haben. Das muss ich mir, das müssen wir uns alle ankreiden. Trotzdem waren wir bis zum Ende immer bei der Musik, doch unsere einfachen Fehler haben uns den Ausgleich oder die mögliche Führung gekostet. Es war sicherlich nicht alles schlecht, doch eine kleine Wiedergutmachung sind wir uns schuldig. Wir können mehr.“

(Text und Bilder: Nico Schoch)