Leidenschaftliche Aufholjagd bleibt unbelohnt: TSB macht Vier Tore-Rückstand wett und verliert dennoch

Drauf und dran waren die „Jets“ am Samstagabend, ihre erste Niederlage unter der Regie von Trainer Dragoș Oprea abzuwenden. Die Gelegenheit, das Spiel noch zu den eigenen Gunsten zu wenden, war vorhanden. Doch trotz einer klaren Leistungssteigerung nach der Pause musste sich der TSB Gmünd der äußerst jungen Truppe vom TV Bittenfeld II letztlich knapp mit 26:29 (12:15) geschlagen geben.

Für die Zweitvertretung des Bundesligisten war es der Inbegriff eines Arbeitssieges, wie Jörg Ebermann resümierte. „Ich habe aber auch gar nichts anderes erwartet“, erklärte der TVB-Coach mit Hinblick auf das offensive Abwehrsystem, welches sein ehemaliger Bittenfelder (Jugend-)trainerkollege Oprea beim TSB derzeit etablieren will. Die Teams hatten sich vor leeren Rängen – in der Gemeindehalle Bittenfeld sind aufgrund der Corona-Pandemie derzeit gar keine Zuschauer zugelassen – zuvor rein gar nichts geschenkt, obwohl auf beiden Seiten mehrere Leistungsträger fehlten. So konnten die Hausherren zwar auf ihren 17-jährigen Junioren-Nationalspieler Fynn Nicolaus, der erst am Donnerstag noch Bundesligaluft geschnuppert hatte, zurückgreifen. Verletzungsbedingt verzichten mussten sie hingegen auf die beiden langjährigen Zweitligaspieler Martin Kienzle und Alexander Heib. Mit Ausnahme von Kapitän Alexander Bischoff war kein Spieler im TVB-Kader älter als 20 Jahre.
Nachdem neben Tom Abt (Bänderriss), Marian Rascher (Knieprobleme) und Jonas Waldenmaier (Urlaub) kurzfristig auch noch die angeschlagenen Routiniers Sebastian Fabian und Christian Waibel passen mussten, kam der TSB umso mehr auf dem Zahnfleisch daher. „Es wäre das Einfachste zu sagen, dass wir verloren haben, weil viele Hauptakteure gefehlt haben“, wollte Oprea darin allerdings keine Ausrede suchen. Denn: „Jeder Einzelne hat bewiesen, dass er die Qualität und das Potenzial für die Oberliga besitzt.“ Dazu zählte auch Kreisläufer Kai Kiesel aus der eigenen A-Jugend, der in einer hektischen Schlussphase sein Oberligadebüt feiern sollte.
Mit dem Auftreten seiner Mannen im ersten Durchgang konnte der TSB-Trainer aber kaum zufrieden sein. Zwar begannen die „Jets“ schwungvoll und Rechtsaußen Wolfgang Bächle verwertete einen weiten Abwurf des zunächst gut aufgelegten Schlussmannes Daniel Mühleisen in Kempa-Manier sehenswert zum 3:1 (5.). Bittenfeld allerdings ließ sich von der offensiven Gmünder Deckung keineswegs einschüchtern und zog beim 4:4 (7.) schnell gleich. Während sich in der TSB-Offensive zahlreiche Flüchtigkeitsfehler und überhastete Würfe einschlichen, ergriffen die Gastgeber zunehmend die Initiative. Obwohl Mühleisen einen Strafwurf parierte, legte der TVB mit vier Treffern in Folge ein 10:6 (19.) vor und so sah sich Oprea zu seiner ersten Auszeit gezwungen. Kurzzeitig war Besserung in Sicht. Gleich zweimal rettete der Pfosten, auf der Gegenseite verkürzte Bächle auf 11:12 (27.). Die unnötigen Ballverluste im Gmünder Spiel allerdings rissen nicht ab und wurden eiskalt bestraft. Der TVB stellte den alten Abstand wieder her, erneut Bächle traf immerhin noch zum 12:15-Pausenstand. TSB-Betreuer Holger Sohnle stellte treffend fest: „Uns fehlt die letzte Überzeugung.“
Zurück aus der Kabine, handelte sich Nicola Rascher durch ein Stürmerfoul umgehend eine Zwei Minuten-Strafe ein. Der Rückstand pendelte sich bei vier Toren ein. Selbst als der TVB eine doppelte Unterzahl überbrücken musste, gelang es der Oprea-Sieben zunächst nicht, daraus Kapital zu schlagen. Valentin Pick, einer von vier A-Jugendlichen im Gmünder Aufgebot, brachte die Gäste zwar auf 19:21 (37.) heran, doch umgehend erhöhte Bittenfeld wieder auf 17:21 (41.). Die Leistungssteigerung war dennoch in allen Belangen unübersehbar: In der Defensive präsentierten sich die Gmünder entschlossener und selbstbewusster, jeder Zweikampf und jeder Ballgewinn wurde lautstark bejubelt. Durch das Konterspiel gelang der Anschluss, Linksaußen Moritz Knück sorgte schließlich für den lang ersehnten 22:22-Gleichstand (44.). Der TVB legte erneut vor, doch der TSB ließ nicht locker. Aaron Fröhlich und Sven Petersen hatten mit ihren Rückraumwürfen die passende Antwort parat – 24:24 (48.). „Jetzt haben wir sie“, ertönte die Anfeuerung von der Ersatzbank und tatsächlich sah es danach aus, als würden die jungen Bittenfelder den Faden verlieren.
Trotz aller Courage allerdings verließ den TSB das Spielglück. Der eingewechselte TVB-Keeper Finn Hummel verhinderte mit einer Parade die mögliche Führung durch Fröhlich, im direkten Gegenzug wurde Stephan Mühleisen aufgrund seiner dritten Zeitstrafe disqualifiziert (50.). Auch Oprea hatte einen Torwartwechsel gewagt: Giovanni Gentile fügte sich hervorragend ein, vereitelte sogar einen gegnerischen Konter. Machtlos war Gentile jedoch, als Junioren-Nationalspieler Luis Foege im Rückraum hochstieg und mit einem Doppelschlag zum 24:27 (55.) einnetzte. Beim TSB hingegen verzweifelten Petersen und Youngster Kiesel, der nun die Rolle von Stephan Mühleisen einnahm, jeweils am Pfosten. Daniel Mühleisen kehrte zurück zwischen die Pfosten, wurde aber aus sieben Metern zum 25:28 (58.) überwunden. Petersens sechster Treffer 90 Sekunden vor dem Ende ließ noch einmal kurz Hoffnung aufkeimen. Doch als Bischoff durchbrach und zum 26:29 (60.) vollstreckte, war die erste TSB-Saisonniederlage besiegelt.
 
Stark zurückgekämpft hatten sich die „Jets“ zwar, standen aber am Ende doch mit leeren Händen da. In den entscheidenden Szenen hatten sie die nötige Coolness vermissen lassen. Unterm Strich war es somit ein Abend, aus dem man nur lernen kann, wie Oprea befand: „Ich habe den Jungs nach Spielende gesagt, dass sie ihren Kopf oben behalten und stolz sein sollen auf die vielen guten Dinge, die sie auf die Platte gebracht haben. Wir haben den Weg in die richtige Richtung eingeschlagen und werden wegen dieser knappen Niederlage nicht davon abweichen.“
Der erste Rückschlag soll schnellstmöglich abgehakt werden. Denn kommenden Sonntag (17 Uhr / Große Sporthalle) gilt es für den TSB wieder seine zurückgewonnene Heimstärke unter Beweis zu stellen: Mit der Neckarsulmer Sport-Union reist ein Kontrahent im Rennen um den Klassenerhalt an, der nach zwei Auftaktschlappen in Fellbach (30:31) und gegen Zizishausen (31:34) bereits ein wenig unter Zugzwang steht.
 
TVB II: Sebastian Rica-Kovac, Finn Hummel, Daniel Sdunek – Alexander Bischoff (8), Luis Foege (7), Yannick Wissmann (5/2), Peer Wisst (3), Maurice Widmaier (2), Fynn Nicolaus (1), Leon Agner (1), Philipp Kusche (1), Niklas Bolkart (1), Jan Luca Mauch, Johannes Theurer, Fabian Kornmann
TSB: Daniel Mühleisen (1. bis 47.Minute und 55.-60.), Giovanni Gentile (47.-55.) – Aaron Fröhlich (9/2), Sven Petersen (6), Wolfgang Bächle (4), Moritz Knück (3), Nicola Rascher (2), Valentin Pick (1), Stephan Mühleisen (1), Aleksa Djokic, Kai Kiesel, Patrick Watzl (n.e.), Arian Pleißner (n.e.)
Siebenmeter: TVB 3/2 – TSB 2/2
Zeitstrafen: TVB 12 Minuten – TSB 16 Minuten
Rote Karte: Stephan Mühleisen (TSB/50./Dritte Zeitstrafe)
Schiedsrichter: Stefan Schmid-Denzinger, Tobias Hägele (TV Altbach)
Zuschauer: Keine Zuschauer zugelassen
 
„Am Ende fehlte die nötige Luft“ - Stimmen zum Spiel
Trotz der knappen 26:29-Niederlage in Bittenfeld sieht TSB-Trainer Dragoș Oprea seine Mannschaft auf dem richtigen Weg. Leidenschaftlich kämpfende Gmünder verdienten sich viel Lob und besonders ein junger TSBler wird diesen Abend in besonderer Erinnerung behalten.
Dragoș Oprea, TSB-Trainer: „Es war ein Spiel auf Augenhöhe, in dem wir allerdings ein paar Bälle zu viel verworfen haben. In der ersten Halbzeit hat uns die Aggressivität gefehlt. Wir haben nur halbherzig zugepackt, nur halbherzig ausgeholfen. Dann sind die jungen Bittenfelder mit ihrer Dynamik nur schwer zu halten. Nach der Pause haben wir das gleiche Abwehrsystem gespielt, nur deutlich aggressiver. Genau deshalb haben wir vier Tore Rückstand aufgeholt. Doch genau in dieser Phase, in der wir durch unsere Präsenz dominieren, müssen wir dazulernen und sicherer spielen. Jetzt müssen wir den Kopf oben behalten. Wir werden uns nicht von unserem Weg abbringen lassen.“
 
Jörg Ebermann, TVB II – Trainer: „Gmünd hat eine phänomenale Leidenschaft gezeigt, sich niemals aufgegeben. Wenn wir es geschafft hätten, einmal auf sechs Tore wegzuziehen, wäre dieser Wille vielleicht zu brechen gewesen. So aber sind die Gmünder mit ihren guten Einzelspielern immer dran geblieben. Entscheidend war, dass wir im Gegensatz zur Vorwoche unsere A-Jugendspieler dabei hatten und die personellen Ausfälle von der Bank her besser kompensieren konnten. In der Schlussphase hatten wir bei den Fehlschüssen der Gmünder natürlich auch Glück, das wir im ersten Durchgang nicht auf unserer Seite hatten. So gleicht es sich am Ende ein bisschen aus.“
 
Sven Petersen, TSB-Rückraumspieler: „Diese Niederlage ist richtig ärgerlich, doch die gilt es abzuhaken und stattdessen all die positiven Eindrücke aus der zweiten Halbzeit mitzunehmen. In den letzten 20 Minuten hätten wir alle und auch ich selbst die Wurfchancen besser nutzen müssen. Dann wäre dieses heiß umkämpfte Spiel ganz anders ausgegangen.“
Kai Kiesel, TSB-Oberligadebütant: „Wenn man diesen Fight so lange von der Bank aus verfolgt, hat man natürlich richtig Lust, selbst endlich zum Einsatz zu kommen. Doch dass die Herren-Oberliga eine ganz andere Welt ist als noch in der A-Jugend, habe ich gerade am Anfang auch körperlich zu spüren bekommen. Natürlich stellt man sich das Debüt etwas glücklicher vor, doch ich werde mir nicht zu sehr den Kopf darüber zerbrechen und diesen Abend definitiv nicht vergessen.“
 
Giovanni Gentile, TSB-Tormann: „Die Enttäuschung ist groß, doch wir nehmen die positiven Dinge mit. Trotz dezimiertem Kader haben wir uns zum Ausgleich gekämpft. Danach fehlte uns vielleicht die nötige Luft und nach der Roten Karte ein zusätzlicher Abwehrspieler, um auch in den restlichen zehn Minuten Vollgas zu geben. Als dritter Torwart bin ich natürlich immer da, wenn ein Daniel Mühleisen verschnaufen muss, gebe mein Bestes und will mich beweisen. Ich glaube, das ist mir ganz gut gelungen. In unserer Mannschaft, wir sind wie eine kleine Familie, ist jeder Spieler auf seine Art und Weise wichtig.“
(Text und Bilder: Nico Schoch)