+++ UPDATE 03.April: Das DHB-Präsidium empfiehlt seinen Landesverbänden eine Beendigung der Saison unterhalb der 3.Liga +++ Wie alle Sportarten ist der Handball durch die Corona-Krise völlig lahmgelegt. Ob die Saison überhaupt fortgesetzt werden kann, wie Auf- und Abstieg geregelt werden, darüber befinden sich die Vereine noch zwei weitere Wochen im Unklaren. Auch dem TSB Gmünd bleibt derzeit nicht mehr als abzuwarten. Die Spieler des abstiegsbedrohten Oberligisten halten sich mit individuellem Training fit.
Eine vermeintliche, amtliche Mitteilung des Handballverbandes Württemberg (HVW) hatte sich am Mittwochabend nach kurzer Zeit als Falschmeldung herausgestellt. Darin enthalten war die Info, dass der komplette Spielbetrieb mit sofortiger Wirkung beendet und die Saison ohne Auf- und Absteiger zu Ende gehen würde. Der fehlgeleitete Aprilscherz stieß wohl auch deshalb auf offene Ohren, weil die Vereine eine endgültige Entscheidung herbeisehnen. Der Hessische Handballverband hatte bereits in der vergangenen Woche Fakten geschaffen und die Saison für beendet erklärt.
Dabei sorgte der HVW in Zeiten der Ungewissheit angesichts der Ausbreitung des Coronavirus zumindest für ein wenig Klarheit, indem er sich selbst ein Ultimatum setzte. Bis zum 19. April wird über eine mögliche Fortführung und die Wertung der Saison 2019/2020 in den Ligen ab der Oberliga abwärts entschieden. Bislang war ausdrücklich nur von einer Aussetzung des Spielbetriebs die Rede. Das Hintertürchen für eine Saison-Fortsetzung bleibt bewusst offen. „Mein persönliches Ziel ist es, den Ligabetrieb nach dem 19.April wieder aufzunehmen“, sagt Michael Roll. Der Vorsitzende des Verbandsausschusses Spieltechnik fügt hinzu: „Wir haben jetzt erst einmal Zeit und Ruhe, um einen Plan B zu entwickeln.“
„Uns war wichtig, dass wir ein klares Signal erhalten haben und diese Entscheidung tragen wir alle mit“, erklärt Jürgen Rilli, Sportlicher Leiter beim TSB Gmünd. Die genauen Folgen kann aber auch beim Tabellenvierzehnten der Oberliga noch niemand abschätzen. Abteilungsleiter und Interimscoach Michael Hieber hofft zwar, dass sein Team bald wieder spielen darf, gibt aber zu bedenken: „Bei dieser Pandemie rückt das Sportliche völlig in den Hintergrund. Wir wissen nicht, wie sich die Situation weiter entwickelt. Deshalb ist die aktuelle Entscheidung völlig korrekt.“ Dass es angesichts der gesundheitlichen Gefahren durch das Coronavirus keine Alternative für das Aussetzen des Sportbetriebs gibt, ist auch ihm klar. An gemeinsames Mannschaftstraining ist überhaupt nicht zu denken, stattdessen sind individuelle Trainingspläne die Regel. „Wir werden dosiert körperlich arbeiten und sind immer im Gespräch mit unserem Athletiktrainer Christof Elser“, berichtet Hieber. Waldläufe, ein bisschen Krafttraining, alles weitgehend individuell und von zuhause aus. So sieht sie aus, die Wirklichkeit des Sports in Zeiten der Corona-Krise.
„Ich bin kein Experte, aber ich weiß nicht, was sich nach dem 19.April großartig ändern soll“, rätselt Hieber, „deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass nach diesem Datum direkt wieder gespielt werden kann.“ Auch innerhalb der Oberliga-Konkurrenz will niemand so recht an eine Fortsetzung der Saison glauben. Rainer Sorg etwa hält das für „völlig unrealistisch“. Der Vorsitzende des Neulings HC Neuenbürg sprach sich im Pforzheimer Kurier für einen „Cut nach der Vorrunde“ aus: „Dann hat Jeder gegen Jeden gespielt und das wäre eine Möglichkeit ganz nah an Fairness zu kommen.“ Keinerlei Illusionen gibt sich auch Markus Keune, Vorsitzender der SG Köndringen/Teningen, hin: „Angesichts der enormen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen, die auf uns alle warten, soll und muss unser geliebter Sport in den Hintergrund treten. Ich bin fest davon überzeugt, dass die restliche Runde ausfällt." Doch wie wird gerechnet, wenn die Spielzeit nicht fertig gespielt wird? Keunes persönliche Prognose: "Es wird nur Aufsteiger geben und keine Absteiger", und zwar auf Basis der aktuellen Tabelle. Dadurch würde man sportlichen Erfolg immerhin belohnen und gleichzeitig die größten Härten vermeiden.
Mit genau diesem Szenario rechnet auch die SG Pforzheim/Eutingen. Der Oberliga-Tabellenführer fühlt sich durch Paragraf 52 der DHB-Spielordnung abgesichert. Dieser besagt, dass Auf- und Absteiger einer Klasse von der zuständigen Stelle im Falle eines Abbruchs nach sportlichen Gesichtspunkten zu bestimmen sind. SG-Leiter Wolfgang Lipps schließt daraus, dass über alle Spielklassen hinweg bei Aufsteigern „ganz normal“ verfahren werde, es wiederum aber keinen oder nur sportlich längst feststehende Absteiger geben würde.
Oberliga-Verbleib dank Corona? Eine merkwürdige Vorstellung, doch eine Annulierung der Saison hätte für den TSB Gmünd höchstwahrscheinlich eben genau diesen Nebeneffekt. Michael Hieber möchte daran gar keinen Gedanken verschwenden: „So etwas ist in dieser schlimmen Situation überhaupt nicht relevant. Wir erleben eine totale Ausnahmesituation, die im Sport einzigartig ist.“ Am liebsten wäre Hieber und Rilli zwar immer noch eine Fortsetzung der Saison zu gegebener Zeit. Denn die TSB-Macher verweisen darauf, „dass wir noch die Chance haben, das Ruder aus eigener Kraft herumzureißen.“ Kurz vor der Einstellung des Spielbetrieb war den Gmündern beim Tabellennachbarn in Zizishausen (34:33) immerhin der lang ersehnte, erste Erfolg nach zuvor zehn sieglosen Spielen gelungen.
Doch die Chancen, bis zum offiziellen Saisonschluss am 30.Juni noch einmal aufs Hallenparkett zurückzukehren, schwinden von Tag zu Tag. Dass nun in der heimischen Großen Sporthalle ein Corona-Notfallzentrum eingerichtet wird, das bis zum 20.April einsatzfähig sein soll, bedeutet für den TSB im Klartext: An Handballsport im eigenen Wohnzimmer wird wohl den gesamten Sommer über nicht zu denken sein.
+++ Update vom 3.April: Das DHB-Präsidium empfiehlt seinen Landesverbänden eine vorzeitige Beendigung der Saison 2019/20. +++
Hans Artschwager, Sprecher der Landesverbände im Deutschen Handballbund und Präsident des HVW, erklärt: „Ich bedanke mich für die sehr enge und konstruktive Zusammenarbeit aller Beteiligten. Wir haben für den deutschen Handball eine gemeinsame Lösung gefunden. Unsere Landesverbände können jetzt weiter planen.“
DHB, HBL und HBF haben sich darauf verständigt, dass es auch bei Saisonabbrüchen keine Absteiger (mit der Ausnahme von bereits zurückgezogenen Mannschaften bzw. sogenannter „wirtschaftlicher Absteiger“), sondern lediglich Aufsteiger in die Saison 2020/21 geben soll. Klar ist nun auch, dass die Saison 2019/20 nach rechtlicher Prüfung spätestens am 30. Juni beendet sein muss.
Die gesamte Mitteilung des DHB im Wortlaut: https://www.hvw-online.org/aktuell/detail/news/beschluesse-und-vorschlaege-zum-spielbetrieb
(Nico Schoch)