Nach zuvor fünf Niederlagen am Stück hat der TSB Gmünd ein wichtiges Lebenszeichen im Abstiegskampf gesendet und ist mit einem hart erkämpften Punktgewinn aus Weilstetten zurückgekehrt. Über 50 Minuten lang lag der Tabellenvorletzte im Rückstand, um sich dann doch noch ein 32:32-Unentschieden und in letzter Sekunde sogar einen vermeintlichen Sieg zu holen – wogegen allerdings die Schiedsrichter etwas einzuwenden hatten.
Auch einige Minuten nach Spielende konnte er es noch nicht richtig begreifen. Michael Hieber hatte die Hände entsetzt über den Kopf zusammengeschlagen und stand gedankenverloren auf dem Spielfeld, als ihm Jürgen Rilli entgegen kam. Der Sportliche Leiter des TSB rief seinem Interimscoach nur zu: „Das wirft uns nicht um, wir sind auf dem richtigen Weg!“ Tatsächlich hatten die Gmünder an diesem Abend einen Punkt gewonnen, mit dem die mitgereisten Fans unter den lediglich 200 Zuschauern lange Zeit wohl nicht mehr gerechnet haben. In einer hektischen Schlussminute war Wolfgang Bächle zunächst der Ausgleich gelungen und mit der letzten Aktion im Spiel durch einen schnellen Konter sogar der umjubelte Siegtreffer. Für wenige Augenblicke jubelten die Gmünder, um dann enttäuscht festzustellen: Das Schiedsrichtergespann aus Freiburg verweigerte dem Tor die Anerkennung. Der Ball sei erst einen Sekundenbruchteil nach Ertönen der Schlusssirene im Netz eingeschlagen. Eine diskussionswürdige Entscheidung, wie Bächle findet: „Ich denke, dass ich es am Besten beurteilen kann und bin mir sicher, dass der Ball mit der Sirene drin war und das Tor zählen müsste.“
Einen Grund, mit hängenden Köpfen die Heimreise anzutreten, gab es dennoch nicht. Mit Moral und Kampfgeist hatte die Hieber-Truppe einen weiteren Tiefschlag im Abstiegskampf abgewendet und sich den Punkt verdient. „Großen Respekt vor dieser Leistung“, urteilte Rilli deshalb, „der Rückstand hat uns nie umgehauen, wir sind immer wieder aufgestanden.“ Selbst in Führung lagen die Gmünder lediglich in der guten Anfangsphase. Nach starkem Beginn, wobei sich Keeper Sebastian Fabian mehrmals auszeichnen konnte, und dem Doppelschlag von Sven Petersen zum 2:3 (8.) allerdings wendete sich das Spielglück. Weilstetten drehte das Resultat auf 5:3 (12.) und 9:7 (16.). Die TSBler traten zwar couragiert auf, doch es fehlte wie so oft im bisherigen Saisonverlauf die nötige Cleverness. Nachdem Bächle beim 9:9 (18.) den Gleichstand wieder hergestellt hatte, vergaben Aaron Fröhlich sowie Max Dangelmaier im Gegenstoß beste Gelegenheit, die Gäste wieder in Front zu werfen. Stattdessen wurden die Gmünder für ihren doppelten Wechsel zwischen Abwehr und Angriff immer wieder mit Gegentreffern über die schnelle Mitte bestraft. Der pfeilschnelle Linksaußen Micha Kübler traf allein im ersten Durchgang sechsmal und erhöhte auf 13:10 (23.). „Tragisch“, befand Hieber, „denn wir sind in den ersten 20 Minuten die bessere Mannschaft und liegen dennoch zurück.“ Weilstetten behauptete den Drei Tore-Vorsprung bis zur Pause und der 18:15-Pausenstand legte die Problemzone des TSB wieder einmal gnadenlos offen: In der stehenden Abwehr verkauften sich die Blau-Gelben ordentlich, das Rückzugsverhalten allerdings war mangelhaft.
Der Beginn des zweiten Durchgangs versprach zunächst wenig Besserung. Vielmehr sah es so aus, als ob die TSBler wie in der Vorwoche gegen Herrenberg (22:30) frühzeitig auf die Verliererstraße geraten würden. Mit dem 20:15 (32.) schuf sich Weilstetten erstmals ein kleines Polster. Die Gmünder allerdings bewiesen anschließend Comeback-Qualitäten. Der herausragende Fabian vernagelte sein Gehäuse sieben Minuten lang, auf der Gegenseite setzte Spielmacher Aaron Fröhlich insbesondere Linksaußen Dangelmaier und Kreisläufer Jonas Waldenmaier mehrmals hervorragend in Szene. Dangelmaier vollendete einen von Fröhlich initierten Kempa-Trock zum 23:22 (41.). Waldenmaier krönte dann den 5:0-Lauf mit dem Ausgleich zum 23:23 (42.) und verdiente sich später ein Sonderlob seines Trainers. „Er war eine Waffe im Angriff und hat sein bislang bestes Spiel gemacht“, so Hieber. Pech hatte allerdings Fabian, als er einen Strafwurf parierte, Kübler allerdings im Nachwurf zur erneuten Weilstetter Führung traf. Der TVW erhöhte schnell auf 26:23 (44.), die Gmünder „Stehaufmännchen“ ließen sich trotzdem nicht entmutigen.
In einer Schlussphase, welches in puncto Dramatik den EM-Halbfinalspielen in nichts nachstand, bewies der TSB starke Nerven, haderte aber mit den strittigen Entscheidungen der Schiedsrichter. Nachdem sich Petersen zweimal durchgetankt und Dangelmaier mit seinem siebten Treffer zum 29:29 (52.) ausgeglichen hatte, erhielten die Hoffnungen auf einen Auswärtserfolg einen herben Dämpfer. Abwehrchef Christian Waibel wurde mit seiner dritten Zeitstrafe auf die Tribüne verbannt. Als kurz darauf Waldenmaier nur durch ein Foulspiel auszubremsen war, blieb der erhoffte Siebenmeter-Pfiff aus. „Alle 50-50-Entscheidungen sind gegen uns gefallen, das ist bitter“, ärgerte sich Rilli. Fröhlich übernahm Verantwortung und egalisierte den knappen Rückstand zweimal, ehe die Hausherren erneut ein 32:31 (58.) vorlegten. Fabian hielt seine Mannen mit einer Glanzparade im Rennen. 23 Sekunden vor dem Ende vollstreckte Bächle einen mustergültig durchgeführten Spielzug zum 32:32. Weilstetten nahm noch eine Auszeit, doch der letzte Angriff zerschellte an der TSB-Defensive. Stattdessen war Bächle durchgestartet und nutzte den schnellen Konter zum vermeintlichen Siegtreffer. Das gesamte Team stürmte wie entfesselt auf den Platz, wurde von den Referees aber umgehend aus allen Träumen gerissen.
Statt einem möglichen doppelten Punktgewinn stand „nur“ ein Zähler, der den Gmündern zwar für die Moral gut tut, wie Rilli betonte, die Gesamtsituation aber nicht wirklich besser macht. Nach dem siebten sieglosen Spiel in Folge bleibt der TSB Tabellenvorletzter und liegt fünf Punkte vom (nach derzeitigem Stand) rettenden Ufer entfernt. „In der Tabelle bringt uns das Unentschieden nicht weiter“, weiß Hieber, „jetzt kommen zwei Heimspiele auf uns zu, in denen es nur ein Ziel geben kann.“ Gegen den Zwölften TV Bittenfeld 2 (01.Februar) und den Achten TSV Weinsberg (09.Februar) sind die Gmünder quasi zum Siegen verdammt. Den nötigen Willen dazu kann man der Mannschaft derzeit jedenfalls nicht absprechen.
TVW: Marco Makowski, Jonas Baumeister – Micha Kübler (8/3), Fabian Mayer (6), Jonas Lösch (5), Zappa Single (4), Tim Singer (2), Silas Wagner (2), Nick Bischoff (2), Nick Single (1), Felix Saueressig (1), Felix Narr (1), Eric Single
TSB: Sebastian Fabian, Daniel Mühleisen – Aaron Fröhlich (8/4), Max Dangelmaier (7), Sven Petersen (5), Dominik Sos (4), Jonas Waldenmaier (4), Wolfgang Bächle (3), Yannik Leichs (1), Stephan Mühleisen, Aleksa Djokic, Christian Waibel, Tom Abt, Tim Albrecht
Siebenmeter: TVW 4/3 (alle Kübler) – TSB 5/4 (alle Fröhlich)
Zeitstrafen: TVW 8 Minuten – TSB 8 Minuten
Rote Karte: Christian Waibel (TSB/53./Dritte Zeitstrafe)
Schiedsrichter: Christian Gebele (TG Altdorf), Timo Widmann (Freiburger Turnerschaft)
Zuschauer: 200
„Wir sind immer wieder aufgestanden“ - Stimmen zum Spiel
Mit einer Willensleistung hat der TSB Gmünd seinen Negativlauf beendet und schöpft neue Hoffnung im Abstiegskampf. Nach einer intensiven Begegnung sorgte insbesondere die strittige Schlussszene für Diskussionsstoff und aus Gmünder Sicht stand die Frage: Wie geht man mit einem solchen Punktgewinn um, der am Ende auch ein Sieg hätte sein können?
Michael Hieber, TSB-Trainer: „Am Ende hätten wir das Glück gebraucht und vielleicht auch verdient gehabt. Es wird selbst im Video schwer zu erkennen sein, ob die letzte Entscheidung der Schiedsrichter richtig war. In Weilstetten einen Punkt zu holen ist dennoch eine ganz ordentliche Leistung. Vor allem deshalb, weil wir trotz aller schlechten Phasen nicht aufgegeben und an uns geglaubt haben. Wichtig war, dass die Mannschaft gekämpft hat. Dieser Punkt kann ein Anfang für uns sein. Jetzt gilt es, die Abwehr weiter zu stabilisieren.“
Sascha Ilitsch, TVW-Trainer: „Es ärgert mich, dass wir es nicht geschafft haben, den Sieg über die Zeit zu bringen. Doch man muss auch sagen, dass wir in der letzten Minute etwas Glück haben. Immerhin haben wir in der Tabelle unseren Vorsprung auf Gmünd gehalten, das zählt.“
René Wismar, TVW-Trainer: „Wir haben gefühlt das gesamte Spiel geführt. Am Ende müssen wir mit dem Punkt glücklich sein. In der ersten Halbzeit hat unser Tempospiel den Unterschied gemacht – das ist uns in der zweiten Halbzeit leider abhanden gekommen.“
René Wismar, TVW-Trainer: „Wir haben gefühlt das gesamte Spiel geführt. Am Ende müssen wir mit dem Punkt glücklich sein. In der ersten Halbzeit hat unser Tempospiel den Unterschied gemacht – das ist uns in der zweiten Halbzeit leider abhanden gekommen.“
Jürgen Rilli, Sportlicher Leiter des TSB: „Ein Sieg für uns wäre Glück gewesen, aber auch eine Belohnung für die Mannschaft. Sie hat die taktischen Vorgaben genau umgesetzt und sich nie aufgegeben. Auch dass wir immer wieder in Rückstand geraten sind, hat uns nicht umgehauen. Wir sind immer wieder aufgestanden. Dass wir diese Tugenden und eine richtig gute Körpersprache gezeigt haben, macht Mut.“
Andreas „Rudi“ Rascher, TSB-Co-Trainer: „Das ist ganz klar ein gewonnener Punkt für uns. Vor ein paar Wochen wären wir noch nicht so weit gewesen, um einen Fünf Tore-Rückstand aufzuholen. Die Mannschaft hat wirklich Moral gezeigt, das muss man anerkennen und darauf lässt sich aufbauen. Ich hoffe, dass es jetzt im Kopf `Klick´ gemacht hat und wir mit dieser Einstellung den Abstiegskampf annehmen.“
Max Dangelmaier, siebenfacher Gmünder Torschütze: „Nach der Heimniederlage gegen Herrenberg hatten wir einen kleinen Moralschaden, doch an diesen Punktgewinn können wir uns klammern. Klar wäre es ein riesiger Motivationsschub gewesen, wenn wir ein solches Spiel noch in letzter Sekunde zu unseren Gunsten entscheiden können. Letzten Endes muss man auch anerkennen, dass Sebi Fabian im Tor einen richtig guten Tag hatte und uns viele Fehler verziehen hat. Ein Punkt aus den ersten beiden Spielen im neuen Jahr ist unterm Strich vielleicht zu wenig. Nichtsdestotrotz müssen wir jetzt weitermachen und schauen, dass wir den elften oder zwölften Platz ins Visier nehmen.“
Wolfgang Bächle, TSB-Rechtsaußen: „Ich bin mir sicher, dass mein letzter Wurf mit der Sirene im Tor war und er eigentlich hätte zählen müssen. Es wäre das I-Tüpfelchen auf unsere starke Leistung gewesen. Wir sind fast immer in Rückstand gelegen, haben aber die Köpfe nicht hängen lassen und bis zum Schluss daran geglaubt.“
(Text und Bilder: Nico Schoch)