Start verschlafen, verdient verloren

Missglückter Saisonstart für den amtierenden württembergischen Meister: Vor 650 Zuschauern in der Großen Sporthalle bietet der TSB Gmünd über weite Stecken eine enttäuschende Vorstellung und muss gegen Mitaufsteiger HC Neuenbürg eine empfindliche 28:31 (11:16) – Niederlage hinnehmen.

491 Tage waren seit dem bitteren Abstieg vergangen, die ersehnte Rückkehr in die Oberliga jedoch hatte man sich beim TSB Gmünd vollkommen anders vorgestellt. Doch anstelle von einem ersten Erfolgserlebnis stand für die Mannschaft von Trainer Stefan Klaus letztlich ein erster Dämpfer gegen einen Kontrahenten, für den es ebenso in erster Linie um den Klassenerhalt gehen wird. "Vielleicht hat es sogar entscheidend zu unserem Sieg beigetragen, dass wir mittlerweile an fremde Hallen gewöhnt sind", befand Gästetrainer Erkan Öz angesichts der Tatsache, dass sein Team die gesamte Saisonvorbereitung aufgrund von Dacharbeiten nicht in der heimischen Stadthalle bestreiten konnte.
 
Und tatsächlich waren die Neuenbürger auch bei ihrem erstmaligen Gastspiel in der Stauferstadt von Beginn an tonangebend. Aus Gmünder Sicht war es eine erste Halbzeit zum Vergessen, die mit einer Gedenkminute für den im Sommer verstrobenen, engagierten TSBler Jürgen Hieber begonnen hatte. Den zu erwartenden Elan der zurückliegenden Aufstiegssaison ließen lediglich die Nordbadener erkennen, die sofort ein 3:0 vorlegten. Genau diesem Abstand sollten die Hausherren für den Rest der Spielzeit hinterherlaufen. Erst nach fünf Minuten gelang Yannik Leichs der erste Gmünder Treffer. Auch in der Folgezeit waren es die beiden Youngster Leichs und Sven Petersen, die dem Spiel ihren Stempel aufdrückten und dafür sorgten, dass sich der TSB nach dem völlig verschlafenen Start in die Partie zurückkämpfte. Im Angriff allerdings war klar zu erkennen, dass die Feinabstimmung noch fehlt. Der 9:10-Anschlusstreffer durch Linksaußen Aleksa Djokic, einer von insgesamt sechs Neuzugängen, war eine der wenigen gelungenen Aktionen. Kurz darauf hatte der für den völlig blass geblieben Spielmacher Aaron Fröhlich hereingekommene Thomas Grau die Chance zum Ausgleich, doch er traf nur die Latte. Es hätte der mögliche Wendepunkt sein können, stattdessen jedoch wurden die Gmünder noch einmal kalt erwischt. Die "Foxes" aus Neuenbürg bestraften jeden Fehler eiskalt und erzielten mit fünf Treffern innerhalb von nur vier Minuten erstmals einen klaren Vorsprung. Unmittelbar vor der Pause traf Timo Bäuerlein mit einem Wurf über das gesamte Spielfeld hinweg ins Gmünder Gehäuse zum 11:16.
Das Unterfangen Aufholjagd schien für den TSB bereits kurz nach Wiederanpfiff geplatzt zu sein. Der HCN erhöhte auf 13:20 (35.) und so nahm Klaus prompt die nächste Auszeit, um seine Mannen wachzurütteln und ersetzte Sebastian Fabian im Tor durch Neuzugang Daniel Mühleisen. Was man den Hausherren nicht vorwerfen konnte, dass sie sich aufgegeben oder kämpferisch nicht dagegen gehalten hätten. Dank Petersens Durchschlagskraft aus dem Rückraum und auch bedingt dadurch, dass Djokic und Bächle auf Außen immer öfter in Szene gesetzt wurden, lagen die Blau-Gelben beim 19:22 (45.) wieder in Schlagdistanz. Der wirkliche "Kick" und die nötige Effizienz fehlten aber, um doch noch die Wende herbeizuführen. Mit einer Energieleistung und einfachen Kontertoren holte sich Neuenbürg den Fünf Tore-Vorsprung zurück, beim 24:29 (56.) durch den sechsfachen Torschützen Raphael Blum war die Messe gelesen. Der folgende Doppelschlag von Petersen ließ kurzzeitig noch einmal Hoffnung aufkeimen, bedeutete letztlich aber nicht mehr als ein wenig Ergebniskosmetik und so zog der TSB im Aufsteigerduell zurecht mit 28:31 den Kürzeren.
 
Die große Erkenntnis nach dem misslungenen Ligastart lautet aus Gmünder Sicht, dass die Integration der Neuzugänge wohl doch mehr Zeit benötigt als im Vorfeld erwartet. "Natürlich hatten wir von uns selbst erwartet, dass wir dem Aufsteiger aus Baden besser Paroli bieten und beide Punkte in eigener Halle behalten können", resümierte Stefan Klaus, "allerdings haben wir einen nicht zu unterschätzenden Umbruch hinter uns. Die Spieler müssen noch in das System hineinwachsen." Diesen Punkt will der Trainer aber keinesfalls als Ausrede vor allem für die schwache erste Halbzeit stehen lassen, in der kaum ein Gmünder Akteur Normalform erreicht hatte.
 
Es geht Schlag auf Schlag und die Herausforderungen werden keinesfalls einfacher. Bei der SG H2Ku Herrenberg, die ihre Drittliga-Ambitionen mit einem 30:21-Erfolg in Neckarsulm gleich einmal eindrucksvoll untermauerte, erwartet den TSB am kommenden Samstag laut Klaus eine "Herkulesaufgabe." Der Sportliche Leiter Jürgen Rilli blickt wie folgt voraus: "In Herrenberg erwarte ich keinen Sieg, aber dass wir von Beginn an topfit auf dem Feld stehen und eine Reaktion zeigen."
 
TSB: Sebastian Fabian, Daniel Mühleisen – Sven Petersen (7), Yannik Leichs (5), Aaron Fröhlich (5/4), Wolfgang Bächle (4), Aleksa Djokic (4), Jonas Waldenmaier (2), Thomas Grau (1), Stephan Mühleisen, Christian Waibel, Dominik Sos
HCN: Florin Panazan, Janick Nölle – Xaver Nitzke (6), Marco Langjahr (6), Raphael Blum (6), Felix Kracht (6/2), Timo Bäuerlein (3), Georg Kern (2), Marius Angrick (1), Philipp Karasinski (1), Findan Krettek, Nikolaj Unser
Siebenmeter: TSB 4/4 – HCN 4/2
Zeitstrafen: TSB 10 Minuten – HCN 6 Minuten
Schiedsrichter: Alexander Hähnel (SG Heidelsheim/Helmsheim), Roland Hofmann (TSV Amicitia Viernheim)
Zuschauer: 650
 
"Viel zu viele offene Baustellen" – Die Stimmen zum Spiel
Das Aufsteigerduell in der BW-Oberliga hat zwei völlig verschiedene Gefühlswelten hinterlassen. Enttäuschte Gmünder trauern dabei vor allem ihrer schwachen Chancenverwertung nach und wollen am kommenden Wochenende beim ersten Auswärtsspiel in Herrenberg die dringend benötigte Reaktion folgen lassen.
 
Stefan Klaus, TSB-Trainer: "Als Aufsteiger müssen wir zuhause unsere Punkte holen, das haben wir nicht geschafft. Es war ein nicht unverdienter Sieg für Neuenbürg, das müssen wir uns ehrlich eingestehen. Stand jetzt ist die Enttäuschung deshalb riesengroß. Wir müssen uns bewusst sein, dass wir nicht mehr in der Württembergliga sind. Es sind viel zu viele Baustellen offen geblieben, sei es in der Chancenverwertung oder in den Eins-gegen-Eins Situationen. Trotz allem haben wir nur eins von 30 Spielen verloren, 58 Punkte sind noch zu vergeben. Ich denke, wir haben auch gute Sachen gesehen und dürfen nun nicht alles schlecht reden. Heute aber sind zu viele Dinge gegen uns gelaufen. Das nötige Quäntchen hat gefehlt, damit wir zumindest ein Unentschieden erreichen. Wir dürfen den Kopf nun nicht in den Sand stecken. Jeder Einzelne muss hart an sich arbeiten, damit wir in Herrenberg Wiedergutmachung betreiben können."
 
Erkan Öz, HCN-Chefcoach: "Ich bin hochzufrieden damit, wie engagiert meine Mannschaft aufgetreten ist. Wir hatten eine sehr tolle Phase im Spiel und diese auch ausgenutzt. Zwischendurch gab es zwar einen Durchhänger, doch den hatte Gmünd ebenso. Wir haben den Kopf immer oben behalten und uns den Sieg verdient. Das Ergebnis hätte enger ausfallen können und man hat gemerkt, dass auf beiden Seiten ein paar Leute gefehlt haben oder nicht richtig fit waren. Ich zahle gerne ins Phrasenschwein ein, aber wir denken weiter von Spiel zu Spiel. Der Gegner oder die Halle ist uns egal, wir wollen einfach nur punkten und den Klassenerhalt schaffen, genauso wie die Hälfte der Liga auch."
 
Jürgen Rilli, Sportlicher Leiter TSB Gmünd: "In der ersten Halbzeit waren wir definitiv noch nicht in der Oberliga angekommen, da war ich mit dem Kampf und dem Einsatzwillen überhaupt nicht zufrieden. Wir haben den Kontakt zum Gegner nicht gefunden und uns mit einfachen Schlagwürfen überlisten lassen. Sebi Fabian war deshalb auf sich allein gestellt. Sobald wir unter Druck sind, passieren Fehler. Deshalb haben wir uns den Start ganz anders vorgestellt."
 
Yannik Leichs, bester Gmünder Torschütze: "Wir hatten uns vorgenommen, zuhause die ersten beiden Punkte einzufahren, und sind nun entsprechend enttäuscht über das Ergebnis. In der Abwehr sind wir noch nicht so gut abgestimmt, wie wir es selbst erwartet haben. Im Abschluss waren wir zu inkonsequent und haben den Torwart gleich zu Beginn eingeworfen. Es liegt an Kleinigkeiten bei der Zuordnung, so dass wir zu einfache Tore bekommen. Acht Tore Unterschied sind in der Oberliga nur selten aufzuholen, da muss schon alles klappen. Es spricht aber für die Mannschaft, dass wir noch einmal auf drei Tore herangekommen sind. Nächste Woche haben wir nichts zu verlieren und können Herrenberg auf jeden Fall ärgern."
 
Daniel Mühleisen, TSB-Tormann: "Wir haben verdient verloren und müssen uns in den nächsten Wochen deutlich steigern. Mich nervt es, dass ich doch ein paar unglückliche Gegentore kassiere und an einigen Bällen dran war, die eigentlich halten sollte. Insgesamt waren wir in der Abwehr einen Schritt zu langsam und haben im Angriff zu sehr aus dem Stand anstatt aus der Bewegung agiert."
 
Aleksa Djokic, TSB-Linksaußen: "Es war meine Premiere und ich war sehr glücklich über die volle Halle und die tollen Fans, aber eben auch sehr traurig über die beiden Minuspunkte. In der ersten Halbzeit hatten wir im Angriff zu viele technische Fehler. Nach der Pause haben wir kämpferisch alles gegeben, aber in vielen Aktionen kein Glück. Wir müssen den Kopf oben behalten."

(Text: Nico Schoch / Bilder: Jan-Philipp Strobel)