Beinahe hätte sich der TSB Gmünd zum zweiten Mal in dieser Saison einen unnötigen Punktverlust gegen die SG Hegensberg-Liebersbronn geleistet. Ähnlich wie beim 35:35-Hinspielremis geriet der Spitzenreiter gegen die kampfstarken "Berghandballer" ordentlich ins Schwitzen, hatte dann aber doch das glückliche Ende für sich. So kehrte das Team von Trainer Stefan Klaus am späten Freitagabend mit einem nicht unverdienten 32:31-Auswärtserfolg zurück, übernahm die alleinige Tabellenführung und rüstet sich nun für das wegweisende Topspiel gegen Verfolger Heiningen.
"Hauptsache gewonnen", so lautete der Haupttenor im Gmünder Lager nach dem mehr als mühevollen Wiedereinstieg in den Ligaalltag nach fünfwöchiger Pause. "Man muss eben auch dreckige Siege holen", bilanzierte Linksaußen Felix Häfner nüchtern. Währenddessen hätte Jürgen Rilli, Sportlicher Leiter des TSB, sicherlich mit einem Lächeln einige Münzen ins Phrasenschwein geworfen für seine Aussage, dass man gerade solche Partien gewinnen müsse, um das noch ferne Ziel zu verwirklichen: Den Wiederaufstieg in die Oberliga.
Um es kurz zu machen: Der TSB ist bei seinem Gastspiel im Esslinger Norden nur in ganz kurzen Abschnitten wie ein Titelkandidat aufgetreten. Das lag allerdings auch daran, dass der Gegner dem Favoriten über 60 Minuten hinweg alles abverlangte. Auf dem Papier ein Abstiegskandidat angesichts von nur vier Zählern Vorsprung zur Gefahrenzone, präsentierte sich "HeLi" weitaus stärker, als es der zwölfte Tabellenrang auszusagen vermag. "Ich verstehe nicht, wie diese Mannschaft so weit hinten stehen kann", sollte Wolfgang Bächle später zu Protokoll geben. Der agile Rechtsaußen, der trotz starker Erkältung auf die Zähne biss, erzielte die ersten beiden Gästetreffer hin zum 2:2 (4.). Bereits in der Anfangsphase wurde dem Spitzenreiter die Höhe der Auswärtshürde bewusst, denn er geriet mit 3:6 (9.) ins Hintertreffen und ließ im Angriff jegliche Präzision vermissen. Besonders die gegen die Rückraumstrategen Aaron Fröhlich und Dominik Sos gerichtete offensive Deckungsformation bereitete den Gmündern einige Schwierigkeiten. "Dadurch bin ich gar nicht oft in eine geeignete Wurfposition gekommen", so Fröhlich. Für den Top-Torjäger der Liga (144 Tore in 17 Partien) fiel die Ausbeute mit fünf eigenen Torerfolgen letztlich sehr mager aus, doch zumeist blieb nur der Weg über die Außenpositionen. Zunächst Jan Häfner vom linken und dann wiederum Bächle vom rechten Flügel drehten den Spielstand nach einer Viertelstunde auf 8:9. Sven Petersen erhöhte kurzzeitig auf 10:12 (23.), doch die Hausherren ließen sich in keinster Weise beeindrucken. Beim 14:13 (27.) hatte sich das Blatt erneut gewendet, ehe Sos und Petersen den TSB wieder in Front warfen. Beim Stand von 16:16 ging es in die Pause und so befand der mitgereiste Gmünder Fußball- als auch Handballfan Claus "Bredi" Breitenberger treffend: "Ein tolles Spiel und ein gerechtes Unentschieden." Einen Schönheitspreis hatte die hektische und teils vogelwilde Begegnung sicherlich nicht verdient. Doch gerade deshalb war der Unterhaltungwert hoch, so dass keiner der lediglich 120 Zuschauer seinen Verzicht auf das parallel verlaufende WM-Halbfinale bereuen musste.
Auch nach dem Seitenwechsel war die Stimmung auf den Rängen unverändert gut, während der TSB auf dem Parkett seine beste Phase im gesamten Spiel zeigte und mit einem 3:0-Lauf in den zweiten Durchgang startete. Angetrieben durch starke Paraden von Rückhalt Sebastian Fabian bauten die Gäste ihren Vorsprung bis auf 17:21 (35.) aus, doch mit dieser kurzzeitigen Herrlichkeit war es schnell vorbei. Der Gmünder Abwehrverbund, an diesem Abend ungewohnt löchrig, schaffte es zu keiner Zeit, die gegnerischen Rückraumschützen an die Kette zu legen und auch Fabian blieb zumeist nur das Nachsehen. Einen Drei Tore-Abstand hielt die Klaus-Sieben zwar weiterhin aufrecht, doch immer wieder schlichen sich Unkonzentriertheiten in das wenig flüssige Offensivspiel ein. Zwei schnelle Gegenstöße binnen 30 Sekunden führten zum 25:26 (47.) und prompt war HeLi wieder in Schlagdistanz. Mit einer Glanztat verhinderte Fabian den Ausgleich, auf der Gegenseite markierte der frisch in die Partie gekommene Yannik Leichs mit feinen Einzelaktionen in Unterzahl zwei ganz wichtige Tore und verdiente sich dafür ein Sonderlob seines Trainers. "Er hat in einer ganz wichtigen Phase Verantwortung übernommen und ist in die Bresche gesprungen, da es für unseren Rückraum nicht wirklich gut lief", so Klaus über den 18-Jährigen. Das 27:29 (51.) war bereits Leichs´ vierter Treffer, doch es blieb weiterhin spannend. Der TSB leistete sich zwei fatale Ballverluste, mit einem unhaltbaren Schlagwurf markierte Hegensbergs Spielmacher Fabian Sokele den 30:30-Gleichstand (55.). Den Gmündern sollte kein weiterer Treffer aus dem Spiel heraus gelingen, stattdessen hielt Dominik Sos höchstem Druck stand und sorgte durch zwei verwandelte Strafwürfe für das 30:32 (57.). Eine Vorentscheidung war aber mitnichten gefallen, denn der am Kreis freigespielte Marvin Schatz verkürzte noch einmal für HeLi, während Bächle gleich zwei Kontersituationen ungenutzt ließ. "In der ersten Szene bekomme ich im vollen Lauf noch eine Berührung meines Gegenspielers und werfe neben das Tor, beim zweiten Mal wollte ich zu überhastet zu Lukas Waldenmaier zurückspielen", erklärte er später selbstkritisch. Erschwerend hinzu kam, dass Sos im fünften Versuch erstmals aus sieben Metern scheiterte und den Hausherren im Anschluss 57 Sekunden für den letzten Angriff verblieben. Beinahe hätte der TSB ein unheilvolles Déjà-vu zum Hinspiel erspielt, als man im letzten Moment noch den 35:35-Ausgleich kassierte. Dieses Mal jedoch retteten die Gmünder ihren Sieg über die Zeit: Zunächst wurde Linksaußen Christian Bayer zwar schön eingesetzt, doch er scheiterte an Fabian. Die SG blieb zwar in Ballbesitz, doch der finale Pass flog ins Seitenaus und so war der Tabellenführer von seinem Zittern erlöst.
"Wenn wir an diese Leistung anknüpfen können, müssen wir uns um den Klassenerhalt keine Sorgen mehr machen", resümierte HeLi-Trainer Jochen Masching zwar enttäuscht über den Spielausgang, aber durchaus zufrieden mit der beherzten Leistung seiner Truppe. Sein Gegenüber Stefan Klaus zollte dafür ebenfalls Respekt: "Dieser Auswärtssieg kann für uns noch richtungsweisend sein. Denn wenn Hegensberg in dieser Verfassung weiter macht, werden dort nicht viele Mannschaften gewinnen." Da der insgesamt durchwachsene Auftritt beim TSB einige Fragezeichen für das bevorstehende Topspiel gegen den Tabellenzweiten aus Heiningen offen ließ, richtete Klaus seinen Blick aber umgehend nach vorne: "Uns erwartet ein mögliches Finalspiel vor großartiger Atmosphäre. Um Heiningen in die Schranken zu weisen, werden wir uns aber in allen Belangen steigern und vor allem besser verteidigen müssen." Dass der Konkurrent aber keinesfalls unverwundbar ist, davon konnte sich Klaus am Samstag höchstpersönlich überzeugen: In heimischer Halle unterlag Heiningen (2.Platz / 28:6 Punkte) dem viertplatzierten SKV Unterensingen mit 31:32, vergab in der Schlusssekunde per Siebenmeter die Riesenchance auf das Unentschieden und musste so dem TSB (1./30:4) die alleinige Tabellenführung überlassen. Am kommenden Samstag liegt der Druck also auf Seiten der Gäste, wie Jürgen Rilli meint: "Es wird ein wegweisendes Duell, weil im Anschluss weitere schwere Auswärtsspiele auf Heiningen warten. Ich bin überzeugt davon, dass unsere Mannschaft auf den Punkt hin top vorbereitet sein und ein völlig anderes Bild abgeben wird als noch in Hegensberg."
Trotz des mühevollen Auswärtssieges hätte das Wochenende für den TSB also kaum besser verlaufen können. Und zugleich sind sich die Gmünder bewusst: Das Rennen um die Meisterschaft nimmt jetzt erst richtig an Fahrt auf.
SG HeLi: Adrian Beurer, Max Hettich – Henning Richter (6), Pascal Geyer (5), Wolfgang Zeh (5), Arne Helms (5/1), Marvin Schatz (4), Fabian Sokele (3), Lucas Schieche (2), Dominic Fischer (1), Christian Bayer, Moritz Hettich, Tobias Funk
TSB: Sebastian Fabian – Wolfgang Bächle (7), Dominik Sos (7/4), Sven Petersen (5), Aaron Fröhlich (5), Yannik Leichs (4), Felix Häfner (2), Jan Häfner (1), Jonas Waldenmaier (1), Christian Waibel, Lukas Waldenmaier, Hendrik Prahst
Siebenmeter: SG 1/1 – TSB 6/4
Zeitstrafen: SG 14 Minuten – TSB 8 Minuten
Schiedsrichter: Patrick Neumann (SG BBM Bietigheim), Markus Sanwald (HSG Leinfelden-Echterdingen)
Zuschauer: 120
"Das war keine Glanzleistung" - Stimmen zum Spiel
"Das war keine Glanzleistung" - Stimmen zum Spiel
Die SG Hegensberg-Liebersbronn war der erste Stolperstein nach der fünfwöchigen Winterpause und nur mit viel Mühe war es dem TSB gelungen, diesen erfolgreich zu umgehen. So herrschte nach dem knappen Auswärtssieg auf Gmünder Seite vor allem Erleichterung über zwei hart erkämpfte, aber umso wertvollere Punkte.
Stefan Klaus, TSB-Trainer: "Ich bin unheimlich froh, dass wir beide Punkte mitgenommen haben. Negativ anlasten muss ich, dass wir uns das Leben selbst schwer gemacht haben und den Sack viel früher hätten zu machen müssen. In den entscheidenden Phasen waren wir unclever, haben die Übersicht verloren und so den Gegner wieder ins Spiel gebracht. In der Abwehr haben wir es nicht geschafft, so kompakt gegen den Rückraum plus Kreisläufer zu stehen, wie wir es uns vorgenommen hatten. Gerade in den Momenten, in denen sie mit Schwung gekommen sind, hätte ich mir mehr Entschlossenheit und auch gegenseitiges Aushelfen gewünscht. Daran gilt es nun zu arbeiten und am kommenden Samstag auch Heiningen in die Schranken zu weisen. Damit das gelingt, müssen wir offensiv noch mehr Durchschlagskraft aus dem Rückraum an den Tag legen."
Jürgen Rilli, Sportlicher Leiter: "Dieses Mal hatten wir das glückliche Ende für uns. Aber wenn du aufsteigen willst, musst du solche Spiele natürlich gewinnen. Auch wenn ich mit der Mannschaft insgesamt nicht zufrieden war, so ist dieser knappe Sieg doch ein Indiz dafür, dass sie wirklich reif ist, um ganz vorne mitspielen zu können. Ich hätte mir eine höhere Aggressivität und eine bessere Körpersprache erhofft, oft haben wir zu sehr mit den Schiedsrichtern und den Mitspielern gehadert. Deshalb müssen wir in dieser Trainingswoche unser Zweikampfverhalten intensivieren, sonst haben wir gegen Heiningen keine Chance. Doch die Mannschaft hat bereits in der Hinrunde bewiesen, dass sie mit ihrer Qualität und ihrem Charakter auch aus solchen Spielen gestärkt hervorgehen wird."
Wolfgang Bächle, siebenfacher Torschütze: "Wir haben bereits im Hinspiel gemerkt, dass uns dieser Gegner nicht liegt. Dieser Sieg war für uns umso wichtiger, denn gerade solche ´Big Points´ können in dieser Saison entscheidend sein. Doch es war sicher keine Glanzleistung von uns, vor allem in der Abwehr haben wir zu viel zugelassen. Wenn ich am Ende cool bleibe, dann wären wir gar nicht mehr in die gefährliche Situation geraten."
(Text und Bilder: Nico Schoch)
(Text und Bilder: Nico Schoch)