Handball, Baden-Württemberg-Oberliga: Der TSB Gmünd verliert sein Schlüsselspiel beim TSV Blaustein deutlich mit 28:21 (14:10)
Von Nico Schoch
Das erste von drei verbleibenden "Endspielen" im Oberliga-Abstiegskampf endete für den TSB Gmünd mit einem Desaster: Beim direkten Konkurrenten TSV Blaustein erreichte das Hieber-Team zu keiner Zeit Normalform und unterlag folgerichtig mit 28:21 (14:10). Angesichts des neuerlichen Rückschlages verbleibt dem TSB nur noch ein kleiner Hoffnungsschimmer auf den Klassenverbleib.
Die sich dem Ende zuneigende Oberliga-Spielzeit bleibt für die Gmünder damit eine schwungvolle Achterbahn der Gefühle: Vergangene Woche hatte man beim 38:32-Heimsieg über Viernheim noch einen großen Schritt in die richtige Richtung getätigt, so erfolgte beim Gastspiel in Blaustein ein erneuter Rückschlag. Einmal war es ein Abend zum Vergessen für das schwächste Auswärtsteam der Liga, welches den hundertprozentigen Siegeswillen anscheinend daheim vergessen hatte. Den TSBlern mangelte es über weite Strecken an allen Tugenden und Attributen, die im Abstiegskampf von Nöten sind: Kampfgeist und Gegenwehr fehlten ebenso wie die finale Entschlossenheit und Konsequenz in den eigenen Aktionen. In dieser Verfassung waren die Gmünder in fremder Halle bereits zum zwölften Mal in dieser Saison nicht mehr als ein willkommener Punktelieferant. Freilich ist für den TSB noch alles möglich und zumindest Relegationsplatz 12 liegt noch in Reichweite – doch insgesamt bot ein erschreckend schwacher Auswärtsauftritt nur wenig Aspekte, welche Hofffnung für die zwei ausstehenden Begegnungen machen.
Im möglicherweise vorentscheidenden Duell der zuvor punktgleichen Kellerkinder gelang Wolfgang Bächle 72 Sekunden nach dem Anwurf die erstmalige und einzige Führung zugunsten der Gäste. Doch nachdem Dominik Sos kurz darauf einen ersten Strafwurf kläglich vergab und Steffen Spiß wiederum nach vier Minuten den 1:1-Gleichstand markierte, nahm das Unheil seinen Lauf. Im mit 550 Zuschauern vollbesetzten Hexenkessel der Lixsporthalle hatten die Hausherren zunehmend Oberwasser. Sos konnte beim 4:4 letztmals ausgleichen, ehe im Gegenzug Philipp Frey mit vier Toren in Folge seine Qualität unter Beweis stellte, welche den Blausteiner Linksaußen mit aktuell 218 Saisontreffern zum zweitbesten Torjäger der BWOL machen. Die Gmünder hingegen sollten diesem 8:4-Rückstand im weiteren Spielverlauf erfolglos hinterher hecheln, was vor allem der schwachen Offensivleistung verschuldet war. Viel zu harmlos und berechenbar agierten die TSB-Angreifer, welche durch ihre einfache Ballverluste zugleich dem Gegner zahlreiche Kontersituationen ermöglichten. "Eine Vollkatastrophe", so monierten nicht wenige der mitgereisten Fans. Statt der erhofften Dynamik verließen sich die Blau-Gelben zumeist auf Einzelaktionen, doch gerade die zentrale Achse mit Spielmacher Aaron Fröhlich im Duett mit Kreisläufer Jonas Waldenmaier hatte einen äußerst schwachen Tag erwischt. Auch Bächle und Sos hatten wenig Abschlussglück, mehrere Aluminiumtreffer taten ihr Übriges. Zu selten gingen die Gmünder an die vom Trainer allzu oft geforderte Schmerzgrenze und fanden dementsprechend wenige Lücken in der Blausteiner Defensive. "Die meisten Spieler sind nicht bereit, Verantwortung zu übernehmen", kritisierte Hieber. Seine Mannen offenbarten erneut auch einen Schwachpunkt, der sich wie ein roter Faden durch das Jahr zieht: Angesichts einer Quote von drei Treffern bei insgesamt sechs Versuchen war die eklatante Schwäche beim Siebenmeterwurf unübersehbar. Während der zumeist solide Mittelblock um Simon Frey und Christian Waibel für den TSB der Fels in der Brandung war, konnten die Gastgeber im ersten Durchgang aber auch das Torhüterduell klar für sich entscheiden. Während TSV-Rückhalt Yannik Ruhland zur Höchstform aufgelaufen war, bekam Sebastian Fabian auf der Gegenseite kaum einen Ball zu fassen, vereitelte aber immerhin mit der Pausensirene einen von Philipp Frey abgeschlossenen Kempa-Trick. Der Zwischenstand von 14:10 war absolut leistungsgerecht, doch die Gmünder lagen trotz einer enttäuschenden Leistung durchaus noch in Reichweite.
Genau aus diesem Grund fanden die TSB-Akteure nach Spielende auch keinerlei Erklärungen über die Art und Weise, wie direkt nach dem Seitenwechsel auch der letzte Hoffnungsschimmer dahinschwand. Durch zwei Rückraumwürfe sowie drei schnelle Gegenstöße erhöhte der TSV nach 36 Minuten auf 19:11 und lenkte die Partie somit frühzeitig in sichere Bahnen. Michael Hieber ärgerte sich in dieser Phase insbesondere über zu spät geahndete Zeitspiel-Situationen und darüber, wie harmlos seine Mannen auch in Überzahl agierten. "Ein solcher Negativlauf ist immer auch ein Zusammenspiel von vielen Faktoren", so der Gmünder Coach, der dem Team ein "psychologisches Problem" attestierte. Denn die Hausherren waren in der zweiten Hälfte nicht nur spielerisch, sondern auch kämpferisch und moralisch hochüberlegen. Zwar steigerte sich TSB-Keeper Fabian und Sos konnte durch einen schnellen Doppelschlag auf 21:16 verkürzen, doch dies war mehr ein Strohfeuer denn eine ernsthafte Aufholjagd. Die Stauferstädter wirkten verkrampft und mutlos, während Blaustein seinen Vorsprung kaltschnäuzig und souverän verwaltete. Erschwerend hinzu kam aus Gmünder Sicht die Disqualifikation für Christian Waibel, der seinen Gegenspieler Christoph Spiß äußerst unsanft ausbremste und anschließend selbstkritisch sagte: "Diese Rote Karte kann man durchaus geben." Die Gäste gingen in der verbleibenden Spielzeit noch einmal volles Risiko und Hieber setzte konsequent auf den siebten Feldspieler, was durch den erfolgreichen Distanzwurf von TSB-Keeper Ruhland zum 25:17 aber umgehend bestraft wurde. Somit war die Entscheidung gefallen, dass die im Hinspiel mit 31:27 siegreichen Gmünder auch den direkten Vergleich gegen nicht mehr für sich entscheiden würden. Mehr als eine geringe Ergebniskosmetik sollte dem Hieber-Team nicht mehr gelingen, Youngster Sven Petersen setzte den Schlusspunkt zum 28:21-Endresultat.
Nach der auch in dieser Höhe vollkommen verdienten Niederlage herrschte im Gmünder Lager weitgehend Ratlosigkeit. Denn dieser neuerliche Rückschlag könnte bereits eine Vorentscheidung im Abstiegskampf bedeuten: Jedenfalls befinden sich die Remstäler spätestens jetzt auf dem direkten Wege hinab in die Württembergliga. Stand dem TSB das Wasser zuvor bereits bis zum Hals, so ringt man nunmehr verzweifelt nach Luft. Im letzten Heimspiel am kommenden Samstag (19:30 Uhr) gegen den zweitplatzierten TV Willstätt greift der Tabellendrittletzte nach dem allerletzten Strohhalm, um doch noch ein weiteres Endspiel beim Saisonfinale in Lauterstein erzwingen zu können. Dem bedrohlichen Trend zum Trotz hat Michael Hieber die eigene Mannschaft noch längst nicht abgeschrieben: "Totgesagte leben bekanntlich länger."
TSV: Yannik Ruhland (1), Lars Wittlinger – Philipp Frey (8/2), Jan-Marco Behr (5), Jakob Werner (5), Christoph Spiß (2), Steffen Spiß (2), Patrick Rapp (2), Joshua Hoffeld (1), Tobias Weiler (1), Rupert Wieja (1), Markus Hellmann, Jannik Staiger
TSB: Sebastian Fabian – Dominik Sos (7/2), Wolfgang Bächle (3), Aaron Fröhlich (3/1), Sven Petersen (2), Jonas Leinß (2), Jonas Waldenmaier (2), Jan Häfner (1), Philipp Schwenk (1), Yannik Leichs, Christian Waibel, Simon Frey
Rote Karten: Marco Hoßfeld (54./Dritte Zeitstrafe) – Christian Waibel (46./Grobes Foulspiel)
Schiedsrichter: Andrej Großmann (TSV Denkendorf), Alexander Kern (TV Plieningen)
Zuschauer: 550
"Wir waren in allen Belangen unterlegen" - Stimmen zum Spiel
(sch) Das Schlüsselspiel in Blaustein hat dem TSB Gmünd anstatt dem erhofften Erfolgserlebnis einen frustrierenden Tiefschlag beschert. Der Abstieg in die Württembergliga droht bittere Realität zu werden, weshalb nach Spielende bei den meisten TSB-Akteuren Sprachlosigkeit über den schwachen Auftritt herrschte.
Michael Hieber (TSB-Coach): "Über das Auftreten meiner Mannschaft bin ich extrem enttäuscht. Wir haben eigentlich ganz gut in das Spiel hineingefunden. Der Unterschied lag dann darin, dass wir zu viele freie Würfe und Siebenmeter vergeben haben. Unterm Strich hat uns die Konsequenz gefehlt. Im Verband haben wir auch gut verteidigt, dann aber zu viele individuelle Fehler gemacht. Wir sind nur im Kollektiv stark, aber das Selbstvertrauen hat uns gefehlt und so sind wir immer weiter verkrampft, bis gar nichts mehr ging. Wir haben auf ganzer Linie enttäuscht. Es war ein kollektives Versagen, auch im Trainerteam. Doch wir dürfen uns jetzt nicht in gegenseitige Schuldzuweisungen verstricken. Solange rechnerisch noch alles möglich ist, werde ich einen Teufel tun, diese Saison schon vorzeitig abzuhaken."
Tim Graf (Blausteiner Trainer): "Wir wussten um die Gmünder Stärken und haben diese nach einer schwierigen Anfangsphase immer besser in den Griff bekommen. Wir haben unseren Matchplan beinahe perfekt umgesetzt. So war es ein vollkommen verdienter und letztlich ungefährdeter Sieg, der uns sehr gut tut. Wir können mit dieser Vorstellung zufrieden sein, dürfen uns aber keinesfalls auf diesem Erfolg ausruhen. Dass wir nun auf einem Nichtabstiegsplatz liegen, nimmt uns zumindest ein Stück weit den Druck."
Simon Frey (TSB-Routinier): "Ich bin einfach nur sprachlos."
Philipp Frey (TSV-Torjäger): "Dieser Sieg hat richtig gut getan, aber wir sind längst noch nicht über den Berg. In dieser Liga ist weiterhin alles möglich und auch Gmünd hat sicher noch Chancen auf den Klassenerhalt."
Aaron Fröhlich (Gmünder Spielmacher): "Beide Mannschaften sind mit dem gleichen Druck in das Spiel gegangen, aber wir waren dem Gegner in allen Belangen unterlegen. Natürlich hatten wir in vielen einfach auch kein Glück, vor allem im Abschluss. Insgesamt müssen wir uns aber eingestehen, dass wir in den letzten Monaten keine Weiterentwicklung zeigen. Die Konsequenz davon ist, dass wir derzeit nicht die Qualität haben, um uns durchzusetzen. Doch im Sport ist immer alles möglich, an dieser Hoffnung müssen wir uns nun klammern."
Christian Waibel (TSB-Abwehrchef): "Wir haben nur teilweise eine gute Abwehr gespielt. Dass wir im Zeitspiel von vielen verschiedenen Position Gegentore bekommen haben, war sehr kontraproduktiv. Ich kann es mir selbst nicht erklären, warum wir nach der Halbzeitpause dermaßen eingebrochen sind. Wir haben uns überrennen lassen."