Handball, Baden-Württemberg-Oberliga: Der TSB Gmünd siegt beim SV Remshalden deutlich mit 39:27 (18:10) und gewinnt damit auch den direkten Vergleich (Nico Schoch)
Das aufgrund der Tabellensituation so bedeutsame Remstal-Derby wurde zu einer unerwartet einseitigen Angelegenheit: Ein wie entfesselt auftretender TSB Gmünd spielte beim SV Remshalden in einen Rausch und setzte mit dem auch in dieser Höhe verdienten 39:27 (18:10)-Auswärtserfolg ein deutliches Statement im Abstiegskampf.
Als in der Stegwiesenhalle die letzten Sekunden abliefen, da waren die knapp 100 mitgereisten Gmünder Anhänger längst in Feierlaune und bejubelten die Glanzleistung ihres Teams mit Standing Ovations. Trainer Michael Hieber war direkt nach der Schlusssirene einer der ersten Hauptakteure, der sich mit geballten Fäusten in Richtung des eigenen Fanblocks begab. "Ich bin sehr stolz, dass die Mannschaft in dieser bestechenden Form aufgetreten ist", so beurteilte Hieber diesen wichtigen Auswärtssieg nach zuvor zwei Niederlagen.
Denn tatsächlich die Gmünder einen absoluten Sahnetag erwischt, was im Vorfeld nicht unbedingt zu erwarten gewesen war. Denn war es keinesfalls so, dass Hieber "aus den Vollen schöpfen konnte", wie der Remshaldener Hallensprecher angesichts des 14 Mann starken Kaders meinte. Denn Abwehrchef Christian Waibel ist weiterhin zum Zuschauen verdammt, Torjäger Dominik Sos wollte aufgrund seiner Fußverletzung kein unnötiges Risiko eingehen und stand lediglich als Ersatzspieler für den Notfall bereit. In den ersten zwölf Minuten benötigten die Gäste auf dem Parkett etwas Anlaufzeit, fanden jedoch über eine entschlossene Kampfleistung in die Partie hinein. Nach dem ersten TSB-Treffer durch Aaron Fröhlich hatte Remshalden umgehend zur eigenen Führung gekontert. Der hauchdünne Vorsprung hatte bis zum 6:5 Bestand, ehe Jonas Waldenmaier mit seinem ersten Torerfolg den Gleichstand herstellte. Direkt darauf mussten die Hausherren einen bedeutenden Rückschlag hinnehmen, als SV-Trainer Frederick Griesbach seinen Tormann durch einen zusätzlichen Feldspieler für den Angriff ersetzte. Genau darauf hatte sich das Hieber-Team jedoch glänzend vorbereitet, hart erkämpfte Ballgewinne nutzten die TSBler in Person von Philipp Schwenk sowie Felix Häfner zu einem ebenso schnellen wie einfachen Doppelpack. Griesbach hatte sich in dieser Situation klassisch verzockt, TSB-Rechtsaußen Wolfgang Bächle sprach von einem "Knackpunkt, durch den der Gegner unsicher geworden ist." Tatsächlich fand Remshalden in der Folgezeit keinen wirklichen Zugriff mehr auf die wie entfesselt aufspielenden Gmünder. Vor den knapp 400 Zuschauern, die eigentlich ein ausgeglichenes Derby erwartet hatten, spielten sich die Gäste förmlich in einen Rausch: Offensiv waren Fröhlich sowie Bächle tonangebend und schraubten den Spielstand nach 20 Minuten bereits auf 8:13 hinauf. Von unfassbar hohem kämpferischem Engagement war auch die Abwehrleistung geprägt: Youngster Sven Petersen hatte den SVR-Torjäger Moritz Pesch weitestgehend im Griff, Lukas Waldenmaier agierte im Zusammenspiel mit Jan Häfner äußerst zuverlässig im Mittelblock und Bächle bewies auch in der Defensive seinen hohen Stellenwert, als er mit einem Hechtsprung einen gegnerischen Kempatrick unterbinden konnte. Den folgenden Konter verwertete Lukas Waldenmaier zum 11:18. SV-Tormann Tobias Klemm, welcher im Hinspiel überragt hatte, verhinderte mit zwei Paraden zum Ende der ersten Hälfte sogar noch einen deutlicheren Zwischenstand.
"Dieses Tempo können sie nicht durchhalten", meinte ein Remshaldener Zuschauer in der Pause. Doch er sollte sich irren: Eine Aufholjagd der Gastgeber nach dem Seitenwechsel blieb aus, stattdessen konnte der TSB seinen Vorsprung durch die zahlreichen schnellen Gegenstöße konsequent in die Höhe schrauben, obwohl sogar einige Möglichkeiten ungenutzt blieben. Eine erste Vorentscheidung war nach 40 Spielminuten gefallen: Fröhlich vollendete einen 6:0-Torelauf zum beinahe uneinholbaren 14:26-Spielstand zugunsten der Gmünder. In der verbleibenden Spielzeit nutzte die Hieber-Sieben die einmalige Mögllichkeit, ihrer bärenstarken und hochkonzentrierten Leistung noch ein weiteres Sahnehäubchen aufzusetzen. Nun galt es, auch den im Abstiegskampf bei Punktgleichheit entscheidenden direkten Vergleich gegen den Mitkonkurrenten für sich zu entscheiden – was angesichts der deutlichen 22:30-Hinspielniederlage wohl nur die kühnsten Optimisten zu träumen gewagt hatten. "Das ist ein wunderbarer Nebeneffekt", freute sich Hieber, da seine Mannen das benötigte Acht Tore-Polster relativ souverän über die Zeit brachten. Beim 23:31 wähnte sich Remshalden noch einmal im Aufwind, jedoch nur kurzfristig. TSB-Kreisläufer Jonas Waldenmaier, welcher sich in der Vorwoche nur selten in Szene setzen konnte, machte mit seinem siebten Treffer an diesem Tag zum 24:35 fünf Minuten vor dem Ende auch den Sieg im direkten Vergleich vorzeitig klar. In der Schlussminute bejubelten die TSB-Fans dann auch noch den ersten Einsatz von Neuzugang Belmin Nadarevic, welcher bei seinem Debüt gleich zwei Tore innerhalb von 17 Sekunden zum 27:39-Endstand beisteuern konnte. "Das ist eine ganz tolle Geschichte für den Jungen, dennoch dürfen wir jetzt keine übertriebenen Erwartungen in ihn stecken", so Hieber über den 19-jährigen Bosnier. Einen weiteren Grund zur Freude hatte auch Wolfgang Bächle: "Für mich ist es das erste Mal im Aktivenbereich, dass ich in einem Spiel zweistellig treffe. Das war schon immer ein persönliches Ziel für mich und dass ich das erreicht habe, freut mich natürlich noch einmal zusätzlich."
Der TSB-Coach war in erster Linie stolz auf die starke Kollektivleistung seiner Mannen, welche mit einem famosen Erfolg belohnt wurde. Es war der erst zweite Gmünder Auswärtssieg in dieser Saison – und er kam genau zum richtigen Zeitpunkt. Punktemäßig konnte der TSB damit mit dem SV Remshalden gleichziehen und auf Tabellenplatz 12 vorrücken. Inmitten des Jubels trat Hieber jedoch bewusst auf die Euphoriebremse: "Auch wenn es eine Floskel ist, für uns ist nun jedes Spiel ein Endspiel. Was wir jetzt brauchen, ist Konstanz in unseren Leistungen." Im Hinblick auf das kommende Heimspiel gegen den sechstplatzierten TSV Weinsberg betont auch Bächle, dass "wir alle wissen, um was es geht und nur von Spiel zu Spiel schauen. Wir werden keinen Gegner unterschätzen."
SVR: Klemm, Mühleisen – Klein (8/3), Rascher (4), Eckstein (3), Hartenstein (3), M.Pesch (3), Holczer (2), Gries (2), Knück (1), Schwarz (1), Schweikhardt, N.Pesch
TSB: Fabian, Neukamm - Bächle (10/1), Fröhlich (8/3), J.Waldenmaier (7), Schwenk (3), Krauß (2), Nadarevic (2), F.Häfner (2), Petersen (2), J.Häfner (1), L.Waldenmaier (1), Leinß (1), Leichs
Rote Karte: Lukas Hartenstein (SVR/59./Dritte Zeitstrafe)
Schiedsrichter: Stephanie Ganter (Freiburg), Claudia Lipps (Waldkirch/Denzlingen)
Zuschauer: 400
"Zweieinhalb gewonnene Punkte" - Stimmen zum Spiel
Der TSB konnte am Samstagabend seinen erst zweiten Auswärtssieg einfahren und die Mannschaft stellte eindrucksvoll unter Beweis, dass sie den intensiven Kampf um den Klassenerhalt endgültig mit vollem Einsatz angenommen hat. Hatte man in der Vorwoche gegen Steißlingen noch ein richtungsweisendes Heimspiel unnötigerweise hergeschenkt, so ließen die Gmünder in Remshalden einen beeindruckenden Auftritt folgen, welcher ordentlich Auftrieb für die kommenden Wochen gibt.
Michael Hieber (TSB-Trainer): "Das war ein ganz wichtiger Sieg für uns im Abstiegskampf. Entscheidend war, dass wir im Unterschied zur Vorwoche den unbedingten Willen gezeigt haben und genau das umgesetzt haben, was wir uns vorgenommen haben. Auch mental waren wir voll auf der Höhe, nur mit einem solchen Auftreten haben wir auch eine realistische Chance, die Klasse zu halten. Ich hatte eigentlich mit einem engen Spielverlauf gerechnet und deswegen bin ich sehr stolz, dass die Mannschaft in dieser bestechenden Form aufgetreten ist. Ich denke, dass es auch spielerisch eine sehr ordentliche Leistung von uns war. Man hat gesehen, dass man auch durch den Kampf in ein solches Spiel hineinfinden kann. Trotz des anfänglichen Rückstandes waren wir nicht nervös und haben unser Ding durchgezogen. Denn wir wussten, dass unsere Phase kommen würde. Besonders wichtig war heute unsere starke Abwehrarbeit. Wir waren von Beginn an sehr gut eingestellt und wussten, dass Remshalden mit dem siebten Feldspieler agieren würde. Dafür hatten wir einen Plan entwickelt, den Gegner in dieser Situation unter Druck zu setzen und das ging auch auf."
Frederick Griesbach (SVR-Coach): "Wir sind natürlich alle sehr enttäuscht über dieses deutliche Resultat. Nach einer Viertelstunde haben wir die Kontrolle verloren, sind in Konter gelaufen und so ging das Spiel irgendwann nur noch in eine Richtung. Natürlich ist das ein bitterer Rückschlag auf unserem Weg zum Klassenerhalt, aber daraus müssen wir lernen. Unsere ganz junge und ersatzgeschwächte Mannschaft hat es nicht vollkommen schlecht gemacht und ihr Potenzial in den vergangenen Wochen angedeutet. Heute war es einfach ein gebrauchter Tag für uns und wir haben einmal mehr gesehen, dass wir über 60 Minuten hinweg unsere Leistung abrufen müssen, um in der Oberliga bestehen zu können. Auch wenn für uns aktuell viel Negatives zusammenkommt, müssen wir das Vertrauen in unsere Stärken bewahren. Dann werden wir auch wieder Spaß haben – vielleicht schon wieder in der nächsten Woche."
Wolfgang Bächle (zehnfacher Gmünder Torschütze): "Wir hatten den Druck und haben diesen auch angenommen. Wir wussten alle, um was es geht. Das hat man auch an unserer Körpersprache gesehen. Wir sind vor allem in der Abwehr sehr diszipliniert aufgetretenWir hätten aber niemals gedacht, dass es so deutlich wird. Dass wir auch den direkten Vergleich noch gewinnen konnten, was ein zusätzlicher Antrieb und deshalb war es auch enorm wichtig, dass wir bis zum Ende einen kühlen Kopf bewahrt haben. Es war einfach eine super Leistung von uns und ich denke, dass uns dieses Spiel für die kommenden Wochen beflügen wird."
Tobias Klemm (Remshaldener Tormann): "Ich kann mir diese deutliche Niederlage so kurz nach Spielende nicht wirklich erklären. Wir haben die Gmünder nicht mehr bändigen können."
Nico Krauß (TSB-Linksaußen): "Wir haben eine ausgezeichnete Abwehr mit einem soliden Mittelblock gestellt. Dadurch konnten wir auch immer wieder gute Konter aufbauen, was dann auch für mich entscheidend war. Wir haben bis zum Ende konsequent gespielt und ganz souverän den Deckel draufgemacht, was in unserer aktuellen Situation unglaublich wichtig ist. Gegen einen direkten Konkurrenten so deutlich und damit auch den direkten Vergleich zu gewinnen, da kann durchaus mal von zweieinhalb gewonnenen Punkten sprechen. Wir haben sieben weitere Endspiele vor der Brust, aber ich bin nun guter Dinge, dass wir die nötigen Punkte holen werden."
Belmin Nadarevic (TSB-Neuzugang, übersetzt aus dem Englischen): "Es war mein erstes Match für den TSB und ich bin sehr glücklich nach diesem wichtigen Sieg. Es war nur eine kurze, aber schöne letzte Spielminute für mich. Dass ich zum Finish noch zwei Tore erzielen konnte, war großartig. Unsere Fans sind fantastisch und ich fühle mich sehr wohl in Gmünd."