Michael Hieber: "Momentan sind wir Absteiger Nummer eins"

 
Handball, Baden-Württemberg-Oberliga: TSB Gmünd verliert das Schlüsselspiel bei der TSG Söflingen mit 37:29 (16:14)Nico Schoch
Die Talfahrt des TSB Gmünd geht ungebremst weiter und hat am Sonntagabend einen neuen Tiefpunkt erhalten: Mit 37:29 (16:14) unterlag die Mannschaft von Trainer Michael Hieber im Kellerduell bei der TSG Söflingen und so blieb das schwächste Auswärtsteam der Liga zum fünften Mal in Folge sieglos. Der Druck auf den Tabellenvierzehnten wächst an. 
 
Dass der TSB im nunmehr dritten Rückrundenspiel die dritte deutliche Niederlage einstecken musste, ist in erster Linie einer erneut erschreckend schwachen Abwehrleistung anzulasten. "Wenn wir insgesamt nur drei Zweikämpfe gewinnen, können wir hier nicht bestehen", kritisierte Chefcoach Michael Hieber und wollte die Abstinenz von Christian Waibel nicht als Ausrede gelten lassen. Der Abwehrchef wird aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme noch auf unbestimmte Zeit aussetzen müssen. 
 
Bereits der Auftakt in dieses für den Abstiegskampf richtungsweisende Duell verlief aus Gmünder Sicht schleppend. Der erste Wurf von Dominik Sos landete am Pfosten, im direkten Gegenzug folgte der Söflinger Führungstreffer durch Uros Krasovec. Dass dies der Startschuss zu einem Start-Ziel-Sieg sein sollte, war zu diesem Zeitpunkt nicht zu erwarten. Denn die TSBler hielten mit viel Engagement gut dagegen, ließen jedoch in vielerlei Hinsicht die nötige Konsequenz vermissen. Sos scheiterte mit einem Strafwurf an Samuel Beha, nur wenig später traf Lukas Waldenmaier lediglich den Oberkörper des TSG-Keepers. Die Gmünder Offensive leistete sich insbesondere in der Anfangsphase zahlreiche technische wie auch individuelle Fehler, welche sofort bestraft wurden. So konnten sich kaltschnäuzige Gastgeber beim 5:2 nach 10 Minuten erstmals ein Polster erarbeiten, den die Gmünder in der Folgezeit vergeblich aufzuholen versuchten. Das Hieber-Team konnte die Nachlässigkeiten und Fehler nicht abstellen, Spielmacher Aaron Fröhlich beispielsweise verursachte mit einem unnötigen Ballverlust im Mittelfeld das 8:4 durch Andreas Schaaf. In der Folgezeit schien es zunächst so, als könnte der TSB mit Verspätung in die Partie hineinfinden und der Begegnung seinen Stempel aufdrücken. Fröhlich verkürzte auf 12:10 und am Willen des Gästeteams zweifelte zu diesem Zeitpunkt keiner der rund 350 Zuschauer: Jonas Waldenmaier verhinderte mit einem Ballgewinn bei leerstehendem Gehäuse einen sicheren Gegentreffer, der eingewechselte Tormann Philipp Neukamm fügte sich mit zwei Paraden zunächst gut ein. Dennoch geriet der TSB beim 16:12 erneut etwas deutlicher ins Hintertreffen, doch unmittelbar vor dem Seitenwechsel brachte der starke Rechtsaußen Wolfgang Bächle seine Mannen wieder in Schlagdistanz. Den letzten Söflinger Angriff der ersten Hälfte konnte Neukamm vereiteln, Bächle schaltete schnell und markierte mit einem Treffer über die volle Felddistanz ins leere Tor den 16:14-Pausenstand. Vor allem dem neunfachen Torschützen Bächle war es zu verdanken, dass die Remstäler noch im Rennen waren. 
 
Die Hoffnung auf den Umschwung keimte trotz einer durchwachsenen ersten Hälfte auch unter den mitgereisten Gmünder Fans – doch sie wurden bitter enttäuscht. Denn erneut waren es die Hausherren, welche besser aus den Startlöchern kamen. Simon Dürner markierte die ersten beiden Treffer, nur fünf Minuten nach Wiederanpfiff konnte die TSG beim 21:16 ihren bislang höchsten Vorsprung erzielen. Es war ein herber Rückschlag für die Bemühungen der Gmünder, welche im weiteren Spielverlauf jedwede Kampfkraft vermissen ließen. Auch Michael Hieber vermochte es nicht, sein Team in zwei dicht aufeinander folgenden Auszeiten wachzurütteln. Für die Gmünder war es schlichtweg eine Vorstellung zum Vergessen. Ausgehend vom 25:19 (40.) baute die TSG ihre Führung kontinuierlich zum 30:20 (45.) aus. Die TSB-Abwehrreihe war nicht mehr präsent und fand keinerlei Zugriff auf die treffsicheren Rückraumschützen der TSG, Neukamm und Fabian auf der Torhüterposition konnten ebenfalls keine Akzente mehr setzen. Auch in der Offensive passte nur noch wenig zusammen: Sinnbildliche für eine enttäuschende Mannschaftsleistung nach der Pause, als Fröhlich wie auch Jonas Waldenmaier im Nachwurf nur Aluminium trafen. Söflingen hatte gegen die Hieber-Sieben, der die nötige Galligkeit fehlte, leichtes Spiel. Die Begegnung war frühzeitig entschieden, spätestens als Dürner zum 33:22 einnetzte. In den verbleibenden neun Spielminuten konnten die Gmünder lediglich noch Ergebniskosmetik in geringem Ausmaß betreiben. Aaron Czako setzte schließlich den Schlusspunkt zum auch in dieser Höhe gerechten 37:29-Endresultat. 
 
"Ich habe absolut nicht erwartet, dass wir so viele Tore machen", äußerte sich TSG-Trainer Gabor Czako nach Spielende. Michael Hieber hingegen musste sich darüber ärgern, dass "wir gegen eine Mannschaft, die im Schnitt nur 25 Tore schießt, 37 Gegentreffer kassieren." Czako konnte seinerseits ein erfreuliches Fazit ziehen: "Wir haben sehr flüssig gespielt und es war ein sehr gelungener Auftritt für uns. Die gesamte Mannschaft hat hervorragend gearbeitet und mit diesem Sieg den Lohn eingefahren. Aber die Lage ist trügerisch, wir dürfen uns nicht zu sehr in Sicherheit wiegen." Für seinen Gegenüber hingegen hat sich die Situation weiter zugespitzt. Mit 11:25 Punkten stagniert der TSB am dunklen Tabellenende und offenbart ein weiterhin ungelöstes Defizit in der Defensive. In den vergangenen fünf Begegnungen musste der Drittletzte jeweils über 30 Gegentore hinnehmen, weshalb Hieber fordert: "Wir müssen endlich wieder einen Verband stellen und den Gegner zum Nachdenken bringen." Der TSB-Chefanweiser war nach der erneuten Klatsche in fremder Halle entsprechend konsterniert, "obwohl wir es im Angriff nicht mal schlecht gelöst haben. Aber wir treffen unterm Strich zu viele falsche Entscheidungen."
 
Hieber geht in seiner Kritik noch weiter: "Dass wir gespielt haben wie ein Absteiger, das kann man schon so stehen lassen. Wir wollen Fehler vermeiden, nehmen den Kampf nicht an und verlieren dann zurecht. Wir sind momentan der Absteiger Nummer eins." Problematisch sei vor allem die Verunsicherung innerhalb der Mannschaft und dass diese aktuell nicht bereit sei, "über die Schmerzgrenze zu gehen." Nach dem mittlerweile fünften sieglosen Ligaspiel in Folge nimmt Hieber daher seine Spieler in die Pflicht: "In dieser Liga gewinnst du die Spiele in der Abwehr, nicht im Angriff. Die Mannschaft muss das endlich kapieren und den Kampf annehmen anstatt zu jammern. Wir müssen Männer sein und unser Schicksal in die eigene Hand nehmen." Jedenfalls steht außer Zweifel, dass es die Gmünder mit einer solch schwachen Abwehrleistung nicht schaffen werden, den Hebel noch einmal umzulegen und ans rettende Ufer zu gelangen. "Wer meint, dass wir den Klassenerhatl einfach so schaffen, der ist falsch gewickelt und hat keine Ahnung vom Handball", betont Hieber und fügt hinzu: "Jeder Einzelne muss sich selbstkritisch hinterfragen. Wir werden die Zügel im Training jetzt noch einmal straffer ziehen, obwohl wir unter der Woche eigentlich gut arbeiten. Aber genau das setzen wir im Spiel nicht um."
 
An den kommenden beiden Wochenenden gastieren mit Weilstetten und Herrenberg zwei Spitzenteams beim TSB – die Aufgaben werden keineswegs leichter, der Druck im Abstiegskampf steigt. Michael Hieber erwartet endlich eine Trotzreaktion seiner Mannschaft: "Wenn wir diese Reaktion nicht zeigen, dann gehen wir mit elf Punkten runter in die Württembergliga."
 
TSG: Weinbuch (1), Beha – Dürner (9/5), Krasovec (6), Hadzic (5), Kraft (5), Eberhardt (5), Wowra (3), Schaaf (2), Czako (1), Fimpel, Kanyo, Hartmann, Rauscher
TSB: Fabian, Neukamm – Bächle (9), J.Häfner (4), Fröhlich (4), Petersen (3), Leinss (3), Sos (2), L.Waldenmaier (2), Schwenk (1), J.Waldenmaier (1), Göth, F.Häfner, Krauß
Schiedsrichter: Sven Ernst, Johannes Friedhoff (Freiburg)
Zuschauer: 350