Handball, Baden-Würtemberg-Oberliga: Als Außenseiter reist der TSB Gmünd am Samstag zum derzeit schwächelnden TV 08 Willstätt
(sch) Wenn der TSB Gmünd beim TV 08 Willstätt antritt, ist dies stets ein Duell der krassen Gegensätze. Denn der finanzstarke Ex-Bundesligist hat auch vor dieser Saison kräftig ausgerüstet und zählt daher zu den großen Aufstiegsfavoriten. Die aktuelle Formkurve spricht allerdings für die Gmünder, welche in der Hanauerlandhalle bislang noch nie punkten konnten.
Die Ortenau ist wie kaum eine andere Region im Südwesten vom (höherklassigen) Handball geprägt. Hofweier, Schutterwald und auch Willstätt prägten das 35 Jahre lange Bundesliga-Kapitel Südbadens. Die Erstligazeit des TV Willstätt (1999-2003) ist noch gar nicht einmal so lange her, doch auf lange Zeit war dieses Niveau nicht zu haltten. Mit der 2008 gegründeten HR Ortenau, welche auf der Willstätter Zweitligalizenz aufbaute, scheiterte der bislang letzte Versuch, an vergangene Erfolge anzuknüpfen. Doch weder die sportlichen noch die wirtschaftlichen Ziele konnten erreicht werden, aufgrund der Insolvenz wurde die kurzlebige Spielgemeinschaft bereits nach einem Jahr wieder aufgelöst und die Mannschaft aus der zweiten Bundesliga zurückgezogen. Dem eigenständig erhalten gebliebenen Team des TVW gelang 2010 der Aufstieg in der Oberliga, doch seitdem hinken die Rot-Weißen ihren eigenen Ansprüchen stets hinterher. Mit großer Finanzkraft ausgestattet, werden in Willstätt seit Jahren Mannschaften mit sehr starken Einzelspielern zusammengestellt. Es verwundert jedoch, dass dabei mehr auf internationale als auf regionale Spitzenkräfte gesetzt wird. Auch renommierten Trainern wie Michael Bohn und Dragan Markovic gelang es nicht, aus den überragenden Individualisten eine schlagkräftige Einheit zu formen. TSB-Coach Michael Hieber kennt diese völlig entgegengesetzte Philosophie: "Wenn ich uns und Willstätt finanziell vergleiche, kostet unsere Mannschaft wahrscheinlich nur ein Fünftel des Budgets des Gegners. Dafür haben sie alleine von den Fakten her nur überschaubare Erfolge gehabt. Vielleicht muss man sich da an der Struktur hinterfragen, aber das ist nicht unsere Aufgabe."
In der Vorsaison konnte der Absturz in die Südbadenliga nur knapp abgewendet werden. Die Folge war ein radikaler Umbruch: Nachdem der Vierjahres-Vertrag mit Trainer Dragan Markovic vorzeitig aufgelöst wurde, stehen nun zwei Ex-Bundesligaspieler auf der sportlichen Kommandobrücke des TVW. Besonders weil man nach jahrelanger Vernachlässigung künftig mehr auf die jungen Talente der Region achten will, wurde mit Rudi Fritsch ein Lokalmatador für die neu geschaffene Teammananger-Stelle verpflichtet. Das erste Team mit Perspektive ist laut seiner Aussage die D-Jugend mit sechs Riesentalenten, welche dreimal pro Woche vom ebenfalls erstligaerfahrenen Martin Valo betreut wird. Zu diesen neuen Strukturen gesellt sich mit Marcus Simowski der mittlerweile dritte Cheftrainer der vergangenen drei Spielzeiten. Als Athletiktrainer und Physiotherapeut wurde Michael Hentschel (auch beim DHB aktiv) verpflichtet, fürs Torhüter-Training ist künftig Hans-Peter »Popper« Fries, langjähriger Bundesligatorwart des TuS Schutterwald, verantwortlich. Besonders für Simowski scheint wirklich kein Weg zu weit, immerhin pendelt der Familienvater drei- bis viermal pro Woche aus seiner Heimat im Saarland in die Ortenau. Die "hervorragenden Bedingungen" überzeugten den 49-jährigen Familienvater, der zuvor den Oberligisten Merzig-Hilbringen trainierte, vom neuen Engagement: "Wir haben einen ordentlichen Kader mit einigen jungen Leuten. Es macht einfach Spaß, in einem solchen Umfeld zu arbeiten und dafür nehme ich den hohen Aufwand gerne in Kauf. Es ist für mich einfach eine tolle Möglichkeit, sehr leistungsbezogen arbeiten zu können, ohne meine Arbeit aufgeben oder umziehen zu müssen." Diese Leidenschaft für den Sport will er schnellstmöglich bei seinen neuen Spielern entfachen, denen er klipp und klar sagte: „Ich nehme vieles in Kauf, investiere viel Engagement und Herzblut. Das erwarte ich auch von euch."
Der gelungene Saisonauftakt dürfte Simowski daher sichtlich erfreut haben, gleich am ersten Spieltag wurde Drittliga-Absteiger Pforzheim/Eutingen mit 29:24 bezwungen. Das Saisonziel, "eine ruhigere Saison weitab der Abstiegsplätze" (Fritsch) zu spielen wurde bewusst vorsichtig formuliert, obwohl der Kader erneut hochkarätig verstärkt wurde. Neben einigen jungen Spielern wurden mit dem polnischen Torwart Rafal Grzybowski (zuvor beim luxemburgischen Europapokalteilnehmer Differdange aktiv) sowie den Franzosen Florian Fessler und Regis Matzinger (beide vormals Straßburg-Schiltigheim) weitere Akteure mit Dritt- und Zweitligaerfahrung verpflichtet. Verblieben sind mit Dane Markovic, Dinko Dodig und Marco Schlampp weitere, für Viertligaverhältnisse herausragende Akteure. Zu diesen gehört auch der kroatische Rückraumspieler und Torjäger Kristian Eskericic, der nicht nur im eigenen Abschluss stark ist, sondern auch die groß gewachsenen Kreisläufer Christian Skusa und Lukas Halmagyi häufig gut in Szene setzt.
Nach der zwischenzeitlichen Tabellenführung musste der allgemein als Meisterschaftsfavorit bezeichnete TV Willstätt zuletzt einige Dämpfer hinnehmen. Von der ersten Saisonniederlage beim Südbaden-Derby in Baden-Baden (29:39) konnte sich das Simowski-Team zunächst erholen, doch der November verlief bislang absolut unbefriedigend. Durch drei überraschende Pleiten gegen Neuling Viernheim (26:30), in Blaustein (29:37) sowie am vergagenen Sonntag gegen Plochingen (30:32) geriet der Ex-Bundesligist aus der Spur und rutschte mit nunmehr 16:10 Punkten auf den dritten Tabellenplatz ab. TVW-Coach Simowski äußerte sich erstmals in seiner noch kurzen Amtszeit sehr frustriert und beschrieb die aktuelle Stimmungslage wie folgt: "Was den Willen angeht, kann ich der Mannschaft nicht viel vorwerfen. Aber natürlich ist es nicht schön zu verlieren und schon gar nicht zweimal hintereinander in der heimischen Halle."
Setzt sich die Statistik der vergangenen Jahre fort, so müsste der Willstätter Negativlauf am Samstag enden. Denn in der mit 2600 Plätzen ausgestatteten Hanauerlandhalle, welche nur selten gut besetzt ist, waren die Gmünder als Punktelieferant in den vergangenen Jahren stets ein gern gesehener Gast. Mit 34:25, 29:25 sowie 32:30 hatte der Ex-Bundesligist in diesem Duell stets souverän die Oberhand behalten, doch in der aktuellen Verfassung scheint dem TSB nach drei Siegen in Serie und angesichts der derzeitigen Schwächephase des Gegners ein Überraschungserfolg durchaus denkbar.
Nächstes Heimspiel: TSB Gmünd – SG Lauterstein am Sonntag, 10.Dezember um 18 Uhr (Große Sporthalle Schwäbisch Gmünd)