Die Ausgangslage ist verlockend, die Aufgabe anspruchsvoll. Mit einem Heimsieg am Samstag (19:30 Uhr / Große Sporthalle) könnte der TSB Gmünd die Regionalliga-Tabellenführung mit in die Weihnachtspause nehmen. Doch der südbadische Aufsteiger TuS Steißlingen hat schon mehrfach bewiesen, dass er sich vor großen Namen nicht versteckt.

Die Tabelle lügt nicht – aber sie wird beim TSB Gmünd weiterhin rigoros ignoriert. Zwar könnten die „Jets“ (21:7 Punkte) mit einem weiteren Sieg im Nachholspiel die inoffizielle Wintermeisterschaft für sich beanspruchen, da sie das Hinspiel beim Rivalen HSG Albstadt (23:7) bereits mit 38:32 gewonnen haben. „Eine schöne Momentaufnahme – nicht mehr, nicht weniger“, ordnet Co-Trainer Simon Fröhlich nüchtern ein. Der einstige Oberliga-Fußballer weiß am Allerbesten: Entscheidend ist nicht der Schmuck auf dem Weihnachtsbaum, sondern der Endstand am Saisonende.
Die Trainerbrüder überlassen nichts dem Zufall
Die Bilanz im gesamten Kalenderjahr 2025 spricht für sich: Mit 23 Siegen, einem Unentschieden und nur fünf Niederlagen hat sich der TSB als ernsthafter Titelanwärter bewährt. Ein Prozess, den die Zwillinge am Seitenrand erst angestoßen haben. Als „1B-Chef“ wird Simon Fröhlich vom Chefcoach Aaron Fröhlich anerkennend betitelt. Enger und vertrauensvoller kann ein Trainerduo wohl kaum wirken. „Wir teilen uns die Aufgaben sehr gut und das ist für dieses hohe Pensum auch notwendig“, sagt Simon Fröhlich. Der 35-Jährige hatte es als Aushilfskraft in der fußballfreien Zeit immerhin auch auf acht Einsätze in der vierthöchsten Handballliga gebracht. Nun wirkt er von außen auf die junge Mannschaft ein, um sie trotz des Höhenfluges am Boden zu halten.

„Sobald man ein paar Prozente vermissen lässt und nicht an sein Maximum herankommt, wird es gefährlich“, erinnert er an die wenigen, aber lehrreichen Rückschläge. „Natürlich sind die Erwartungen an uns gewachsen, doch wir haben eine bodenständige Truppe. Wir können gern jedes Spiel als Favorit angehen und auf Platz eins stehen – an unserem klaren Fokus ändert das nichts.“ Erst recht in der letzten Trainingswoche vor Weihnachten wird nichts schleifen gelassen. Das absolute Gegenteil war der Fall, wie Fröhlich berichtet: „Wir bündeln noch einmal alle Kräfte, haben uns akribisch vorbereitet und treten am Samstag mit maximaler Energie an.“
Mit österreichischem Nationalspieler: Steißlingen mischt die Liga auf
Damit das Fest so richtig froh wird, braucht es nochmals eine Leistung am Limit. Denn der Tabellenneunte TuS Steißlingen hat sich bereits ein kleines Polster nach unten erarbeitet, reist völlig ohne Druck und mit dem Ruf eines echten Favoritenschrecks an. Als einziges Team neben dem TSB gewannen die Hegauer in Albstadt (37:33), schlugen außerdem den Drittliga-Absteiger TVS Baden-Baden (34:29) sowie die hochgehandelten HSG Willstätt/Hanauerland (39:37) und HSG Ostfildern (36:33). Vorige Woche rettete der TuS in letzter Sekunde ein ebenso achtbares 30:30-Remis gegen den VfL Waiblingen, bezahlte dies aber teuer mit den verletzungsbedingten Ausfällen seiner Leistungsträger Lennart Sieck und Philipp Klotz.
Doch weiterhin besitzt der Steißlinger Kader eine Qualität, die so gar nicht einem typischen Liganeuling entspricht. Neben dem besten Rückraumschützen Florian Riegler (75/1 Saisontore) ragen zwei langjährige Profispieler heraus. Der 35 Jahre alte Niklas Ruß (60/10 Tore) lief einst für die Rhein-Neckar Löwen in der Bundesliga und Champions League auf. Ein weiterer Coup gelang im Sommer mit der Verpflichtung von Samuel Wendel. Bis vor einem halben Jahr war der 29-Jährige noch österreichischer Nationalspieler und avancierte für Alpla HC Hard zum besten Linksaußen der heimischen Liga, bevor er seine Profikarriere zugunsten einer Ausbildung mit dualem Studium beim Finanzamt beendete.
Entsprechend großen Respekt hat der TSB vor seinen Gästen, denen man sich in den bisherigen sechs Vergleichen viermal geschlagen geben musste. „Wir haben einen richtigen Brocken vor uns“, betont Simon Fröhlich: „Die Qualität der Steißlinger Mannschaft ist längst nicht mehr unbekannt. Sie haben gezeigt, dass sie gegen jeden gewinnen können und den Anschluss zu den vorderen Rängen hergestellt. Doch wir fokussieren uns nicht auf einzelne Gegenspieler, sondern auf unser System und dass wir unsere Vorgaben gut umsetzen.“Ein Fragezeichen – und viel Vertrauen in die Jungen Wilden
Weiterhin ist eine Personalie, die beim TSB am seidenen Faden hängt. Zumindest eine kleine Hoffnung besteht, dass Tom Abt nach seinem Bänderriss wieder eingreifen kann. Doch selbst ohne ihren Spielmacher und Top-Torjäger überzeugten die Jets beim jüngsten 38:32-Sieg über den TV Neuhausen/Erms. Wohl kaum ein Team in der Liga hätte diesen schwerwiegenden Ausfall derart geräuschlos wegstecken können wie der TSB. Womit sich das Pensum für die Schlüsselspieler Yannik Leichs und Kai Schäffner extrem erhöht hat, doch auf die ganz jungen Talente ist Verlass. Hervorzuheben ist Lenny Schwenk. Nicht wenige Zuschauer staunten über den unbekümmerten 18-Jährigen aus der A-Jugend von Frisch Auf Göppingen, der bei seinem ersten längeren Einsatz im Herrenbereich mit drei Toren auftrumpfte.
„Einem so jungen Spieler müssen wir auch mal Fehler zugestehen und die Konstanz muss sich erst noch einstellen“, warnt Simon Fröhlich vor allzu großen Erwartungen. Doch der Eindruck ist mehr als positiv: „Dass Lenny das Talent und die Qualität hat, überrascht uns nicht. Da haben wir vollstes Vertrauen und auch völlig zurecht, wenn man diese Leistung sieht.“ Was genauso auch auf den neuen Rechtsaußen Florian Abele zutrifft, der sich in dieser Hinrunde als starke Alternative zum erfahrenen Wolfgang Bächle entpuppt hat. Der Co-Trainer ist voll des Lobes: „All diese Jungen haben wir hervorragend integriert und wir wollen sie auf ihrem Weg begleiten, der uns allen richtig Freude macht.“„Viel lieber am Ende ganz oben stehen“
Es passt ins Bild dieser verschworenen Truppe, dass der Blick nicht an der verlockenden Tabellenspitze kleben bleibt. Noch einmal zur Prime-Time in eigener Halle aufzulaufen, ist Antrieb genug – nicht der Gedanke an eine Wintermeisterschaft. „Mit unserem großen Zuschauerzuspruch ist die Motivation immer noch einen Tick höher“, so Simon Fröhlich: „Ich bin sehr guter Dinge, dass wir uns noch einmal super präsentieren werden. Dann können wir in der Weihnachtszeit auf diese erste Etappe zurückschauen.“ Genießen darf man den Augenblick – verlieren sollte man sich darin nicht. Oder wie es der „1B-Chef“ trocken formuliert: „Viel lieber stehe ich jetzt auf dem fünften Platz und am Ende der Saison ganz oben...“
TSB: Immer, Klemm, D. Mühleisen – Abt (?), J. Leichs, Y. Leichs, Maier, Schäffner, L.Schwenk, Neumaier, Scholz, Abele, Bächle, Burtsche, Kiesel, S. Mühleisen, Waibel, Waldenmaier
(Text: Nicolas Schoch - Bilder: Frank Bieg)






































