Ein angeschlagener Boxer: Trotz deutlichem Hinspielsieg ist der TSB gewarnt

Handball, Oberliga: Zur Halbzeit der Hinrunde ist der TSB Gmünd endlich in der Saison angekommen, doch die Tabellensituation gleicht einem Blick in die Glaskugel. Da hilft es nur nachzulegen am Sonntag (17 Uhr / Römerhalle Straßdorf) gegen den TV Willstätt, der eine Woche nach dem ersten Aufeinandertreffen mit mächtig Wut im Bauch anreist.

 

Seit nunmehr vier Partien sind die „Jets“ ungeschlagen und verblüfften dabei ganz besonders mit ihren starken Auftritten gegen die nur scheinbar unantastbaren Drittliga-Absteiger. Doch bevor angesichts der Serie von 7:1 Punkten auch nur einer daran denkt, einen Höhenflug zu bekommen, da tritt der Trainer ganz vehement auf die Euphoriebremse. „Wir trainieren total konzentriert weiter wie davor auch und bereiten uns auf den Sonntag vor“, sagt Michael Stettner nach dem sensationell anmutenden 37:29-Erfolg der vergangenen Woche beim TV Willstätt.

 

Diese Bodenhaftung hat auch mit der besonderen Situation zu tun. Nur neun Tage nach dem ersten Aufeinandertreffen steht der TSB erneut dem früheren Bundesligisten aus der Ortenau gegenüber und das plötzlich unter völlig verkehrten Vorzeichen. Wobei sich Stettner schwer tut, gegen den gestrauchelten Aufstiegsanwärter nun selbst die Favoritenrolle anzunehmen. „Das ist sicherlich nur eine Momentaufnahme und der Gegner wird bei uns mit viel Wut im Bauch antreten“, meint der 40-Jährige zur Willstätter Krise: „Wir sollten gewarnt sein. Es wird ein ganz anderes Spiel als vor einer Woche.“

 

Denn zweifellos hat der in dieser Höhe niemals erwartete TSB-Auswärtscoup seine Spuren beim Gegner hinterlassen. „Ich bin hochgradig enttäuscht. Das Ganze ist nicht zu erklären. So können wir uns nicht präsentieren, so können wir die Saison nicht spielen“, hatte TVW-Spielertrainer Robin Haller anschließend zum verbalen Rundumschlag ausgeholt. Der 37 Jahre alte, frühere Erst- und Zweitligaspieler, hatte wieder einmal auf einen eigenen Einsatz verzichtet und nimmt stattdessen seine namhaft besetzte Truppe in die Pflicht. Auch der Ausfall von Stammtorwart Maxime Duchene (Thrombose im Bein, fehlt mehrere Wochen) soll da keine Ausrede sein: „Man muss die Einstellung jedes Einzelnen komplett hinterfragen. Abgesprochene Dinge wurden einfach nicht umgesetzt.“

 

So stellt sich nach dem Hinspiel die Frage: War Willstätt zu schlecht oder der TSB zu gut? „Wir sind uns alle einig, dass Willstätt sicherlich keinen guten Tag erwischt hat“, resümiert Stettner: „Bei uns hat relativ viel gegriffen, aber es auch nicht alles perfekt.“ Der Gmünder Coach blickt da auf einige Phasen, in denen seine Team einen Tick Kaltschnäuzigkeit vermissen ließ. Nach der schnellen 6:2-Führung etwa brachte der TSB die Hausherren durch eigene Fehler zurück ins Spiel, nach dem 7:7-Ausgleich allerdings wirkte die Umstellung auf eine 5-1-Abwehrformation. Vogelwild verliefen die ersten Minuten nach der Pause. Beide Teams schenkten die Bälle reihenweise her, der TSB konnte sich dann aber fangen und die Weichen frühzeitig auf Sieg stellen.

 

Daher ist es durchaus Kritik auf hohem Niveau, die Stettner ausspricht. „Doch wir brauchen das auch nicht zu verheimlichen“, sagt er ohne damit die eigene Leistung schmälern zu wollen. Denn in puncto Konstanz haben die Jets seit einem Monat eine 180 Grad-Wende geschafft. Die schwachen Phasen sind deutlich kürzer, die starken Phasen hingegen deutlich länger geworden. „Unsere Entwicklung geht definitiv weiter in die richtige Richtung“, hält Stettner fest: „Doch trotzdem gibt es immer etwas zu verbessern und da setzen wir an.“

 

In der Tabelle hat sich der Aufwärtstrend bereits niedergeschlagen. Inzwischen haben sich die Gmünder am hochgehandelten, mit 7:9 Punkten aber gleichauf liegenden TV Willstätt auf Rang sechs vorbeigeschoben. Zu den ersten vier Plätzen, die im Februar den Einzug in die Aufstiegsrunde bedeuten, fehlen aktuell nur drei Zähler. Eine Tatsache, die den Trainer allerdings ziemlich kalt lässt. „Noch nie hat eine Diskussion über die Tabelle weniger Sinn gemacht als jetzt“, erwidert Stettner schroff. Denn im neuen Oberliga-Modus zählen in der Rückrunde nur noch Punkte gegen jene Kontrahenten, die mit in eine Auf- oder Abstiegsrunde rutschen. Wer das sein wird und wohin überhaupt die eigene Reise führt – das gleicht nach acht von 16 Hinrundenspielen einem Blick in die Glaskugel. „Bis zwei oder Spieltage vor Schluss ist die Tabelle nebensächlich, zunächst müssen wir einfach nur Ergebnisse liefern“, lautet daher Stettners Devise. Sein Team liefert derzeit zuverlässig und so ist es auch keine Utopie mehr, den Sprung nach oben und damit den frühzeitigen Klassenerhalt zu schaffen: „Sicherlich ist der Weg nicht mehr so weit, wie er schon einmal war. Das haben wir uns hart erarbeitet, können uns dafür aber noch nichts kaufen, weil es so eng zu geht.“

 

Ganz anders sieht die Welt beim TV Willstätt aus, für den der Traum vom Wiederaufstieg in die 3.Liga längst in weite Ferne gerückt ist. „Die haben einen ganz anderen Anspruch als wir“, verweist Stettner auf: „Vom Kader und der gesamten Vereinsstruktur her muss Willstätt ganz klar unter die ersten Vier kommen. Es ist immer noch alles offen, aber sie haben in diesem Spiel definitiv mehr Druck als wir.“ Wie groß dieser Druck schon jetzt ist, war in dieser Woche erst auf der Vereinshomepage des TVW nachzulesen: „Im Willstätter Spiel fehlte der Kopf, welcher die vielen Ideen seiner Mitspieler auf den Punkt bringen konnte. Anders formuliert: Es spielen viele Egoisten, die wenig miteinander spielen.“

 

Die beim Gegner herrschende Unruhe kann dem TSB vor dem brisanten zweiten Duell nur gelegen kommen, auch wenn Stettner solche Schlagzeilen völlig ausblendet: „Ich beschäftige mich nur mit meiner Mannschaft. Unser Teamgeist hat schon immer gepasst. Seitdem ich hier bin, war das noch nie anders und auch als die Ergebnisse nicht gestimmt haben.“ Aktuell jedenfalls greift beim TSB ein Rädchen ins andere. Einzig hinter dem Einsatz des im Training krankheitsbedingt fehlenden Louis Waldraff steht noch ein Fragezeichen, das Comeback von Kreisläufer Stephan Mühleisen wird sich noch weiter hinauszögern. Dennoch ist er schon jetzt ein Teil des starken Gmünder Kollektivs sein, wenn er seine Mitspieler lautstark von der Bank aus anfeuern und damit auf dem schweren Weg zur nächsten Überraschung antreibt.

 

TSB: Daniel Mühleisen, Tobias Klemm – Nicola Rascher, Tom Abt, Andreas Maier, Arian Pleißner, Jonas Schwenk, Stefan Scholz, Patrick Watzl, Vincent Pick, Wolfgang Bächle, Eric Zimmermann, Louis Waldraff (?), Jonas Waldenmaier

 

(Nico Schoch)