Die neue Lust, sich mit den Großen zu messen: TSB Gmünd hat die nächste Überraschung im Blick

Mit ordentlich Rückenwind tritt der TSB Gmünd am Freitagabend (20:30 Uhr / Hanauerlandhalle) beim nächsten Aufstiegsfavoriten an. Für das internationale Ensemble des TV Willstätt ist das Saisonziel bereits frühzeitig in Gefahr geraten.

Der Knoten ist geplatzt – und wie. Ausgerechnet gegen die letztjährigen Drittligisten SG Köndringen/Teningen (39:39) und TVS Baden-Baden (31:28) zeigte der TSB Gmünd seine bislang besten Leistungen in dieser Saison. „Die Stimmung ist logischerweise gelöster als noch vor ein paar Wochen“, berichtet Trainer Michael Stettner. Immerhin macht seine Truppe den ungewollten Fehlstart von vier Niederlagen immer mehr vergessen. „Eine Entwicklung kann es nur geben, wenn es auch Rückschläge gibt und die kommen bei einer so jungen Mannschaft unweigerlich“, trauert er zwar noch den verlorenen Punkten hinterher: „Doch wir haben angefangen, die richtigen Lehren daraus zu ziehen und uns endlich für viele gute Trainingseinheiten zu belohnen. Wenn mit den Ergebnissen das Selbstvertrauen zurückkehrt, dann fällt vieles leichter.“
 
Diesen Rückenwind wollen die Gmünder weitertragen, um ihre Ausgangslage in der Vorrundengruppe weiter zu verbessern. Dem Trainer allerdings ist es wichtig, zu betonen, dass die beiden jüngsten Überraschungserfolge nur eine Momentaufnahme sind: „Wir müssen begreifen, dass das nicht von alleine so weiter geht. Denn der nächste Brocken steht schon vor der Tür.“ Gleich zweimal innerhalb einer Woche trifft der TSB auf den TV Willstätt, einen weiteren Drittliga-Absteiger und gleichzeitig ein Angstgegner. Schon viermal gastierten die Jets in der Vergangenheit an der französischen Grenze vor den Toren Straßburgs, viermal kehrten sie mit leeren Händen zurück. Nun ist da auch noch der ungewohnte Spieltermin am Freitagabend, auf dem Weg wartet die hochfrequentierte Autobahn inklusive vieler Baustellen. „Aufgrund der Verkehrssituation ist das schon ein Nachteil, wir werden sicherlich im Stau stehen“, ahnt Stettner. Entsprechend mehr Reisezeit wird eingeplant und die Spieler müssen sich einen halben Urlaubstag nehmen, um vor der harten Auswärtsaufgabe nicht in Hektik zu geraten.
 
Rein sportlich verspürt der TSB wenig Druck. Zumal man gesehen hat, dass kein Gegner in der Liga unverwundbar ist. Auch nicht der TV Willstätt, der auf eine zwölfjährige Erst- und Zweitligazeit (1997-2009) zurückblicken und Jahr für Jahr ein starkes internationales Ensemble aufbieten kann. Angeführt wird dieses vom einstigen französischen Erstliga-Torwart Maxime Duchêne und Rückraumshooter Jan-Philipp Valda, der es bereits auf 32 Saisontreffer bringt. Nach dem ungeplanten Abstieg aus der 3.Liga heuerte der frühere Bundesligaprofi Robin Haller (zuvor SG Leutershausen) als neuer Spielertrainer an. Mit dem erfahrenen Spielmacher Joffrey Bonnemberger (Straßburg-Schiltigheim), Antoine Gutfreund (Bordeaux HB) und Lucas Limouzin (Sarrebourg Moselle) wurden erneut Vollzeithandballer aus der zweiten Liga Frankreichs verpflichtet. Weitere hochkarätige Verstärkungen sind Rechtsaußen Illia Hreblev (SG Köndringen/Teningen) sowie die jungen Talente Luca Karic (RK Sabac / Serbien) und Kreisläufer Philip Wastl (THW Kiel U19), der jüngst in die österreichische U20-Nationalmannschaft berufen wurde. Vor zwei Wochen reaktivierte der TVW dann auch noch den wurfgewaltigen Rückraum-Linkshänder Felix Krüger. Der Ex-Zweitligaspieler der HSG Konstanz hatte seine Laufbahn eigentlich April wegen Arthrose im Sprunggelenk beendet.
 
Angesichts dieser namhaften Qualität überrascht es umso mehr, dass die Ortenauer so schwerfällig gestartet sind und als Tabellensechster mit 7:7 Punkten nur knapp vor dem TSB (5:9) liegen. „Sie sind ohne Zweifel einer der absoluten Mitfavoriten auf die oberen vier Plätze“, betont Stettner allerdings: „Wir sind hingegen nicht unter Zugzwang.“ Willstätt hingegen darf sich fast schon keinen Ausrutscher mehr erlauben, um noch in die Aufstiegsrunde einzuziehen. Nachdem sich der TVW vor drei Wochen erst einen kollektiven Blackout beim TSV Heiningen (25:31) erlaubte und dann in eigener Halle nach 33:30-Führung mit 34:36 dem TSV Weinsberg unterlag, da Robin Haller sogar schon den Abstiegskampf aus. Entsprechend erleichtert war der Coach nach dem mühsamen 30:27-Sieg beim Schlusslicht SG H2Ku Herrenberg am vergangenen Samstag: „Wir wissen um unsere Lage und das wir sehr unter Druck stehen. Wir wollten gewinnen, das haben wir gemacht.“
 
Nichts zu verlieren, alles zu gewinnen – für den wiedererstarkten TSB kommt diese Herkulesaufgabe womöglich zur genau richtigen Zeit. Stettner allerdings warnt verhement: „Der größte Fehler, den wir machen können, wäre es, Willstätt auf die Platzierung zu reduzieren. Vom Kader und ihren Zielen her sind sie ohnehin der klare Favorit, wir fahren als Außenseiter dorthin und wollen sie solange wie möglich ärgern.“ Genau das gelang den Gmündern zuletzt ziemlich gut. Der Kampf um den Klassenerhalt hat gerade erst begonnen. Doch gegen die großen Namen der Liga, macht da besonders viel Spaß. Gegen Baden-Baden stabilisierte sich auch die vorher oftmals anfällige Abwehr, im Tor glänzte erst Tobias Klemm und zum Schluss Daniel Mühleisen. Um auch in Willstätt eine Chance zu haben, muss der TSB genau dieses Niveau wieder erreichen. Zumal der Trainer besonders in puncto Chancenverwertung noch Luft nach oben sieht.
 
Mögliche Punkte sind zunächst allerdings nur im Hinterkopf. „In erster Linie wollen wir spielerisch genau da weitermachen, wo wir aufgehört haben“, appelliert Stettner: „Wenn sich Bequemlichkeit einschleicht, dann kommen wir ganz schnell wieder auf dem Boden der Tatsachen an. Wir dürfen keinen Meter nachlassen, Das ist keine Phrase, sondern ein Versprechen, dass wir den vollen Fokus und Einsatz bringen werden.“ Gerade in der Defensive gelte es den Aufwärtstrend zu bestätigen und vielleicht die eine oder andere Situation noch besser zu lösen. Dabei nicht mithelfen können Philipp Schwenk (Trainingsrückstand) und Stephan Mühleisen, dessen Comeback nach der schweren Schulterverletzung vor knapp einem Jahr sich weiter hinauszögert. „Solange er kein volles Vertrauen in seinen Körper hat, ist Steph noch keine Option“, bleibt der Coach in dieser Personalie geduldig.
 
Sonst aber kann sich der TSB in üblicher Bestbesetzung auf den Weg machen, um den nächsten Favoriten ins Stolpern zu bringen. „Es ist ein Kann-Spiel, kein Muss-Spiel“, sagt Stettner. Das Wörtchen „Kann“ ist dabei aber fett unterstrichen, wie er anmerkt: „Nach drei Spielen ohne Niederlage ist es bekanntlich das Beste, dass das vierte folgen kann.“
 
TSB: Daniel Mühleisen, Tobias Klemm – Nicola Rascher, Tom Abt, Andreas Maier, Arian Pleißner, Jonas Schwenk, Stefan Scholz, Patrick Watzl, Wolfgang Bächle, Eric Zimmermann, Jonas Waldenmaier
 
(Nico Schoch)