Der TSB-Befreiungsschlag: 60 Minuten zwischen Himmel und Hölle

Handball, Oberliga: Der TSB Gmünd gewinnt beim 38:33 (25:15) gegen die SG H2Ku Herrenberg seine verloren geglaubte Spielfreude zurück. Mit dem ersten Saisonsieg soll sich die Brust lösen, doch einige altbekannte Schwächen dürften den Jets weiter zu schaffen machen.

 

Halb jubelnd, halb erleichtert holten sich die Gmünder am Freitagabend ihren verdienten Applaus bei den 400 Zuschauern ab. Michael Stettner hingegen brauchte da noch einen Moment für sich alleine, gedankenverloren blickte der TSB-Trainer von seiner Bank aus auf die Szenerie. „Dieser Sieg tut uns so gut“, ließ er hinterher seinen Emotionen freien Lauf: „Doch er hat auch viel Kraft gekostet, so dass ich mit den Nerven erstmal fertig war.“ Als Erster holte sich dann Eric Zimmermann eine feste Umarmung bei seinem Coach ab. Der „unfassbar geile Spieler“ (O-Ton Stettner) war mit zwölf Toren der Mann des Abends. Erst recht, da Zimmermann in der Schlussphase die Nerven behielt und selbst aus spitzestem Winkel für die Entscheidung sorgte.

 

So viel Nervenkitzel hätte es gar nicht gebraucht. Doch obwohl der TSB nach einem Offensiv-Feuerwerk in der ersten Halbzeit mit sage und schreibe 25:15 führte, brauchten die Fans wieder einmal Nerven wie Drahtseile. „Es gab keinen Plan B“, bilanzierte Stettner dieses Schicksalsspiel der beiden zuvor noch einzigen punktlosen Teams der Vorrundengruppe A: „Wir mussten dieses Spiel gewinnen, das haben wir getan und das ist das Einzige, was zählt.“ Besonders gut tat es da, dass die Unsicherheit nach einer verhaltenen Anfangsphase recht zügig abgeschüttelt wurde. Ihren jeweils ersten Wurf vergaben Zimmermann und Wolfgang Bächle zwar, dann aber avancierten die beiden Außen zu den absoluten Unterschiedsspielen. Mit einem Gegenstoß von Zimmermann zum 4:2 (8.) war der Knoten geplatzt. Da die Abwehr stabil stand und der TSB das Gaspedal voll durchdrückte, war nur zehn Minuten später schon ein 15:5-Vorsprung erzielt.

 

Es war fast schon beeindruckend zu sehen, wie selbstbewusst die in den vergangenen Wochen so glücklosen „Jets“ plötzlich auftraten. Bei den ersatzgeschwächten Herrenbergern hingegen häuften sich die misslungenen oder nicht gefangenen Pässe. Das bestraften die Gmünder, bei denen Geburtstagskind Tom Abt immer wieder sein gutes Auge für die Mitspieler bewies, eiskalt. Euphorisch bejubelte Maier den erstmaligen Zehn Tore-Abstand. Die Last, die von den Schultern abfiel, war immens. Allerdings wurde der TSB zunehmend nachlässig in der Abwehrarbeit. Wobei bei den Gästen bis dahin nur das Zusammenspiel zwischen Spielmacher Valentin Mosdzien und Kreisläufer Lukas Mäußnest zur Geltung kam. So entwickelte sich bis zur Pause ein munteres Torewerfen, zu dem auch die gerade erst eingewechselten Arian Pleißner und Stefan Scholz ihren Beitrag für den TSB leisteten.

 

„Offensiv haben wir es trotz dem hohen Tempo extrem gut gespielt, uns nur einen technischen Fehler erlaubt und immer mehr Sicherheit gewonnen“, meinte Stettner: „Bis zur 20.Minute standen wir auch in der Abwehr genauso kompakt, wie wir es uns vorgenommen haben. Dann haben wir allerdings aufgehört, am Kreis mit unseren Armen zu arbeiten.“ Zu dieser Stabilität fanden die Gmünder nicht mehr zurück und so geriet der Weg zum ersten Saisonsieg zu einem Ritt auf der Rasierklinge. Schon in den ersten vier Minuten nach dem Seitenwechsel erzürnten die Jets ihren Trainer, als sie selbst ausgekontert wurden. Doch auch zwei Auszeiten innerhalb von vier Minuten verpufften wirkungslos. Erst stand es 26:20 (35.), dann nur noch 26:23 (39.). Zwischen den Herrenberger Pfosten lief der mittlerweile in Gmünd wohnhafte Ex-Bundesligatorwart Primoz Prost plötzlich zur Höchstform auf. Es ging ein Ruck durch das Gästeteam, sehr zu Stettners Missfallen: „Es darf uns nicht passieren, dass wir so aus der Kabine kommen. Dann war zu spüren, in welcher Situation wir aktuell stecken und dass es im Kopf angefangen hat zu rattern.“

 

Aus dem Handballhimmel stürzte der TSB in die Hölle hinab. Der Wille stimmte zwar bei den Gmündern. Pleißner etwa eroberte gleich zwei Bälle nacheinander zurück, leistete sich direkt darauf aber ein unnötiges Stürmerfoul. Bächle jagte erst einen Konter ins Fangnetz und dann einen Strafwurf an die Latte. Auf der Gegenseite sorgte Kenneth Stiegen mit zwei Rückraumkrachern für den 28:28-Ausgleich. Auf der Tribüne ging die Angst um, dass der TSB sich tatsächlich alles selbst zunichte machen würde. Doch am vermeintlichen Unglückstag Freitag, dem 13. rissen die Gmünder gerade rechtzeitig das Ruder herum. Die Sieben entpuppte sich als Glückszahl. Sieben Angriffe lang brachte Stettner einen siebten Feldspieler auf die Platte, siebenmal wirkte es. Besonders Zimmermann wurde einige Male freigespielt, Andreas Maier behielt als inzwischen vierter Siebenmeterschütze die Nerven. Abt, Rascher und Bächle hatten bereits jeweils einen Versuch vergeben, Maier hingegen stellte mit dem 30:29 (51.) die Weichen wieder auf Sieg.

 

Die Gäste wollten zwar antworten, doch an Daniel Mühleisen war kein Vorbeikommen. Zur Pause hatte Tobias Klemm den Beachhandball-Nationalkeeper abgelöst, der dann gerade rechtzeitig zurückkehrte. Als Stiegens nächster Wurf vom Innenpfosten abprallte und genau in Mühleisens Armen landete, bedeutete das die Entscheidung. Zimmermann krönte seine Gala-Leistung mit herrlichen Treffern, Kreisläufer Jonas Waldenmaier nutzte einen Abpraller zum 38:33-Endstand – damit waren die ersten Punkte der Saison im Sack. Die Schwächephasen begleiten den TSB zwar weiterhin, doch das war dem Trainer unmittelbar nach dem erlösenden Sieg ziemlich egal: „Wir freuen uns erstmal nur darüber, dass wir und endlich belohnt haben. Alles andere schieben wir bis Montag beiseite, gehen diese Aufgaben dann aber im Training wieder akribisch an.“

 

Der ins Ziel geschleppte Heimsieg soll nun neue Kräfte freisetzen. Am 28.Oktober fahren die Jets zum Gruppenersten SG Köndringen/Teningen. Es ist der Auftakt zu einem Hammerprogramm: In sechs aufeinander folgenden Partien trifft der TSB auf die letztjährigen Drittligisten Köndringen, Baden-Baden und Willstätt. „Jetzt haben wir erstmal eine Woche zum Durchatmen“, denkt Stettner noch gar nicht so weit: „Die zwei Punkte tun uns gut und geben uns ein positives Gefühl für diese ganz anspruchsvolle Phase.“

 

TSB: Daniel Mühleisen, Tobias Klemm – Eric Zimmermann (12), Tom Abt (6/1), Wolfgang Bächle (5), Nicola Rascher (4/2), Jonas Waldenmaier (3), Andreas Maier (3/2), Stefan Scholz (2), Arian Pleißner (1), Patrick Watzl (1), Jonas Schwenk (1), Vincent Pick, Louis Waldraff

SG: Primoz Prost, Georg Mohr – Lukas Mäußnest (8), Valentin Mosdzien (8/3), Sven Schmitt (6), Kenneth Stiegen (4), Lukas Bechinka (4), Peer Wisst (2), Finn Böhm (1), Marvin Georg, Leon Fischer, Sven Jacobs

Siebenmeter: TSB 9/5 – SG 3/3

Zeitstrafen: TSB 4 Minuten – SG 10 Minuten

Schiedsrichter: Oliver Mutlach (TuS Ringsheim), Nick Schillinger (SG Köndringen/Teningen)

Zuschauer: 400

 

(Nico Schoch)