„Das Beste, was mir je passieren konnte": Ex-TSBler Djibril M´Bengue über seine Zeit in Portugal

Nach vier Jahren ist Djibril M´Bengue in die Heimat zurückgekehrt. Seit Anfang Juli steht der ehemalige Spieler des TSB Gmünd nun beim Bergischen HC unter Vertrag und lässt nochmals seine erfolgreiche Zeit in Portugal Revue passieren.

Vergangenen November feierte er, für viele überraschend, sein Debüt in der deutschen Nationalmannschaft. Zu Jahresbeginn folgte sogar die Teilnahme an der Europameisterschaft, die für ihn aufgrund einer Corona-Infektion abrupt ein Ende fand. Hinter Djibril M´Bengue liegt eine äußerst turbulente Saison, die er letztlich mit seiner dritten portugiesischen Meisterschaft beim FC Porto krönte. Mit seiner Körperlichkeit und der Wurfkraft aus dem Rückraum überzeugte der Linkshänder in der Champions League und damit letztlich sogar Bundestrainer Alfred Gislason. Neun Länderspiele (13 Tore) hat der seit kurzem 30-Jährige mittlerweile absolviert und darf sich große Hoffnungen auf die WM-Nominierung machen. "Das ist ein unglaubliches Gefühl und ein Riesenkompliment", sagt M´Bengue. Vor allem aber auch eine Bestätigung für seinen Schritt nach Portugal.Denn als die Verantwortlichen des TVB Stuttgart ihm im Frühjahr 2018 mitteilten, dass er keinen neuen Vertrag bekomme, brach für den gebürtigen Schorndorfer eine Welt zusammen. Doch der 1,95 Meter große Rückraumspieler konnte die Entscheidung auch verstehen. Rückblickend ist er überzeugt: "Das war das Beste, was mir passieren konnte." Die eine Tür geht zu, die andere auf. "Ich hatte nichts zu verlieren und alles zu gewinnen", sagt M´Bengue, der mehr als ein Jahr lang an seinem Comeback arbeitete. Der Anruf des ehemaligen Welthandballers Magnus Andersson, der damals das Traineramt beim FC Porto übernommen hatte, veränderte sein Leben. „Ich hatte keine andere Wahl und musste das auf jeden Fall machen, wenn ich weiter professionell Handball spielen wollte“, erklärt M`Bengue: „Eigentlich wollte ich ja nur ein Jahr lang bleiben und habe es nur als eine Art Zwischenstop gesehen.“
Aus dem Zwischenstop wurde eine vierjährige Erfolgsstory. Gleich in der ersten Saison feierte er mit dem FC Porto das Double aus Meisterschaft und Pokalsieg. Im EHF-Pokal schaltete der portugiesische Rekordchampion den SC Magdeburg aus und wurde sensationell Dritter. "In der Mannschaft ist Riesenpotenzial, aber dass das so explodiert und wir so erfolgreich Handball spielen, konnte keiner absehen", sagt der Ex-Stuttgarter. Spätestens mit dem kürzlichen Europapokal-Triumph von Benfica Lissabon wurde offenbar, welche Qualität Portugals Handballer inzwischen besitzen. „Es gibt viele gute Mannschaften und deswegen macht es einfach Spaß, sich dort zu beweisen“, bestätigt M´Bengue.
 
Dennoch ist es seinem FC Porto stets gelungen, die Konkurrenz auf Abstand zu halten. Dreimal in Folge sicherte das Andersson-Team den Meistertitel. Auch 2020, als die Saison aufgrund der Corona-Pandemie abgebrochen und nicht gewertet wurde, stand der FCP ganz vorne. Diesen Sommer wurde das Double nur haarscharf verpasst. In einem dramatischen Pokalfinale musste sich Porto dem großen Rivalen Sporting Lissabon nach zweimaliger Verlängerung mit 35:36 geschlagen geben. Dennoch spricht M`Bengue von einem schönen Abschied, bei dem auch ein paar Tränen geflossen seien: "Das war und ist meine erste Etappe außerhalb von Deutschland. Natürlich wächst man da einfach als Persönlichkeit, nicht nur auf dem Feld, sondern auch daneben. Es war ein Riesenschritt für mich, dort allein hinzugehen und absolut richtig.“
Mit dem Sprung in die Nationalmannschaft hat sein persönliches Märchen eine ganz neue Stufe erreicht. „Doch mir ist nichts zugeflogen“, betont M´Bengue mit ernster Stimme. Dahinter stecke sehr viel harte Arbeit. Vor allem in der monatelangen Reha, die er vor seinem Wechsel nach Portugal meistern musste. „Ich kann mir jedenfalls nicht vorwerfen, nicht alles Mögliche dafür getan zu haben, das mein Körper wieder funktioniert.“ Persönlich musste er mit seiner Mannschaft auch einen ganz tiefen Schicksalsschlag verarbeiten. Im Februar 2021 war FCP-Torwart Alfredo Quintana, einer von M´Bengues besten Freunden im Team, im Training zusammengebrochen. Wenige Tage später verstarb Quintana im Alter von nur 32 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts.
Portugal hat den einstigen Top-Torjäger des TSB Gmünd – bis 2014 lief er für den heutigen Oberligisten auf – auch als Mensch verändert. Das hat vor allem mit vergleichsweise lockeren Lebenseinstellung der Portugiesen zu tun. „Wir als Deutsche haben ja schon einen klaren Plan, wie alles ablaufen muss. Mir wurde dann schnell klar, dass es hier anders ist“, berichtet der 30-Jährige schmunzelnd. Als er seine Wohnung beziehen wollte, habe es angefangen. Denn einen Internetanschluss habe man nur bekommen, wenn man ein Bankkonto hat. Ein Bankkonto aber nur, wenn man eine Steuernummer hat – und umgekehrt. „Ich war völlig überfordert“, lacht M´Bengue. Für einen Tag sei ihm in der neuen Wohnung einfach für einen Tag der Strom abgestellt worden: „Es war schon etwas chaotisch.“ Zuständig gewesen sei eigentlich der damalige Teammanager, der aber „nicht gerade die Zuverlässigkeit in Person“ gewesen sei: „Den hat man probiert zu erreichen, aber er ist einfach nicht rangegangen. Wenn ich ihn dann in der Halle getroffen habe, hat er mit den Schultern gezuckt nach dem Motto: Sorry, habe ich vercheckt.“
 
Nach einigen Monaten habe er sich dann nicht mehr darüber gewundert, wenn plötzlich mal der Strom ausfällt oder der bestellte Handwerker einen Termin verpennt. Ewig lange Schlangen im Supermarkt gehören längst zum Alltag. Und wenn man mal im Stau steht? Dann ist das halt so. „Man schätzt das Leben in Portugal halt mehr“, meint M´Bengue ganz gelassen. Wenn man diese Lebenseinstellung nicht kenne, brauche es Zeit, sich daran zu gewöhnen: „Klar spielt auch dort die Arbeit eine wichtige Rolle, aber man hat eine gesündere Work-Life-Balance. In Deutschland wird man ja in vielen Städten doof angeguckt, wenn man mittags schon ein Bier trinkt.“
Seine eigenen Sprachkenntnisse allerdings hätten sich nur geringfügig entwickelt. Portugiesisch gesprochen habe er nur, wenn es unbedingt nötig gewesen sei, erzählt der Schwabe: „Ich verstehe immerhin schon ziemlich viel. Was die Aussprache angeht, könnte es tausendmal üben und würde es immer noch nicht hinkriegen.“ Ein Problem sei das nie wirklich gewesen. Und nicht zuletzt habe die herrliche Lage für viele kleine Probleme entschädigt. Von seiner Wohnung brauchte M´Bengue nur wenige Minuten bis zum Meer oder an der Standpromenade von Porto zu flanieren: "Andere kommen hierher, um Urlaub zu machen. Ich hatte das Privileg, hier Handball auf höchstem Niveau spielen zu dürfen.“
 
Doch nur mit Sommer, Sonne, Heiterkeit hatte der handballerische Alltag wenig zu tun. Bei den stets brisanten Derbys gegen die Klubs aus Lissabon hatten gegnerische Fans oftmals Gegenstände und Getränke auf das Spielfeld geworfen. In der Champions League durfte sich der FCP regelmäßig mit den Weltklasse-Ensembles aus Paris, Barcelona und Kiel messen. M´Bengue ist überzeugt, dass Porto unter den Top Sieben in der Bundesliga landen würde. „Sportlich gesehen gibt es eigentlich keine Gründe, Portugal zu verlassen“, sagt er mit Blick auf seinen Wechsel zum Bergischen HC. Der familiäre Aspekt war letztlich ausschlaggebend: „Für meine Freundin und mich war es die Prämisse, in Deutschland einen gemeinsamen Lebensmittelpunkt zu schaffen. Dem FC Porto bin ich unfassbar dankbar. Aufgrund meiner Vorgeschichte sind sie damals ein großes Risiko eingegangen. Das werde ich dem Verein nie vergessen.“
Beim BHC, der seine Heimspiele abwechselnd in Wuppertal und Solingen austrägt, wird M´Bengue zwar vorerst auf spannende Europapokal-Abende verzichten müssen. „Aber das Gesamtpaket passt einfach“, findet der Rückraumspieler, dessen neuer Arbeitgeber die vergangene Runde auf dem elften Rang abgeschlossen hat. „Eine solide Mannschaft mit Luft nach oben“, findet der Neuzugang und freit sich besonders auf die Zusammenarbeit mit dem neuen Trainer Jamal Naji. Der erst 36-Jährige coachte bislang den Zweitligisten TUSEM Essen und gilt als einer der talentiertesten Handballtrainer in Deutschland. Am 18.Juli startet der BHC mit der Vorbereitung auf die neue Bundesliga-Saison. „Ich bin gespannt, wie weit wir uns nach oben orientieren können“, fiebert M´Bengue dem Auftakt im September entgegen. In der Bundesliga steht er nun auch noch mehr im Blickfeld von Bundestrainer Alfred Gislason – sicherlich ein schöner Nebeneffekt.