Mit ihrer Schnelligkeit und Wurfgewalt sorgen Marian und Nicola Rascher seit einem Jahr für neue Gefahr aus dem TSB-Rückraum. Die beiden Brüder sorgen nicht nur in der Halle, sondern ebenso beim Beachhandball für kräftig Furore.
Brüderpaare beim TSB – das hat Tradition. Michael und Andreas Hieber, Sebastian und Benjamin Göth, Aaron und Simon Fröhlich, Max und Jan Häfner – alle standen sie gemeinsam für die Blau-Gelben auf der Platte. Lief es bei den Brüdern, war meistens auch der TSB erfolgreich. „Diese Tradition führen wir natürlich gerne weiter“, erklärt Marian Rascher lachend und fährt fort: „Nicht nur wir beide, sondern das ganze Team hat trotz dem größerem Umbruch im vergangenen Sommer schnell harmoniert. Auch die einzelnen Charaktere haben richtig gut zusammen gefunden. Jeder gibt im Training 110 Prozent und bekommt auch mal einen Schlag ab, doch dann klatscht man sich ab und macht weiter. So macht das richtig Lust und Laune.“ Die Stimmung bei den Jets ist prächtig. Da pflichtet der jüngere Bruder Nicola – von allen bloß Nico gerufen – sofort bei: „Wir befinden uns auf einem sehr guten Weg und wissen, dass wir gemeinsam viel erreichen können. Dazu wollen wir unseren Teil beitragen.“
Ein Gespräch mit den beiden Brüdern bringt viele Lacher mit sich. Das liegt zum einen daran, dass sie viele Anekdoten zu erzählen haben. Aber auch an der grundsätzlichen Fröhlichkeit, die die beiden Vollbluthandballer mit sich bringen – damit sind sie nicht nur sportlich, sondern auch rein für die Stimmung ein Riesen-Gewinn für den TSB Gmünd. Auf dem Spielfeld fühlen sich die beiden Rechtshänder im Rückraum am wohlsten. Während Nico die „Königsposition“ halblinks bekleidet, tritt Marian als klassischer Spielmacher in Erscheinung – ganz ähnlich wie Kapitän Aaron Fröhlich. Zwei der besten Spielmacher der Region zusammen in einem Team – wie passt das zusammen? „Wir ergänzen uns gegenseitig“, erklärt Marian selbstbewusst. Immerhin sieht die Spielphilosophie von Trainer Dragoș Oprea keine drei starren Positionen im Rückraum vor: „Sondern, dass wir viele Wechsel vornehmen und maximal flexibel sind.“ Da Fröhlich derzeit mit Wadenproblemen ausfällt, stehen die beiden Brüder umso mehr im Fokus. Nico erzielte beim Heimsieg gegen Weilstetten am vergangenen Sonntag herausragende 13 Treffer.
Das erste Jahr in Gmünd war sowohl für Nico als auch für Marian Rascher eine total seltsame, wenn auch lehrreiche Zeit. In dreieinhalb Monaten Vorbereitungszeit inklusive zweier Trainingslager wurde kräftig geschwitzt, dann war die Runde nach gerade einmal vier Spieltagen wieder zu Ende. Für den 26-jährigen Marian hatte der neuerliche Lockdown tatsächlich auch einen positiven Aspekt: Er nutzte die lange Pause für eine dringend notwendige Operation am Knie, um dann völlig ohne Zeitdruck das Comeback in Angriff zu nehmen.
Nun stehen die Raschers wieder gemeinsam für die TSB Jets auf der Platte – für das Duo längst nichts Ungewohntes. Zwei Jahre spielten sie schon gemeinsam für die SV Remshalden. Doch auch die Erfahrung, gegeneinander anzutreten, kann ihnen niemand mehr nehmen. In der Oberliga-Saison 2017/18 konnte Marian im SVR-Dress das Familienduell gegen Nico, damals für den TSV Deizisau aktiv, gleich zweimal für sich entscheiden. Am Ende stieg Deizisau ab, Remshalden blieb drin. „Miteinander zu spielen macht mir da schon mehr Freude“, gesteht Nico, der Marian anschließend nach Remshalden folgte. Im Frühjahr 2020 folgte der gemeinsame Wechsel, das Remstal hinauf, nach Gmünd: „Wir standen ständig in Kontakt, haben uns ausgetauscht und uns dann bewusst gemeinsam für den TSB entschieden.“
Dass mit Stephan und Daniel Mühleisen zwei Freunde und ehemalige Mitspieler aus Bartenbacher Zeiten bereits dem TSB angehörten, erleichterte den Rascher-Brüdern die Entscheidung, „Es ist richtig schön, dass diese alte Truppe, mit der wir früher in der Jugend eine erfolgreiche Zeit erleben durften, nun wieder zusammengefunden hat und hoffentlich weitere Erfolge sammeln wird“, so Marian. „Es waren schon vor dem Wechsel viele Kontakte vorhanden“, unterstreichen beide. Den allermeisten der neuen Mitspieler begegneten sie bereits in der HVW-Auswahl, in Ligaspielen oder auch vor vielen Jahren beim traditionellen Gmünder Handballcamp in den Sommerferien.
Nicht zuletzt ist auch Vater Andreas „Rudi“ Rascher seit bald zwei Jahren ein TSBler – zunächst als Assistent von Interimscoach Michael Hieber, nun als Cheftrainer des Perspektivteams übernimmt er Verantwortung bei den Jets. Gleichzeitig ist er für seine beiden Söhne oftmals der härteste Kritiker. „Zu unserer Zeit in Remshalden saß er auf der Zuschauertribüne, nach den Spielen gab es dann oftmals einen kleinen Seitenhieb“, erzählt Nico und das völlig ohne Groll. Denn in einer total handballverrückten Familie seien solche Diskussion genau richtig aufgehoben: „Wir sind nicht so verwöhnt, dass uns immer Honig um den Mund geschmiert wird und diskutieren gerne über unsere Fehler. Konstruktive Kritik ist immer gut und notwendig, immerhin wollen wir uns ja stetig verbessern.“
Das gilt übrigens nicht nur für die Auftritte in der Halle, sondern auch im Sand. Was viele Gmünder Fans noch gar nicht wissen: In Marian und Nicola Rascher hat der TSB nicht nur zwei flexible Rückraumspieler, sondern auch exzellente Beachhandballer hinzugewonnen. Eine Sportart, die zunehmend boomt und in den kommenden Jahren sogar olympisch werden könnte. Den Raschers wurde das „Beachen“ quasi in die Wiege gelegt. Vier Jahre vor Nicos Geburts wurde in Bartenbach das deutschlandweit erste Turnier ausgetragen – seitdem ist eine Tradition rund um den „Bartenbeach“ gewachsen. „Wir hatten eigentlich keine andere Wahl, als von kleinauf dem Beachhandball zu verfallen“, stellt Marian grinsend fest.
Der ältere Bruder ist das Oberhaupt der „Otternasen“. Jener Beachhandball-Mannschaft, der mit dem Mühleisen-Zwillingen sowie Gentian Krasniqi drei weitere TSB-Akteure angehören. 2019 erzielten die Otter sensationell den dritten Platz bei den Deutschen Meisterschaften. Bei der Neuauflage nach Corona im Juni 2021 reichte es immerhin zu Rang vier. Was macht die Faszination Beach aus? „Die Grundelemente sind eigentlich gleich wie der Halle“, erklärt Nico: „Doch im Sand geht es auf dem kleineren Feld viel schneller zu. Durch die Wechselmöglichkeiten ist mehr Tempo drin und natürlich sind die Trickwürfe – Kempa und Pirouette – extrem spektakulär für das Publikum.“
Beide Brüder dürfen sich sogar Nationalspieler nennen. „Es war eine super Zeit, aber mittlerweile habe ich das Zepter an Nico weitergegeben“, erzählt Marian von seiner EM-Teilnahme 2017. Dass sie einmal gemeinsam in den DHB-Kader berufen werden, erscheint unrealistisch. Nico wurde zwar zum ersten Lehrgang nach dem Lockdown eingeladen, zur Nominierung für die EM 2021 in Bulgarien reichte es allerdings nicht. Was aber nichts daran ändert, dass sich der 23-Jährige weiterhin hohe Ziele setzt: „Einmal den Adler auf der Brust zu tragen, ist eine geile Erfahrung, die man nicht missen möchte. Natürlich will man dann auch mit dabei bleiben.“
Die Priorität liegt nun aber vielmehr darauf, mit dem TSB in der Oberliga zu überzeugen. Das steht für Marian außer Frage: „Beachhandball ist für uns ein guter Ausgleich, aber doch mehr Funsport als Profession. Besonders körperlich geht es im Sand nicht ganz so sehr zur Sache.“ Dafür aber in der Halle umso mehr und umso länger. Denn die neue BWOL-Saison dauert – wenn denn nichts dazwischen kommt – fast ohne Pause bis Ende Mai.
Marian und Nicola Rascher, so viel ist klar, werden ihren Beitrag leisten, auch über diese unruhige Corona-Zeit hinaus eine Ära beim TSB zu prägen. Am Samstag (20 Uhr / Sporthalle im Schulzentrum West) werden auswärts beim favorisierten TVS 1907 Baden-Baden aber zunächst zwei weitere Punkte für das Wunschziel Ligaverbleib angepeilt.
(Text: Nico Schoch - Bilder: Nico Schoch (4), Privat)