"An solchen Spielen wachsen wir": In die Enttäuschung mischt sich beim TSB Gmünd eine Aufbruchstimmung

40 Minuten lang war der TSB Gmünd drauf und dran, dem Regionalliga-Spitzenreiter SG Köndringen/Teningen den ersten Punktverlust zuzufügen. Die Stimmen und Analysen nach einem Handballfest, bei dem aus Sicht der Hausherren nur das 31:36-Endergebnis nicht passte.
 
Im wahrsten Sinne des Wortes verloren standen die "Jets" am Sonntagabend vor ihrem großen Publikum, um sich den verdienten Applaus abzuholen. "Ziemlich leer", fühlte sich Kai Schäffner, während direkt daneben die SG Köndringen/Teningen ihren wohl entscheidenden Schritt zum Drittliga-Aufstieg ausgelassen feierte. Trotzdem war der TSB-Rückraumspieler stolz auf die gezeigte Leistung: "Wir haben alles herausgeholt, uns gut verkauft, toll mitgehalten." Andreas Maier hingegen stapfte auch noch eine Stunde später angefressen durch die Halle. "Vor der Runde hatte niemand einen Funken Hoffnung, dass wir so ein Spitzenspiel vor 1000 Zuschauern haben würden", meinte der Abwehrchef zwar: "Nach einer überragenden ersten Halbzeit hatten wir die Chance, zu gewinnen. Deshalb ist die Enttäuschung riesig."
 

Stimmungsvolles Topspiel auf extrem hohem Niveau

Enttäuschung – aus Sicht der TSB-Macher ein Unwort. Der Sportliche Leiter Jürgen Rilli freute sich über ein tolles Event, bei dem keiner der rund 1000 Zuschauer sein Kommen bereuen musste. "Unglaublich, was innerhalb von einem Jahr für eine Euphorie entstanden ist", ergänzte Michael Hieber. Der Abteilungsleiter hatte sich am Spielfeldrand lange mit seinem früheren Schützling Max Häfner vom Bundesligisten TVB Stuttgart sowie dem Ersten Bürgermeister Christian Baron ausgetauscht. "Der Handball kann noch mehr zu einem Aushängeschild unserer Stadt werden", ist Hieber überzeugt.
Die tolle Kulisse dient dafür als bestes Argument. Bereits im Online-Vorverkauf hatte der TSB über 300 Tickets abgesetzt, weitere 200 Fans fieberten im Online-Livestream mit. Auf der Tribüne der Großen Sporthalle waren nur wenige Außenplätze frei geblieben, in der Mitte drängten sich die Leute sogar auf den Treppen und hinter dem Tor tummelten sich die Jugendspieler an den Trommeln. "Genau dafür lebt man als Handballer, saugt das auf und zieht Energie heraus", freute sich Schäffner. Die Menge so richtig zum Toben brachte Linksaußen Niklas Burtsche mit seinen herausragenden 13 Toren: "Für mich war es das erste Spiel vor so einer vollen Halle, die zum Hexenkessel geworden ist. Das konnten wir mit unserer guten Leistung krönen."
 

Nach 40 Minuten überwiegen Qualität und Routine der Gäste

Die Gmünder verlangten der Übermannschaft aus dem Breisgau alles ab, spielten vielleicht sogar ihre stärkste erste Halbzeit in dieser Saison. "Da haben die Köndringer oft nicht gewusst, was sie machen sollten", findet Maier. Weil auch der Klassenprimus in Top-Form war, konnte sich lange Zeit keiner der beiden Kontrahenten absetzen. Nach dem 22:22 (38.) und der Roten Karte gegen Jonas Schwenk verlor der TSB allerdings den Faden, lag zehn Minuten später schon mit vier Toren im Hintertreffen. Im Spiel mit dem siebten Feldspieler machten die Gäste kaum Fehler und gewannen so die Kontrolle. Eine Qualität, die auch auf Gmünder Seite neidlos anerkannt wurde.
Für den sportlichen Coup hätte beim TSB alles passen müssen, doch schon die Trainingswoche war von einer Krankheitswelle überschattet worden. Routinier Christian Waibel konnte deshalb gar nicht erst mitwirken, Tom Abt war tagelang ans Bett gefesselt und wirkte nach dem Topspiel entsprechend abgekämpft. Es ehrt den 22 Jahre jungen Spielmacher, dass er seinen Kräfteschwund gar nicht erst als Ausrede benutzen wollte. Sein Trainer bescheinigte ihm angesichts der Vorgeschichte sogar eine "sensationelle Leistung". Selbst Aaron Fröhlich war nicht verschont geblieben, bilanzierte dann mit angeknackster Stimme: "Wir haben nicht lamentiert, sondern über weite Strecken das Beste daraus gemacht. Doch selbst eine gute Leistung reicht eben nicht gegen den ungeschlagenen Tabellenführer."
 

Ein Spiegelbild zum Hinspiel

Aus der Not heraus hatte Fröhlich ein taktisches Experiment gewagt, um die Übermacht Köndringen/Teningen zu bändigen. "Ich hatte das Gefühl, dass wir in einem 08/15-Spiel den Kürzeren ziehen und etwas Besonderes brauchen", so der 34-Jährige. Die offensive Deckung verfehlte ihren Überraschungseffekt nicht. Mit etwas mehr Effizienz hätte der TSB zu Beginn höher führen können, um die Gäste ins Nachdenken zu bringen. Stattdessen kippte das Spiel nach besagten 40 Minuten, als dem TSB die Kraft ausging. Was aus Trainersicht noch hinzu kam: "Die Strafen der Schiedsrichter waren bei uns sehr viel kleinlicher als beim Gegner. Köndringen hat das gnadenlos ausgespielt, wir konnten nicht mehr Schritt halten."
Gewissermaßen war es ein Spiegelbild zur 33:39-Hinspielniederlage: Der TSB spielte wieder einmal frech mit, doch mit zunehmender Spieldauer überwogen Qualität und Routine der SG. Zum Vergleich: Die Gmünder Startsieben war durchschnittlich 24,5 Jahre alt, die der Gäste 27,4 Jahre – mit dem langjährigen Erstligaspieler Pascal Bührer an vorderster Stelle. "Er entscheidet jede Aktion und hat vermutlich keine Fehlentscheidung getroffen", staunte Gegenspieler Schäffner. Kreisläufer Jonas Waldenmaier, einer der Ältesten im Gmünder Team, brachte es auf den Punkt: "Man hat gut gesehen, warum Köndringen alle seine Spiele gewonnen hat. Wir brauchen so ein Spiel, um daran zu wachsen und größer zu werden."
 

Kann der TSB keine Spitzenspiele?

Für diese Saison steht allerdings eine bittere Bilanz gegen die Spitzenteams: Zwei Niederlagen gegen Köndringen/Teningen, auch beim TV Bittenfeld II (29:33) und zuhause gegen den Tabellenvierten VfL Waiblingen (27:28) unterlag der TSB jeweils knapp. "Bislang fehlt uns in allen Topspielen die Cleverness", hadert Abt. Der Kapitän aber ist hoffnungsvoll, dass die Mannschaft aus diesen Erfahrungen lernen wird und künftige Drucksituationen bestehen wird: "Ich kann für die ganze Mannschaft sprechen, dass wir extrem stolz auf das Erreichte sind, uns darauf aber nicht ausruhen oder uns zurücklehnen werden. Wir machen weiter, um uns noch so ein tolles Spiel zu ermöglichen und es dann besser zu machen."

Möglich wäre ein weiteres Endspiel in eigener Halle am 12.April gegen den TV Bittenfeld II. Allerdings liegen die Gmünder nun drei Punkte hinter dem Tabellenzweiten zurück, haben die Aufstiegschance also nicht mehr in eigener Hand. Aaron Fröhlich will diese Szenarien ohnehin nicht kommentieren, sondern richtet den Blick nach vorne auf das Auswärtsspiel bei der MTG Wangen am kommenden Samstag. "Mund abputzen und die letzten sechs Spiele mit voller Energie gewinnen", so lautet die klare Ansage des TSB-Erfolgscoaches.

(Text: Nicolas Schoch - Bilder: Frank Bieg)