Eine gute Halbzeit reicht nicht: TSB Gmünd verpatzt den Saisonauftakt

Handball, Oberliga: Die Gmünder Durststrecke gegen den TV Bittenfeld II hält an. Nach einem Acht Tore-Rückstand kämpfte sich der TSB eindrucksvoll zurück, unterlag starken Gästen letztlich aber verdient mit 31:36 (14:20).

 

Monatelang hatten die „Jets“ diesem Moment entgegen gefiebert, dann aber war der Saisonstart von einer Reihe von Pannen begleitet. Die Video-Leinwand der Großen Sporthalle verweigerte den Dienst, den Spielstand erfuhren die Fans nur aus den Durchsagen von Holger Sohnle. Sportlich brauchte der TSB eine gewisse Anlaufzeit, um in der neuen Runde anzukommen. Zuvor stellten die Gmünder allerdings zwei Negativrekorde ihrer Oberliga-Historie auf: Erstmals setzte es in eigener Halle 20 Gegentore in einer Halbzeit, obendrauf vergaben drei verschiedene Schützen die ersten drei Siebenmeter des Spiels. „Wir waren alle heiß, aber der Gegner war heißer“, stellte der Sportliche Leiter Jürgen Rilli ernüchtert fest. Die Reaktion der Mannschaft in der zweiten Halbzeit stimmte dann zwar versöhnlich, doch Rilli und Trainer Michael Stettner waren sich hinterher einig: „Über 60 Minuten gesehen haben wir verdient verloren, Bittenfeld war die bessere Mannschaft.“

 

Nach zwei Paraden von Tormann Daniel Mühleisen hatte der TSB durch Nicola Rascher und Jonas Schwenk zunächst zwar ein 2:0 (2.) vorgelegt. Doch schon in den Anfangsminuten machten die Talente des Bundesligisten TVB Stuttgart den spritzigeren Eindruck, immer wieder waren sie mit schnellen Gegenstößen erfolgreich. Bis zum 5:3 (8.) durch Kreisläufer Jonas Waldenmaier war die Gmünder Welt noch in Ordnung, doch das Blatt wendete sich. Beim 5:8 (11.) versuchte Stettner sein Team wachzurütteln – vergeblich.

 

Dem TSB mangelte es an Entschlossenheit, viel zu hektischen wurden im Angriff die Bälle hergeschenkt. Als Krönung scheiterten sowohl Kapitän Rascher als auch die beiden Außen Wolfgang Bächle und Eric Zimmermann von der Siebenmeterlinie am stark aufgelegten TVB-Keeper Nick Lehmann. Mit einem weiteren 5:0-Lauf zogen die Gäste auf 8:16 (23.) davon. Mit Tom Abt konnte erst der vierte Schütze einen Siebenmeter verwandeln, direkt darauf traf der Gmünder Spielmacher aus der Distanz zum 13:19 (28.) ins leerstehende Gehäuse. Mit der Sechs-Tore-Hypothek waren die Hausherren sogar noch gut bedient und nur die wenigsten der 500 Zuschauer hätten zur Pause wohl noch mit einem Comeback gerechnet.

 

„Vielleicht war es ganz gut, dass die Anzeigetafel nicht funktioniert hat“, meinte TSB-Torwart Tobias Klemm, der nach dem Seitenwechsel für Mühleisen zwischen die Pfosten rückte: „Für uns war es so gar nicht richtig präsent, wie hoch der Rückstand wirklich ist.“ Neuzugang Klemm hatte mit seinen Paraden entscheidenden Anteil daran, dass doch noch Spannung aufkam. Die Gmünder Abwehr tat sich zwar weiterhin schwer, das Offensivspiel hingegen wirkte nicht mehr so schwerfällig. Als der ebenfalls erst eingewechselte Arian Pleißner mit einem wuchtigen Rückraumwurf auf 20:23 (39.) verkürzte, erhob sich erstmals die gesamte Ersatzbank zum Jubeln. Die Stimmung übertrug sich direkt auf das Publikum.

 

Das Derby nahm nun richtig Dramatik auf. Im Rückraum übernahmen nun die Youngster Abt und Pleißner viel Verantwortung, während Maier und Rascher gemeinsam die Defensive stabilisierten. Davon profitierte auch der starke Rückhalt: Klemm setzte einen Wurfversuch zunächst knapp am leeren Gästetor vorbei. Den nächsten gefangenen Ball gab er dann an Rascher weiter, der über das ganze Feld hinweg zum 25:27 einnetzte (47.). Zimmermann markierte sogar den Anschlusstreffer – die Aufholjagd schien belohnt zu werden. Zumal die Bittenfelder inzwischen auf ihren besten Werfer verzichten mussten. Rückraum-Linkshänder Jan Luca Mauch (9 Tore) war unglücklich umgeknickt und verfolgte die Schlussphase mit schmerzverzerrtem Gesicht hinter dem Feld. Bis zum 27:28 (50.) von Waldenmaier hieß es kräftig zittern für die Gäste.


Der TVB II reagierte mit einem Torwartwechsel, der Wirkung zeigte. TSB-Neuzugang Stefan Scholz fand im neuen Keeper Joshua Gantner direkt seinen Meister, im Gegenzug stellte Dalio Uskok per Doppelschlag auf 27:30 (51.). Der TSB kämpfte weiter verbissen gegen die drohende Heimschlappe an. Pleißner traf zunächst den Pfosten, holte sich die Kugel aber zurück und traf im zweiten Anlauf – eine symbolische Szene für die starke Moral, die aber unbelohnt blieb. Denn die Fehlerkette riss bis zum Schluss nicht ab. Der Versuch eines Konters von Klemm auf Zimmermann wurde von Gantner abgefangen. Als sich Rascher dann einen technischen Fehler leistete, erhöhte Bittenfeld auf 29:33 (56.) - die Entscheidung.

 

Am Ende steht für den TSB die bittere Erkenntnis, die es in der vergangenen Saison schon oftmals gab: Nur eine starke Viertelstunde genügt nicht, um gegen die Top-Teams der Liga zu bestehen. „Glücklich sind wir damit natürlich nicht“, betonte Jonas Schwenk. Der Youngster wollte die Auftaktniederlage aber auch nicht überbewerten: „Wir sollten jetzt nicht den Teufel an die Wand malen.“ Der Start ist zwar misslungen, doch umso wichtiger wird die erste Auswärtsfahrt am kommenden Sonntag (17 Uhr) zum TuS Schutterwald. Der südbadische Aufsteiger setzte mit einem 38:32-Erfolg in Herrenberg direkt das erste Ausrufezeichen der neuen Saison. Dennoch sagt TSB-Trainer Stettner: „Bei einem Aufsteiger sind wir natürlich der Favorit und es gibt einiges, was wir besser machen können.“

 

TSB: Daniel Mühleisen, Tobias Klemm, Giovanni Gentile (n.e.) – Eric Zimmermann (8), Tom Abt (5/2), Jonas Waldenmaier (4), Arian Pleißner (3), Wolfgang Bächle (3), Andreas Maier (3), Nicola Rascher (2), Stefan Scholz (1), Jonas Schwenk (1), Patrick Watzl (1), Louis Waldraff (n.e.)

TVB II: Nick Lehmann, Joshua Gantner – Jan-Luca Mauch (9), Michael Seiz (9/3), Alexander Bischoff (6), Dalio Uskok (4), Maurice Widmaier (3), Jona Willi Mauch (3), Yannick Wissmann (2), Nico Bacani, Joe Traub, Luca Eckert, Finn Eberle, Felix Hoffmann, Fabian Lucas, Philipp Porges

Siebenmeter: TSB 5/2 – TVB 3/3

Zeitstrafen: TSB 0 Minuten – TVB II 8 Minuten

Schiedsrichter: Roland Hofmann (TSV Amicitia Viernheim), Sohns (SG Heddesheim)

Zuschauer: 500

 

 

„Verstehe nicht, was mit uns los war“ – Stimmen zum Auftaktspiel

 

Fehlstart für den TSB Gmünd. Bei der 31:36-Heimschlappe gegen den TV Bittenfeld bewiesen die „Jets“ zwar Charakterstärke, doch die desaströse Vorstellung der ersten Halbzeit sorgt bei Spielern und Trainer für Unverständnis.

 

Michael Stettner, TSB-Trainer: „Wir haben das Spiel in der ersten Halbzeit verloren. Die Mannschaft hat große Moral gezeigt und schafft es dann auch, noch einmal auf ein Tor zu verkürzen. Dann war es wieder ein Spiel auf Augenhöhe, doch Bittenfeld war souveräner. Zum Schluss machen wir wieder zwei blöde Fehler zu viel und das Spiel ist entschieden. Solche Kleinigkeiten waren ausschlaggebend. Die Chancenverwertung ist sicherlich das größte Thema, wo wir uns schnellstens steigern müssen. Wenn wir an das anknüpfen, was wir in der zweiten Hälfte gut gemacht haben, dann sind wir auf einem guten Weg.“

 

Alexander Heib, TVB II – Trainer: „Das Spiel ist genauso gelaufen, wie ich es mir erhofft habe. Wir kommen ordentlich rein und Torwart Nick Lehmann hilft uns mit den drei gehaltenen Siebenmetern, die Führung schnell auszubauen. Vor der Halbzeit allerdings kassieren wir dann schon zu einfache Gegentore. Der TSB ist gefährlich geblieben. Über 60 Minuten betrachtet, war es ein verdienter Sieg. Aber für kurze Zeit hatte ich Angst, dass das Spiel kippen könnte. Doch in der entscheidenden Phase waren wir hellwach und bereit, die Zweikämpfe anzunehmen.“

 

Jonas Schwenk, TSB-Kreisläufer: „Von Anfang an haben wir uns brutal viele Fehler erlaubt. Wir haben uns unclever verhalten und sind in der zweiten Welle ein zu hohes Risiko gegangen. Das ist gnadenlos bestraft worden. Nach der Pause haben wir uns einen Lauf gespielt. Die Emotionen gehen dann automatisch auf die Abwehr über. In dieser Viertelstunde waren wir die deutlich bessere Mannschaft. Nur hat uns das zu viel Kraft gekostet. Bittenfeld war zu abgezockt, um sich den Sieg aus der Hand nehmen zu lassen – obwohl wir die Chance dazu hatten. Wir haben den Gegner mit unseren Fehlern immer wieder aufgebaut.“

 

Andreas Maier, TSB-Rückraumspieler: „Ich verstehe nicht so ganz, was in der ersten Halbzeit mit uns los war. Wir waren alle mega heiß auf dieses Derby und ich gegen meinen Ex-Verein natürlich ganz besonders. Doch wir hatten in der Abwehr zu wenig Zugriff, so dass uns auch unsere Torhüter nicht so viel helfen konnten. Offensiv haben wir uns nicht an unser System gehalten. Jeder hatte eine eigene Idee oder einen Ausreißer, ich auch. Besonders genervt hat mich, dass wir so wenig Stimmung auf dem Platz hatten. In der Pause haben wir Klartext gesprochen, danach waren wir aggressiver und hätten das Spiel drehen können. Doch wir haben das Zepter wieder aus der Hand gegeben.“

 

Tobias Klemm, TSB-Tormann und Neuzugang: „Daniel Mühleisen und ich, wir pushen uns gegenseitig. Nach jedem Wurf tauschen wir uns aus, unterstützen den anderen auch von der Bank aus und hoffen, dass er die Bälle hält. Man hat gemerkt, wie sich die tolle Stimmung in der Halle auf die Mannschaft ausgewirkt hat. Doch wir haben zu Beginn der zweiten Hälfte zu viele Körner liegen lassen und machen insgesamt zu viele Fehler. Das ist sehr schade. Doch wir haben gesehen, dass wir nicht nur nach einem Rückstand zurückkommen können, sondern mit einer besseren Chancenverwertung auch ein Spiel beherrschen können. Mit diesem Gefühl im Rücken fahren wir nächste Woche trotzdem selbstsicher nach Schutterwald.“

 

(Text: Nico Schoch)