Bedenklich auf zwischenmenschlicher Ebene: Der Lockdown trifft besonders die Kids

Dass die Spiele bis mindestens Ende Januar ausgesetzt sind, enttäuscht und frustriert alle Handballer. Die Sorge aber gilt vor allem den Kindern und Jugendlichen. Außer Schulsport bleibt dem Nachwuchs derzeit nicht viel Bewegungsspielraum, um sich – wie auf diesem Bild aus dem vergangenen Jahr – im Sport miteinander zu begegnen.

Auch die Handball-Oberliga pausiert bekanntlich bis zum 30./31.Januar. Mindestens. Denn: „Das heißt ja noch lange nicht, dass wir dann wieder spielen dürfen“, sagt Michael Hieber. „Ich würde es mir wünschen. Ich hoffe es inständig“, betont der Handball-Abteilungsleiter des Oberligisten TSB Gmünd. Aber „mir fehlt im Moment die Fantasie, daran zu glauben.“ Er versuche einfach, realistisch zu sein.

Die Skepsis überwiegt derzeit auch bei anderen Handballfunktionären auf der Ostalb. Der Beschluss des Handballverbands Württemberg vom Wochenende, den Spielbetrieb bis Anfang Februar auszusetzen, bedeute nur, dass vorher nichts mehr gehe, erklärt der stellvertretende Handball-Abteilungsleiter der Aalener Sportallianz, Roland Kraft. „Spielen können wir aber nur, wenn wir vorher auch trainieren dürfen.“ Das alles hänge schließlich von der politischen Weichenstellung für Januar und Februar ab, die bislang noch gar nicht getroffen wurde.
Beide, Hieber und Kraft, sehen deshalb den Beschluss, die Saison bis Ende Januar zu unterbrechen als zum jetzigen Zeitpunkt durchaus richtig an. Mehr noch: „Die Entscheidung kam viel zu spät“, kritisiert Michael Hieber weniger die Politik als vielmehr seine eigenen Verbandsoberen. Es sei „verkehrt gewesen, so eine Runde so anzufangen“, betont der erfahrene Handballer und Vereinsfunktionär mit dem Verweis darauf, dass er bereits im Sommer für eine einfache Runde plädiert hat. „Das wäre für die Vereine im Hinblick auf eine sicherere Planung viel einfacher gewesen“, sagt der TSB-Abteilungsleiter mit Blick auch auf die schwierigen Gespräche mit den Sponsoren und mögliche finanzielle Einsparungen, die man bei Spielern und Trainern von vorne herein hätte vornehmen können. „Aber“, so Hieber, „das ist jetzt verschüttete Milch. Wir müssen nach vorne schauen und versuchen, das Beste daraus zu machen.“

Das Training bei den Oberligahandballern des TSB Gmünd laufe derzeit vorwiegend als Einzeltraining. Ein Spieler mit dem Trainer ist erlaubt. Darüber hinaus hat jeder individuelle Trainingspläne an die Hand bekommen, um fit durch die Zeit zu kommen. „Ein Mannschaftstraining kann das natürlich nie und nimmer ersetzen.“ Und so, wie die Situation sich ihm derzeit darstelle, „kann ich mir nicht vorstellen, dass wir Ende Januar oder Anfang Februar wieder spielen werden“, sagt Hieber. „Wir brauchen dazu mindestens drei oder vier Wochen Training als Vorlaufzeit. Wir sind ja keine Profis.“

Ein paar Ligen tiefer, bei der Aalener Sportallianz zum Beispiel, läuft es ähnlich. Die Aktiven – deren höchstklassige Frauen- und Männerteams in der Bezirksklasse spielen – halten sich individuell fit und nehmen am Onlinetraining teil, das der Verein seinen Athleten anbietet.

„Bei den Aktiven funktioniert das schon“, sagt Roland Kraft. Seine Sorge gilt den Kindern und Jugendlichen. Die Lösung im Aktivenbereich, die bislang gespielten Partien zu werten, kann er nachvollziehen. „Ganz ausgewogen ist das sicherlich nicht“, sagt er vor dem Hintergrund, dass es Teams gibt, die schon drei Spiele gemacht haben, andere noch keines. Aber, gesteht er: „Ich wüsste auch keine bessere Lösung.“ Dass aber der Kinder- und Jugendbereich auf Bezirksebene nur noch als Freundschaftsrunde laufen wird und damit die Qualirunde ad acta gelegt ist, das nehme all jenen die Motivation, die in dieser Saison aufsteigen wollten.

Ein ganz anderes Thema sei, was diese Situation mit den Kindern und Jugendlichen überhaupt macht. Kraft, der selbst die männliche C-Jugend trainiert: „Man verliert völlig den Kontakt zu den Kindern.“ Bereits im Frühjahr seien nach dem ersten Lockdown von 17 drei nicht mehr gekommen. Dies seien garantiert auch nicht woanders hin. „Etwas anderes gab es ja auch nicht.“ Natürlich unterhalte man sich über WhatsApp. Die, die in dieselbe Schule gehen, die hätten wenigstens untereinander Kontakt. Es gehen aber nicht alle in dieselbe Schule. Also verlieren sich die Kinder auch untereinander aus den Augen. „Und das im Alter von 13, 14 Jahren, in dem sich viel entwickelt. Das ist auch auf der zwischenmenschlichen Ebene bedenklich.“

Auch beim TSB Gmünd macht man sich große Sorgen um die Kinder und Jugendlichen. „Natürlich ist unsere Herren-Oberligamannschaft unser Aushängeschild“, erklärt Michael Hieber. Aber „für die Gesellschaft viel wichtiger ist die Jugendarbeit. Da mache ich mir größte Sorgen.“
„Wir verlieren im Moment einen ganzen Jahrgang“, blickt der Abteilungsleiter des TSB auf die Situation und verhehlt dabei nicht, dass es auch schon Austritte zu verzeichnen gebe. Seit zehn Monaten hätten seine E-Jugendlichen, deren Trainer er ist, kein Spiel mehr bestreiten dürfen. „Wir haben es nach dem ersten Lockdown im Bezirk Stauferland nicht geschafft, für unsere Kleinsten einen Spieltag hinzubekommen.“ Es habe ihm damals schon weh getan, „wenn ich in die Augen dieser Kinder geschaut und gesehen habe, wie traurig sie sind, dass sie nicht spielen dürfen.“ Die Enttäuschung sitze mittlerweile sehr tief.

Für den Verein gehe es darum, Alternativen und Möglichkeiten für diese Kinder zu finden. „Ideen sind da“, betont Hieber. Die Umsetzung sei vielfach nicht möglich. „Das ist eine völlige Überforderung vieler Ehrenamtlicher.“

Der TSB Schwäbisch Gmünd hat das Glück, mit Sascha Grützmacher und Tom Abt zwei FSJ-ler (Freiwilliges Soziales Jahr) in seinen Reihen zu haben. Die beiden sind gerade dabei, im Verbund mit der Mozartschule Hussenhofen ein Onlineprojekt zu erarbeiten. Der Grundgedanke sei, spieleübergreifend die Mannschaften zusammenzubringen und den Teamgedanken weiter zu stärken. Das könne zum Beispiel auch beim Stadt-Land-Fluss-Spiel sein. Der Verlierer darf dann online Liegestützen in die Kamera machen. Und: Auch Eltern, Trainer und Betreuer sollen aktiv mit eingebunden werden. „Wir hoffen, dass wir das in den nächsten Tagen ins Laufen bringen“, sagt Michael Hieber. „Wir wollen zeigen, dass wir das als Verein auch stemmen können auf der digitalen Ebene. Das probieren wir jetzt.“ Aber, fügt der Familienvater hinzu: „Wir machen das alles im Ehrenamt. Da habe ich schon auch großen Respekt davor.“

© Gmünder Tagespost 01.12.2020 17:28 / Werner Röhrich