Ein dünner Kader muss kein Nachteil sein: Jets reisen zum Tabellennachbarn auf die Zollernalb

Es ist das Duell der beiden Überraschungsteams der Baden-Württemberg-Oberliga. Die punktgleichen Tabellennachbarn TSB Gmünd und TV Weilstetten haben ihre eigenen Erwartungen bislang weit übertroffen und kämpfen am Samstag (20 Uhr / Längenfeldhalle Balingen) um den Anschluss nach ganz oben. Das Spiel wird über die Plattform SolidSport live übertragen. 
 
Dass das Heimspiel gegen die HSG Konstanz II aufgrund eines positiven Corona-Befundes bei den Gästen kurzfristig ausfallen musste, kam dem TSB Gmünd angesichts der angespannten Personalsituation eigentlich nicht ungelegen. Möchte man zumindest meinen. Dragoș Oprea sieht das ganz anders. „Aus sportlicher Sicht wären wir bereit gewesen“, beteuert der Trainer und zeigt sich dennoch verständnisvoll: „Über allem steht die Gesundheit und die Verantwortung des Vereins gegenüber allen Beteiligten. Immerhin haben zwei unserer Spieler eine schwangere Frau zuhause.“

Verbessert hat sich die Ausgangslage für Oprea indes nicht. Valentin Pick und Jonas Waldenmaier fallen verletzungsbedingt weiterhin aus. Philipp Schwenk (Fingerverletzung) kehrte am Donnerstag immerhin ins Training zurück. Ob es für einen Einsatz am Samstag reichen wird, ist ungewiss. „Wir werden nicht riskieren, dass sich etwas verschlimmert“, betont Oprea. Das gleiche gilt für Tormann Sebastian Fabian (Adduktorenprobleme) und Kapitän Aaron Fröhlich (Achillessehne). Erschwerend hinzu kam, dass sich ein TSBler nach einem positiven Corona-Schnelltest vorerst in Quarantäne befindet. Das PCR-Testergebnis steht noch aus.
Die vermehrt auftretenden Covid-Fälle in der gesamten Oberliga stimmen den Gmünder Coach nachdenklich. Obwohl alle Akteure im Umfeld der Mannschaft längst geimpft sind und regelmäßig getestet werden, bleibt die Unsicherheit: „Jeder versucht das Beste daraus zu machen. Doch wenn es eine Mannschaft erwischt, lässt sich das nicht ändern.“ Oprea weiß um die angespannte Situation auch bei der Konkurrenz. Deshalb soll der ausgedünnte Kader keine Ausrede darstellen: „Auch wenn ich als Trainer darüber unglücklich bin und nur von Tag zu Tag schauen kann, geben wir alles für eine optimale Vorbereitung. Wir haben oft bewiesen, dass wir mit dezimiertem Kader sogar eine bessere Leistung gebracht haben, als wenn wir vollständig angetreten sind.“

Die Ergebnisse belegen das. Obwohl Verletzungssorgen die bisherigen 15 der 30 Partien begleiteten, hat sich der TSB zur „Saison-Halbzeit“ mit 19:11 Punkten in der oberen Tabellenhälfte festgebissen. Der Höhenflug der „Jets“ soll damit noch längst nicht beendet sein. Während das Polster zur Abstiegszone konstant neun Punkte beträgt, fehlen zu einem Aufstiegsrang nur drei Zähler. Lediglich der seit 13 Spielen ungeschlagene Spitzenreiter TVS 1907 Baden-Baden – kommende Woche zu Gast in Gmünd – hat sich mit 27:5 Punkten etwas vom Rest des Feldes abgesetzt. „Jeder von uns fiebert diesem Spiel entgegen“, erklärt Oprea zwar: „Doch bis dahin haben wir nur Weilstetten vor Augen.“
Der kommende Gegner hat sich nach einem Fehlstart mit 1:7 Punkten enorm gesteigert und liegt inzwischen gleichauf mit dem TSB. Gegen die Spitzenteams Weinsberg (36:32) und Herrenberg (30:24) habe Weilstetten „echte Big Points“ gelandet, so Oprea: „Das zeigt wieder einmal, dass in dieser Liga jeder jeden schlagen kann.“ Der 32:30-Hinspielerfolg war für die Gmünder die Initialzündung nach den beiden Auftaktniederlagen gegen Heiningen (28:37) und Konstanz (30:34). Allerdings musste der TSB damals bis zum Schluss zittern, was auch der enormen Qualität im jungen Aufgebot des TVW geschuldet war. Besonders der erst 19-jährige Rückraumlinke Noah-Gabriel Alilovic (48/3 Saisontore) bereitete Opreas Team enorme Probleme: „Er ist ein starker Spieler, der gerne und gut mit viel Anlauf aus 12 oder 13 Metern wirft.“ Nicht außer Acht gelassen werden sollten außerdem die torgefährliche Flügelzange Daniel Weckenmann (78 Saisontore) und Daniel Naumann (69/36), mit 27 Jahren übrigens der älteste Spieler der „Lochenfüchse“.

TVW-Coach Gerrit Jung, der das Ruder im vergangenen Sommer gemeinsam mit dem langjährigen Kreisläufer Felix Euchner übernommen hat, setzt konsequent auf die Talente aus dem Bundesliga-Nachwuchs der JSG Balingen-Weilstetten. Diese Linie scheint sich auszuzahlen. Dennoch richtet sich der Blick eher nach unten. Das Ziel sei weiterhin nur der Klassenerhalt, so Jung: „Wenn wir die nächsten Wochen erfolgreich gestalten, stehen die Chancen sehr gut, dass wir das Ganze etwas beruhigter angehen können.“ Diese Warnung kam nicht grundlos. Nach fünf Siegen am Stück unterlag Weilstetten dem Abstiegskandidaten TSV Birkenau in letzter Sekunde mit 27:28, die Auswärtspartie beim TuS Schutterwald musste corona-bedingt verschoben werden.
Oprea glaubt jedoch nicht, dass die beiden Überraschungsteams durch diese ungewollte Pause aus dem Rhythmus gekommen sind. Vielmehr erwartet er auf der Zollernalb 60 Minute puren Kampf. Denn der TVW stellt zwar nicht das größte oder körperlich stärkste Team, überzeugt jedoch mit viel Leidenschaft: „Sie spielen eine sehr aggressive und harte Abwehr, teilweise sogar über die Grenzen des Erlaubten hinaus.“ Deshalb wird es besonders wichtig sein, die massive Deckung der Hausherren in Bewegung zu bekommen und die richtigen Lösungen zu finden.

Angesichts der langen Ausfallliste dürften dabei die jungen Spieler, die zuletzt nur in zweiter Reihe standen, in den Fokus rücken. Tom Abt (19) und Patrick Watzl (19) tankten zuletzt Selbstvertrauen bei ihrem Einsatz im Perspektivteam, in dem auch Kreisläufer Kai Kiesel (19) und A-Junior Arian Pleißner (18) längst zu den Leistungsträgern zählen. Da der Bezirksklassen-Tabellenführer aber zeitgleich im Spitzenspiel bei der HSG Wangen/Börtlingen gefordert ist, muss sich Oprea mit seinem Trainerkollegen Andreas „Rudi“ Rascher absprechen. „Ich kann noch nicht sagen, wie unser Kader am Samstag aussehen wird“, sagt Oprea. In dieser besonderen Situation seien „Geduld und Fingerspitzengefühl“ gefordert.
Die Marschroute bleibt von all diesen Sorgen unberührt: Die Jets wollen ihren positiven Trend ebenso fortführen wie die starke Auswärtsbilanz, um acht Tage später mit breiter Brust dem Klassenprimus aus Baden-Baden gegenüberzutreten. Spätestens dann könnte es für den TSB endgültig heißen: Aufstiegs- statt Abstiegskampf.

TSB: Fabian, D.Mühleisen, Immer – Petersen, Watzl, Fröhlich, Abt, M.Rascher, N.Rascher, Pick, Pleißner, Schwenk, Bächle, Zimmermann, S.Mühleisen, Kiesel, Waibel
 
Der Gegner: TV Weilstetten
Hintere Reihe von links: Noa-Gabriel Alilovic, Jonas Lösch, Daniel Weckenmann, Tim Singer, Simon Sauter, Florian Pawelka, Felix Narr
Mittlere Reihe von links: Felix Saueressig, Abteilungsleiter Dietmar Kipp, Betreuer Karster Richter, Physiotherapeut Jochen Sauter, Trainer Felix Euchner, Trainer Gerrit Jung, Betreuer Michael Fischer, Lukas Bechinka
Vordere Reihe von links: Daniel Flad, Tim Wenzler, Jens Brückner, Niklas Euchner, Raphael Mondry Daniel Naumann, Fabian Mayer
Es fehlen: Luk Bartsch, Nick Single

(Text: Nico Schoch - Bilder: Enrico Immer, TV Weilstetten)