„Eine Kettenreaktion“: TSB dreht das Derby in 180 Sekunden

Der TSB Gmünd bietet den nächsten Handballkrimi, doch auf zwei Unentschieden folgt nun der erste Sieg im neuen Jahr. Mit einem energischen Schlussspurt drehen die Jets den Lokalschlager und bezwingen den TSV Heiningen mit 27:26 (11:15).

Von wegen Angstgegner! Erstmals seit 15 Jahren wurde der TSB Gmünd am Samstagabend wieder zum „Starenschreck“ und entführte beide Punkte aus der Voralbhalle des TSV Heiningen, die sich selbst den Spitznamen dieses gewitzten Vogels zu eigen machen. Dabei hätte selbst vier Minuten vor dem Ende wohl noch kaum einer unter den 210 Zuschauern auf einen Gmünder Sieg gesetzt. „Wichtig ist nur, dass wir daran glauben“, erklärte Trainer Dragoș Oprea später mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Wie bereits eine Woche zuvor in Herrenberg (26:26) hatte sich seine Mannschaft auch von einem Fünf Tore-Rückstand nicht unterkriegen lassen. Im Derby wurde die beeindruckende Moral der Jets sogar mit einem doppelten Punktgewinn belohnt. In einer dramatischen Schlussphase drehte der TSB ein 23:25 (56.) in ein 27:26. Entsprechend ausgelassen war die Stimmung, wie Oprea sagt: „Die Jungs sind richtig platt. Doch das, was sie in der zweiten Halbzeit geboten haben, war genau die Leistung, mit der wir es nun geschafft haben, 19 Punkte zu sammeln.“
Dass sich der TSB durch eine späte Aufholjagd für die herbe 28:37-Hinspielpleite revanchierte, war ein kleines Handballwunder – aber dennoch nicht unverdient. In den 60 Minuten Spielzeit ließ sich der Entwicklung der ganzen bisherigen Saison ablesen. Marian und Nicola Rascher sorgten mit den ersten beiden Toren zwar für einen schwungvollen Start, doch es häuften sich die einfachen Fehler. Heiningen nutzte dies und legte ein 4:2 (8.) vor. Nach sieben torlosen Minuten bekam der TSB die Kurve. Mit dem 4:4 (10.) durch Eric Zimmermann waren die Gäste zurück im Geschehen und übernahmen die Kontrolle. Marian Rascher, dessen Abschiedstournee vor seinem Wechsel zum TSV Bartenbach begonnen hat, verwertete seine Chancen von der Siebenmeterlinie zunächst ebenso konsequent wie Linksaußen Zimmermann. Stephan Mühleisen am Kreis stellte mit dem 9:7 (18.) dann erstmals eine Zwei Tore-Führung her. Heiningen antwortete jedoch prompt und zog beim 10:10 (21.) wieder gleich. Die Gmünder wiederum scheiterten immer öfter am TSV-Tormann Yanik Braun. So auch Marian Rascher, der einen Strafwurf dann aber im Nachwurf zum 11:11 (27.) verwandelte. Bis dahin war es ein munterer Schlagabtausch, doch vier Gegentore innerhalb von nicht einmal zwei Minuten brachten den TSB völlig aus dem Konzept. Mit einem 11:15-Rückstand ging es in die Pause.
„Über die erste Halbzeit möchte ich gar nicht reden“, zeigte sich Oprea ernüchtert. Doch wie sehr sie den Trainer innerlich beschäftigt, war ihm anzuhören: „Es ist schwierig, dafür eine Lösung zu finden. Vielleicht ist es aktuell unser Schicksal, immer eine Aufholjagd starten zu müssen und nach der Pause richtig abzuliefern.“ Doch tatsächlich zeigten seine Mannen wie bereits in der Vorwoche die erhoffte Reaktion. Nach dem 11:16 (31.) durch TSV-Spielmacher Simon Dürner brachte Rechtsaußen Wolfgang Bächle die Gmünder mit einem schnellen Doppelschlag wieder auf 13:16 (33.) heran. Doch in einem Spiel, das zunehmend von beiden Abwehrreihen geprägt wurde, hielten die Hausherren ihr Vier Tore-Polster aufrecht. Obwohl sich der TSB weiterhin zahlreiche Fehlwürfe leistete, bekam Oprea eine erhebliche Leistungssteigerung zu sehen: „Unser Spielaufbau war viel besser und druckvoller, das stimmt mich als Trainer positiv. Wir haben nicht sofort abgeschlossen, sondern nach der Aktion immer noch einen besser platzierten Mitspieler gesucht.“
Obwohl der Rückstand bis zum 19:23 (50.) nicht schmelzen wollte, wurden die Gmünder keinesfalls ungeduldig. „Wir wussten, dass wir nicht fünf Tore auf einmal werfen können“, betont Oprea: „Doch wir haben uns Tor für Tor hart erarbeitet.“ In der Schlussphase begann sich diese Hartnäckigkeit auszuzahlen. Stephan Mühleisen brachte den TSB beim 22:23 (53.) wieder auf Schlagdistanz und verdiente sich später ein Sonderlob seines Coaches: „Er hat uns im Innenblock gemeinsam mit Nico Rascher die Kompaktheit gegeben, die wir brauchen. Er hat genau das verkörpert, was ich erwarte und vorne nicht nur wichtige Tore erzielt, sondern auch die freien Räume für unsere Rückraumspieler geschaffen.“ Zwei weitere Male legte Heiningen vor, doch Mühleisen und Rascher stellten umgehend den Anschluss wieder her.
Der nächste Krimi bahnt sich an – und der TSB bewies den längeren Atem. Vor allem deshalb, weil es gelungen war, die Defensive zu stabilisieren. Davon profitierte auch Schlussmann Daniel Mühleisen, der mit insgesamt 16 Paraden zu einem herausragenden Rückhalt avancierte. „Wenn unsere Abwehr steht und der Gegner unter Druck werfen muss, gibt es eine Kettenreaktion“, so Oprea. Durch die Ballgewinnen und überfallartige Umschaltspiel führte der TSB die späte Wende herbei. Der erst 19-Jährige Patrick Watzl erzielte mit zwei Kontertoren das 26:25 (58.) und damit die erste Gmünder Führung seit der 20.Minute. „Patrick und auch Tom Abt übernehmen in ihren jungen Jahren schon viel Verantwortung und auch die wichtigen Würfe“, freute sich Oprea. Den wichtigsten Wurf allerdings nahm sich Nicola Rascher. Der Top-Torjäger des TSB (88 Saisontore) verwandelte eine Minute vor dem Ende einen von Bruder Marian herausgeholten Siebenmeter zum 27:25 (60.). Dass den Hausherren der letzte Treffer des Abends vorbehalten war, fiel daher nicht mehr ins Gewicht – mit einem beeindruckenden Schlussspurt hatte der TSB seinen einstigen Angstgegner in die Knie gezwungen.
Die Gmünder festigen damit ihren Platz in der oberen Tabellenhälfte. „Der Drops ist noch nicht gelutscht“, erklärt Oprea mit Blick auf das Neun Punkte-Polster zur Abstiegszone: „Doch ich schaue nicht nach nach unten, sondern nach oben.“ Tatsächlich liegt der TSB nur noch drei Zähler hinter einem Aufstiegsplatz zurück und fiebert dem nächsten Kracherspiel entgegen. Am kommenden Samstag (19:30 Uhr / Große Sporthalle) gastiert der punktgleiche Tabellennachbar HSG Konstanz 2 in Gmünd – es ist das Duell Sechster gegen Fünfter.
TSV: Lars Wittlinger, Yanik Braun – Finn Krempl (5), Felix Weißer (5), Felix Kohnle (4), Simon Kosak (3), Simon Dürner (3/1), Sascha Hartl (2), Fabian Gross (2), Andreas Schaaf (2/1), Chris Zöller, Nico Gerasia, Felix Frey, Mike Heim, Tassilo Neudeck
TSB: Daniel Mühleisen, Sebastian Fabian (n.e.) – Nicola Rascher (6/1), Marian Rascher (6/2), Patrick Watzl (5), Eric Zimmermann (3), Stephan Mühleisen (3), Wolfgang Bächle (2), Tom Abt (1), Sven Petersen (1), Christian Waibel, Aaron Fröhlich, Arian Pleißner
Siebenmeter: TSV 3/2 – TSB 5/3
Zeitstrafen: TSV 8 Minuten – TSB 8 Minuten
Schiedsrichter: Holger Krieg, Magnus Enßle (JSG Rosenstein)
Zuschauer: 210
(Text: Nico Schoch - Bilder: Enrico Immer)