Hiobsbotschaft überschattet souveränen Auswärtserfolg

Der TSB Gmünd lässt beim deutlichen 36:28 (18:14) – Sieg in Fellbach nichts anbrennen. Das drohende Saisonaus für Wolfgang Bächle trübt jedoch die Stimmung.

Zu keiner Zeit hatte der TSB am Samstagabend Zweifel daran gelassen, wer das Remstal-Derby für sich entscheiden würde. Trotzdem überwog im Anschluss ein tiefer Schmerz. „Natürlich freuen wir uns über den Sieg, der aber wieder ein sehr teurer war, wenn sich unsere Befürchtungen bestätigen“, war Trainer Dragoș Oprea bemüht, die richtigen Worte für das Erlebte zu finden. Im Vorfeld der Partie hatte sich das Lazarett zwar gelichtet, sowohl Marian Rascher als auch Aaron Fröhlich konnten wieder mitwirken. Doch der nächste Nackenschlag ließ nicht lange auf sich warten und trifft den TSB ins Mark.
 
22 Minuten waren gespielt, die Jets führten in fremder Halle längst deutlich mit 14:9. Zunächst ahnte niemand etwas Schlimmes, als Bächle nach dem Torwurf in Richtung Ersatzbank humpelte. Was viele der 150 Zuschauer gar nicht mitbekommen hatten: Der Rechtsaußen war unglücklich mit der Ferse aufgekommen, der erste Verdacht deutet auf einen Riss der Achillessehne hin. Jene Verletzung, die vor vier Jahren bereits Spielmacher Fröhlich sieben Monate lang außer Gefecht gesetzt hatte. Bächle droht deshalb nun das vorzeitige Saisonaus.
„Das ist eine extrem bittere Nachricht für uns. Stand jetzt gibt es noch kein Plan, wie wir das kompensieren werden“, zeigte sich der Sportliche Leiter Jürgen Rilli deshalbratlos. Denn der sportliche Wert des einzigen Gmünder Rechtsaußen steht außer Frage. „Wolle ist über Jahre hinweg eine tragende Säule und für uns niemals zu 100 Prozent zu ersetzen“, so Rilli angesichts der 611 Tore, die Bächle in bislang 152 Oberliga-Einsätzen erzielte: „Für einen feinen Sportsmann wie ihn ist es einfach tragisch, durch so eine Verletzung plötzlich herausgerissen zu werden. Wir sind in Gedanken alle bei ihm und haben immer noch den Funken Hoffnung, dass es nicht ganz so schlimm ist, wie es aussah.“
 
Auch in Fellbach zählte der 27-Jährige mit sechs Treffern zu den zuverlässigsten Schützen und war mit verantwortlich dafür, dass der TSB frühzeitig klare Verhältnisse schuf. Einen Back-Up? Den gibt es im dünnen Kader eigentlich nicht. Mit Sven Petersen und Patrick Watzl verbleiben nur zwei weitere Linkshänder. Watzl erzielte nach Bächles Verletzung immerhin seine ersten beiden Oberliga-Tore und das wohlgemerkt von Rechtsaußen, obwohl sich das 19-jährige Eigengewächs eigentlich im Rückraum am wohlsten fühlt.
Die Begegnung selbst ist kurz erzählt. Die Gmünder waren von der ersten Sekunde an hellwach. Zweimal Nicola Rascher und einmal Bächle legten schnell ein 3:0 (2.) vor. Lediglich beim 4:3 konnte sich der SV Fellbach kurz einmal herantasten, danach aber zog der TSB das Tempo an und auf 9:3 (13.) davon. Zwischen den Pfosten zeichnete sich Daniel Mühleisen einige Male aus, die allermeisten Angriffsbemühungen der Hausherren scheiterten allerdings schon am Gmünder Defensivbollwerk um Philipp Schwenk und Christian Waibel. Das Umschaltspiel funktionierte „nahezu in Perfektion“, wie Oprea befand. Petersen und Bächle gelangen immer wieder einfache Gegenstoß-Tore, im linken Rückraum bestätigte Nicola Rascher seine starke Form der vergangenen Wochen.
Die Gmünder glänzten mit purer Effizienz und ließen kaum eine Chance ungenutzt. Über 12:6 (17.) und 16:11 (25.) hatte der deutliche Vorsprung weiter Bestand. Wären da nicht zwei vergebene Siebenmeter gewesen, hätte der TSB schon vor der Pause die 20 Tore-Marke geknackt. So stand es „nur“ 18:14, als der verletzte Bächle aus der Halle getragen wurde. „Das müssen wir jetzt ausblenden“, meinte Rilli auf der Tribüne sichtlich geknickt. Was der Mannschaft auch gelingen sollte.
„Es war eine Zusatzmotivation, dass wir Wolle Bächle diesen Sieg unbedingt schenken wollten“, erklärte Nicola Rascher, der gleich nach Wiederanpfiff zwei weitere Male einnetzte. Der Wucht des Gmünder Rückraums hatte Fellbach wenig entgegenzusetzen. So enteilte der TSB nach einem Petersen-Doppelschlag auf 26:19 und stürmte einem ungefährdeten Auswärtssieg entgegen. Endlich, meinten die mitgereisten Gmünder Fans, denn die bisherigen Partien waren meist nichts für schwache Nerven gewesen. Das Top-Torschütze Rascher (9 Tore) von den Gastgebern in Manndeckung genommen wurde, hinderte den TSB nicht sonderlich am fröhlichen Toreschießen. Daran beteiligte sich auch Kapitän Fröhlich, der nach dreiwöchiger Verletzungspause aufs Feld zurückkehrte und beim 30:22 (48.) seinen vierten Treffer nacheinander erzielte.
Auf der Gegenseite war es allen voran SV-Spielertrainer Andreas Blodig, der ein Debakel verhinderte. Über das Tempospiel gelangen den Fellbachern immer wieder schnelle Tore, der Ex-Zweitligaprofi traf insgesamt neunmal. An der Gmünder Dominanz änderte das nichts. Als Neuzugang Devin Immer bei seiner erfolgreichen Oberliga-Premiere auch noch einen Strafwurf entschärfte (55.), war längst alles klar. Stephan Mühleisen vom Kreis schraubte die Führung bis auf 36:27 (59.) hinauf, ehe Blodig aus sieben Metern den Schlusspunkt setzte. Mit 36:28 gewann der TSB auch in dieser Höhe verdient. Doch so richtig zum Feiern zu Mute war niemandem. „Wenn ich ehrlich bin, wäre es mir fast lieber, wir hätten das Spiel verloren und Wolle wäre noch fit“, brachte Jonas Waldenmaier die gemischte Gefühlslage auf den Punkt.
Mit 6:6 Punkten rückten die Jets auf den achten Tabellenplatz vor und haben ein spielfreies Wochenende vor sich, ehe am 06.November (19:30 Uhr / Große Sporthalle) der HC Neuenbürg in Gmünd antritt. Trotz der Hiobsbotschaft um Bächle bemüht sich der Trainer deshalb, Zuversicht zu verbreiten. „Wir schauen weiterhin nur von Spiel zu Spiel und werden richtig Gas geben, um dieses hohe Level zu halten“, blickt Oprea voraus: „Denn wir haben ein Ziel und sind auf dem richtigen Weg. Davon lassen wir uns durch Nichts und Niemanden abbringen.“
 
SVF: Joshua Gantner, Kay Siemer – Andreas Blodig (9/1), Maximilian Pfeil (5), Felix Wente (4), Cedric Freudenreich (4), Moritz Schäfer (3), Constantin Schäfer (2), Bastian Klett (1), Juri Sawada, Patrick Brunner, Alexander Schuhbauer, Maximilian Kapp
TSB: Daniel Mühleisen, Devin Immer – Nicola Rascher (9/2), Wolfgang Bächle (6/1), Jonas Waldenmaier (4), Sven Petersen (4), Aaron Fröhlich (4), Marian Rascher (3), Patrick Watzl (2), Philipp Schwenk (2), Eric Zimmermann (1), Stephan Mühleisen (1), Christian Waibel, Valentin Pick, Arian Pleißner, Hannes Kauderer
Siebenmeter: SVF 3/2 – TSB 5/3
Zeitstrafen: SVF 4 Minuten – TSB 4 Minuten
Schiedsrichter: Michael Hommel, Simon Jakober (TSV Süßen)
Zuschauer: 150
 
„Nahe an der Perfektion“ – Stimmen zum Spiel
Dragoș Oprea, TSB-Trainer: „Meine Jungs wissen, dass ich sie nicht allzu oft lobe. Doch wir haben bewiesen, wie stark wir sind, wenn wir fast vollzählig sind und unseren Matchplan hervorragend umgesetzt haben. Trotz 28 Gegentoren war es eine überragende Abwehrleistung. Mit gerade einmal drei technischen Fehlern waren wir im Angriff nahe an der Perfektion. Der Spaß und die Entschlossenheit haben sich von der Bank auf das Spielfeld übertragen. Die Punkte, die wir in der Vorwoche gegen Steißlingen unnötig abgegeben haben, haben wir uns nun wieder zurückgeholt.“
 
Andreas Blodig, SVF-Spielertrainer: „Unser Start war mit 0:3 natürlich denkbar unglücklich. Gmünd war einfach heißer als wir. Wir sind nicht in die Zweikämpfe gekommen, konnten das Tempospiel über lange Zeit nicht unterbinden und haben nie wirklich den Zugriff auf das Spiel gefunden. Eine schlechte Wurfquote kam noch dazu. Daher waren wir relativ chancenlos gegen einen starken Gegner. Persönlich finde ich es aber tatsächlich besser, einmal eine so deutliche Niederlage zu kassieren als neunmal mit einem Tor zu verlieren.“
 
Jürgen Rilli, Sportlicher Leiter TSB Gmünd: „Dadurch, dass unsere Verletztenliste wieder kleiner geworden ist, bin ich fest überzeugt gewesen, dass wir gewinnen. Einen Sieg in dieser Höhe zu erwarten, wäre allerdings utopisch gewesen. Wir waren durchaus unter Zugzwang. Doch dieser Sieg war nicht nur immens wichtig für die Tabelle, sondern auch in der Art und Weise absolut schön anzusehen. Zur Halbzeit hätten wir deutlicher führen können, die Reaktion danach war spitze. Wir haben dazugelernt und unsere Schwächephasen abgestellt.“
 
Nicola Rascher, TSB-Torjäger: „Das Ergebnis spricht für sich. Wenn man mit diesem Abstand in fremder Halle gewinnt, dann kann man nicht viel falsch gemacht haben. Wie wir in der Abwehr alles hineingeworfen haben, uns dadurch den Vorsprung erkämpft und dauerhaft gehalten haben, war sensationell. Das war ein wichtiger Sieg, um in der Tabelle weiter nach vorne zu rutschen. Mit Selbstvertrauen funktionieren viele Dinge einfacher, dementsprechend versuchen wir alle und auch ich selbst auf dieser Welle weiter zu schwimmen.“
Jonas Waldenmaier, TSB-Kreisläufer: „Im stehenden Angriff haben wir Fellbach vollständig im Griff gehabt. Das Einzige, was noch verbesserungsfähig wäre, ist unser Rückzugsverhalten. Unsere Tore hingegen sind gut verteilt, was uns in gewisser Weise unberechenbar und dadurch auch stark macht. Es ist nicht so, dass gar nichts mehr läuft, wenn ein Spieler einen schlechten Tag erwischt.“

Patrick Watzl, TSB-Youngster: „Wir präsentieren uns als Team extrem stark und leben von diesem Spirit. Wenn ein Spieler schwächelt, pusht in der andere wieder auf oder legt selbst noch ein paar Prozente obendrauf. Ich bin selbst mit meinen zwei Toren ganz zufrieden, der Sieg macht es noch geiler. Ziemlich aufgeregt bin ich ins Spiel hineingekommen, ohne genau mitzubekommen, was eigentlich passiert war. Voller Adrenalin versucht man dann einfach nur sein Bestes zu geben, das hat ganz gut funktioniert.“

(Text: Nico Schoch - Bilder: Enrico Immer)