Der TSB zeigt seine zwei Gesichter - und teilt die Punkte

Dieses 36:36 (15:20) – Remis war insgesamt eine gerechte Lösung: Das mitreißende und ebenso dramatische Duell der beiden Oberliga-Absteiger TSV Deizisau und TSB Gmünd hatte einfach keinen Verlierer verdient. Der TSB verteidigte dadurch seine Tabellenführung und zeigte sich am Ende glücklich mit dem Punktgewinn, obwohl Aaron Fröhlich wenige Sekunden vor Schluss die große Chance auf den Siegtreffer vergab.

Am Ende entscheiden im Handball oft Nuancen. In diesem Fall waren es Zentimeter, die den Spitzenreiter von einem wertvollen Auswärtserfolg trennten. Ein Siebenmeterwurf vier Sekunden vor Ablauf der Spielzeit – das ist bekanntlich eine Angelegenheit für Aaron Fröhlich, dessen Nervenstärke dem TSB in den vergangenen Jahren schon einige Punkte gerettet hat. Dieses Mal aber hatte der beste Torjäger der Liga das Glück nicht auf seiner Seite: Der Ball flog über TSV-Tormann Denny Spiller hinweg und prallte ans Quergebälk. Fröhlich flog noch einmal in den Kreis hinein, doch lenkte den Abpraller aus der Bedrängnis heraus lediglich an den Pfosten, ehe die Schlusssirene ertönte. Deizisaus Trainer Olaf Steinke atmete in diesem Moment erleichtert durch und befand später, dass „der Handballgott dieses Mal vielleicht gerecht gewesen ist und den Ball ganz leicht abgelenkt hat.“
 
In jedem Fall kamen die knapp 550 Zuschauer in der Hermann-Ertinger-Sporthalle am Samstagabend voll auf ihre Kosten, sahen sie doch eine Partie, die der Bezeichnung Spitzenspiel absolut würdig war. Die Hausherren, die in der Vorwoche dem TSB wichtige Schützenhilfe geleistet hatten, nun aber auch den neuen Tabellenführer zu Fall bringen wollten, erwischten den besseren Start und legten in der Anfangsphase eine Zwei Tore-Führung vor. Allen voran Kreisläufer Simon Kosak war nicht zu halten und erzielte beim 7:5 (11.) bereits seinen vierten Treffer. Sven Petersen gelang per Tempo-Gegenstoß zwar der erstmalige Ausgleich. Doch bereits nach 13 Minuten hatten die Gmünder ebenso viele Gegentore kassiert wie sieben Tage zuvor in der gesamten ersten Halbzeit. Erst nach der ersten Auszeit gelang es dem Team von Trainer Stefan Klaus an die konzentrierte Vorstellung aus dem Derby in Donzdorf anzuknüpfen. Dass sich die Defensive erheblich steigerte und Kosak in den Griff bekam, war die Basis für die beste Phase der Gäste. Tormann Sebastian Fabian hielt seinen Vorderleuten den Rücken frei und auf der Gegenseite drehte Mittelmann Fröhlich den Spielstand mit drei Toren in Folge von 12:11 (17.) auf 12:14 (29.). „Das beflügelt natürlich“, gab Hendrik Prahst später zu Protokoll. Der 18-jährige Kreisläufer bot in er ersten Hälfte eine starke Vorstellung und schuf immer wieder die Räume für seine Mitspieler. Davon profitierte neben Fröhlich auch Linkshänder Petersen, der sich immer wieder entschlossen durchtankte und mit einem Doppelschlag auf 20:14 (28.) erhöhte. Die letzte Minute vor der Pause verlief allerdings so gar nicht nach Gmünder Geschmack: Zunächst lief der eigene Angriff ins Leere und Felix Häfner erhielt zusätzlich eine Zwei Minuten-Zeitstrafe, als er beim Zurücklaufen seinen Gegenspieler ungewollt mit der Hand im Gesicht traf. TSV-Rechtsaußen Moritz Friedel gelang mit einem feinen Lupfer über Fabian hinweg der laut Steinke „psychologisch wichtige“ Treffer zum 20:15.
 
Dieser Zwischenstand war zwar zufriedenstellend, doch schaffte es die Klaus-Sieben zu keiner Zeit, diese hektische Partie wirklich zu beruhigen. Auch der Start in den zweiten Durchgang missglückte, als der TSB erneut sein schlechteres Gesicht zeigte und Deizisau zu einfachen Toren einlud. Nur 130 Sekunden nach dem Seitenwechsel lagen die Hausherren beim 20:18 wieder in Schlagdistanz. Doch die Gmünder hielten ihr Polster vorerst aufrecht, da nun Rechtsaußen Wolfgang Bächle zur Höchstform auflief und schnell wieder auf 23:19 (34.) erhöhte. Doch keine zehn Minuten später kippte die Partie: Der TSB verlor zuerst seinen Abwehrspezialisten Christian Waibel, der nach einem zu harten Einsteigen gegen Yannik Taxis vorzeitig disqualifiziert wurde. Fabian parierte zwar den folgenden Strafwurf, doch in Unterzahl leisteten sich die Gmünder erneut unnötige Ballverluste und gerieten mit 27:28 (44.) ins Hintertreffen. Die hochspannende Begegnung bot weiterhin keinerlei Verschnaufpausen, nur noch wenige Zuschauer hielt es auf ihren Sitzen – und die Schlussviertelstunde war da gerade erst angebrochen. Der TSB bekam den nächsten Nackenschlag verpasst, als Alexander Seibold mit einem Distanzwurf ins verwaiste Gehäuse zum 30:28 traf. „Mit dem siebten Feldspieler haben wir es sicherlich mehr schlecht als recht gemacht“, bilanzierte Stefan Klaus selbstkritisch. Die Manndeckung gegen Fröhlich stellte sein Team kurzzeitig vor Probleme, doch Youngster Yannik Leichs übernahm Verantwortung und erzielte den 31:31-Ausgleich (52.).
 
So blieb es bis zum Ende ein zähes Ringen, wobei sich die Zeitstrafen häuften und die beiden jungen Unparteiischen aus Pfullingen nicht immer ein glückliches Händchen bewiesen. „Sie waren in einigen Situationen überfordert und das hat uns mit Sicherheit mehr geschadet als Deizisau“, so nahm Klaus kein Blatt vor den Mund. Als Konfliktpunkte dienten insbesondere drei strittige Szenen, in denen die Schiedsrichter auf Stürmerfoul gegen Gmünd entscheiden. Am lautesten waren die Proteste, als Yannik Leichs beim Stand von 33:33 durchbrach und seinem Torerfolg die Anerkennung verwehrt wurde. „Da kann die Entscheidung nur Tor oder Siebenmeter lauten“, ärgerte sich Klaus, lobte aber zugleich: „Wir haben Moral bewiesen.“ Fröhlich sowie Jan Häfner warfen die Gäste abermals in Front, doch Deizisau zog umgehend gleich. Zu allem Überfluss handelte sich Klaus wegen heftigen Reklamierens eine Zeitstrafe ein, so dass der TSB die letzten beiden Minuten mit einem Mann weniger bestreiten musste. 43 Sekunden vor dem Ende wuchtete Fröhlich den Ball zum 36:35 in die Maschen. Im Gegenzug parierte Fabian dann zwar den Wurf von Jaric Baumann, doch dieser schnappte sich den Abpraller und vollstreckte eiskalt zum erneuten Gleichstand. Der allerletzte Angriff gehörte den Gmündern: Fröhlich bediente Bächle, der aber im Wurf zu Boden gerissen wurde – Strafwurf war die folgerichtige Entscheidung und der TSB-Spielmacher wurde dann zum tragischen Helden in diesem Herzschlagfinale.
 
Wirkliche Freude über das Unentschieden herrschte nach der Schlusssirene zunächst auf keiner Seite. Kein Wunder: Für den Tabellenvierten wie auch den Spitzenreiter war in diesem hochdramatischen Aufeinandertreffen mehr drin als ein Punkt – beide hätten aber genauso gut leer ausgehen können. „Beide Mannschaft haben die selben Schwächen und Stärken gezeigt, so geht das Ergebnis völlig in Ordnung“, resümierte TSV-Coach Steinke treffend. Seinen Gegenüber Stefan Klaus dürfte insbesondere die Problemzone Abwehr nachdenklich stimmen: In vier der vergangenen fünf Ligaspiele mussten die Gmünder über 30 Gegentore hinnehmen. Zu viel für einen Aufstiegsaspiranten, findet auch Aaron Fröhlich: „Wir sind eigentlich eine Mannschaft, die sich über die Abwehr definiert. Dieser Entwicklung müssen wir entgegenwirken, so schnell es nur geht.“ Klaus kritisierte insbesondere, „dass wir zu viel Eins-gegen-Eins Situationen verloren und den Rückraumspielern zu viele Freiheiten gelassen haben.“
 
Nichtsdestotrotz war es mit Blick auf die Konkurrenz ein wichtiger Punktgewinn für den TSB (33:7), der damit seine Spitzenposition vor dem TSV Heiningen (32:8) behauptet. Bereits am kommenden Samstag (19:30 Uhr / Römersporthalle Straßdorf) wartet mit dem Tabellenachten HSG Langenau/Elchingen das nächste große Kaliber. „Dieser Gegner ist eine Wundertüte“, warnt Stefan Klaus: „Gegen diese spielstarke Mannschaft wird es kein Selbstläufer. Für zwei Punkte werden wir alle Kräfte brauchen und kompakt in der Abwehr agieren müssen.“ Auf ein weiteres Torspektakel mit offenem Visier würde auch Aaron Fröhlich nur allzu gerne verzichten: „Wir müssen es endlich wieder schaffen, über die Abwehr ein Spiel zu gewinnen. Anders geht es nicht.“
 
TSV: Lucas Baumann, Denny Spiller – Patrick Kleefeld (10/7), Jaric Baumann (7), Simon Kosak (7), Alexander Seibold (4), Moritz Friedel (3), Yannik Taxis (3/1), Marcel Killat (1), Jonas Reinold (1), Nils Kühl, Kai-Steffen Liebing, Laurin Rapp, Silvan Kenner
TSB: Sebastian Fabian, Giovanni Gentile – Aaron Fröhlich (12/2), Wolfgang Bächle (9), Sven Petersen (5), Jan Häfner (2), Dominik Sos (2), Yannik Leichs (2), Lukas Waldenmaier (1), Felix Häfner (1), Hendrik Prahst (1), Jonas Waldenmaier (1), Christian Waibel
Siebenmeter: TSV 10/8 – TSB 4/2
Zeitstrafen: TSV 12 Minuten – TSB 10 Minuten
Rote Karte: Christian Waibel (TSB/43./Grobes Foulspiel)
Schiedsrichter: Markus Hehn, Felix Mayer (VfL Pfullingen)
Zuschauer: 550
 
„Das hätte ich vor dem Spiel so unterschrieben“ - Stimmen zum Spiel
Das temporeiche Spitzenspiel bot viel Diskussionsstoff und dennoch waren sich letzten Endes beide Seiten einig darüber, dass es ein leistungsgerechtes Unentschieden war und freuten sich jeweils über einen Punktgewinn.
 
Stefan Klaus, TSB-Trainer: „Dieses Spitzenspiel war geprägt von zwei sehr starken Angriffsreihen. Wir sind schlecht herein gekommen und sind aufgrund hoher Effektivität in der Offensive dran geblieben. Erst nach der Auszeit haben wir Struktur und Bissigkeit in der Abwehr zurückgefunden, doch die Zeitstrafe kurz vor der Halbzeit hat uns kurzzeitig aus dem Konzept gebracht. Nach der Pause war viel Hektik im Spiel, wir haben im Angriff überhastete Entscheidungen getroffen und hatten auch ein bisschen Wurfpech. Da müssen wir einfach cleverer agieren. Die Mannschaft hat am Ende Moral bewiesen, geht in Unterzahl in Führung und hat schlussendlich einfach Pech. Im ersten Moment ist das Unentschieden natürlich bitter für uns, weil der Sieg zum Greifen nahe war. Mit dem nötigen Quäntchen Glück holen wir beide Punkte, aber wir können mit Sicherheit auch verlieren. Insgesamt war es ein gewonnener Punkt für uns. Denn wichtig ist, dass wir als Tabellenführer nicht in Deizisau verloren haben – das hat Heiningen nicht geschafft.“
 
Olaf Steinke, TSV-Trainer: „Es war ein tolles Spiel mit zwei gleichwertigen, starken Mannschaften. Es ging hin und her, das Unentschieden ist absolut gerechtfertigt. Wir haben uns nach einem Sechs Tore-Rückstand wieder heran gespielt, mussten dann aber in der Endphase dem hohen Tempo Tribut zollen und haben zu viele leichte Fehler gemacht. Wenn man die letzten Sekunden sieht, können wir natürlich glücklich sein. Unterm Strich muss bei diesem Spielverlauf aber jeder mit diesem Ergebnis zufrieden sein. Wir haben einen guten Lauf und gegen die beste Abwehr der Liga ein Riesenspiel gemacht, dennoch erwarten wir von der Tabelle im Moment gar nichts. Wir sind in diese Saison gestartet, um eine neue Mannschaft zu bilden und zu lernen. Schon jetzt haben wir viel mehr erreicht, als wir es erwartet hätten. Deswegen sind wir nicht satt, aber mit unseren 13 Minuspunkten haben wir keine Chance, um nach ganz oben zu schielen.“
 
Aaron Fröhlich, TSB-Spielmacher: „Wenn man bedenkt, dass wir Ende der zweiten Hälfte in Rückstand liegen und die letzten zwei Minuten in Unterzahl bestreiten müssen, dann ist ein Punkt okay für uns. Insgesamt ärgern wir uns aber natürlich, weil wir in der Abwehr nie wirklich Zugriff gefunden haben. Unsere eigenen Fehler in Überzahl und die drei kuriosen Schiedsrichterpfiffe haben uns noch einmal zusätzlich weh getan. Nichtdestotrotz können wir mit dem Unentschieden jetzt gut leben und ich glaube, dass ich das sogar vor dem Spiel so unterschrieben hätte. Denn die Ausgangsposition ist weiter positiv für uns, so dass wir es in den verbleibenden acht Spielen selbst rocken können.“
 
Hendrik Prahst, TSB-Kreisläufer: „Am Anfang hatten wir massive Probleme mit dem gegnerischen Kreisläufer, obwohl wir das in der Videoanalyse vor dem Spiel ganz klar angesprochen hatten. Es war allgemein ein sehr schnelles Spiel, das mit 21 Gegentoren in der zweiten Hälfte aber nicht zu gewinnen ist. Dennoch haben wir einen Punkt gewonnen und es war in Anbetracht dieses starken Gegners sicherlich eine unserer besten Leistungen. Deizisau war für uns das schwerste Auswärtsspiel, das wir derzeit haben könnten, und ein ganz anderes Kaliber als die HSG WiWiDo vergangene Woche.“
 
Wolfgang Bächle, TSB-Rechtsaußen: „Das Unentschieden ist sicherlich gerecht. Doch am Schluss hätten wir den Sack zumachen müssen. Ich mache Aaron da allerdings keinen Vorwurf, das ist einfach nur reines Pech. Wenn man bedenkt, dass wir Deizisau trotz eines ordentlichen Polsters nicht lange auf Distanz halten konnten und sogar in Rückstand geraten sind, müssen wir vielleicht aber auch über diesen einen Punkt glücklich sein. Denn 36 Gegentore sind eindeutig zu viel und damit kann man im Normalfall auch kein Spiel gewinnen, obwohl für uns sicherlich die Chancen für 40 eigene Tore vorhanden waren.“
 
Christian Waibel, TSB-Abwehrchef: „Wir haben oftmals sehr gut und sehr lange verteidigt, aber zu viele einfache Gegentore zugelassen und uns dadurch das Leben schwer gemacht. Mitte der ersten Halbzeit haben wir uns gesteigert und wenn wir so weitergemacht hätten, würden wir unseren Vorsprung sicher durchbringen. Dazu müssten wir aber unsere immer wiederkehrenden Schwächephasen in der Abwehr abstellen. Die Rote Karte gegen mich war sicherlich vertretbar.“

(Text und Bilder: Nico Schoch)