Mit den Gedanken war der TSB Gmünd schon beim bevorstehenden Regionalliga-Topspiel, schaffte aber trotzdem ein sensationelles Comeback in fremder Halle. In den letzten acht Minuten bogen die Jets einen 25:30-Rückstand in einen 33:32-Sieg beim HC Neuenbürg um.

Inzwischen wird es selbst dem Trainer unheimlich. Damit meint Aaron Fröhlich nicht einmal die unglaubliche Ausbeute von nunmehr 20 Siegen aus 23 Saisonspielen – ein neuer Bestwert. Nein, am Samstagabend war der TSB bestimmt nicht so beängstigend stark aufgetreten wie in den Wochen und Monaten zuvor. „Aber wir sind einfach nicht tot zu kriegen“, lobte Fröhlich den Charakter seines Teams. In der Neuenbürger Stadthalle hatten die Gmünder mit bis zu sieben Toren zurück gelegen, sahen auch noch in der Schlussphase wie der sichere Verlierer aus und lagen selbst nur zweimal vorne. Tom Abt traf 25 Sekunden vor dem Ende von der Siebenmeterlinie zum 33:32-Sieg, den Torwart Daniel Mühleisen anschließend festhielt – der Jubel kannte danach keine Grenzen mehr.
„Mit Sicherheit haben wir schlecht begonnen und vieles nicht perfekt umgesetzt“, resümierte Fröhlich nach diesem Nervenkrimi: „Doch unterm Strich steht, dass wir uns dem Kampf total gestellt haben und das Spiel in einer überragenden Art und Weise drehen.“ Der Tabellendritte (40:6 Punkte) bleibt damit ganz dicht an beiden Aufstiegsplätzen dran, die der TV Bittenfeld II (41:5) und die SG Köndringen/Teningen (44:0) belegen. Der verlustpunktfreie Spitzenreiter aus Südbaden ist am kommenden Sonntag um 17 Uhr zu Gast in der Gmünder Großsporthalle. Ein absolutes Kracherspiel, das natürlich längst in den Köpfen der TSBler steckte. Und zwar mehr, als es Fröhlich lieb sein konnte.

Eine erste Halbzeit zum Vergessen
Der Trainer jedenfalls hatte den Eindruck, „dass wir das nicht ausblenden konnten und alles ein bisschen zu leicht genommen haben.“ Das sollte sich rächen. Von einem bis in die Haarspitzen motivierten HC Neuenbürg wurde der TSB gleich in den ersten zwei Minuten mit 0:3 überrannt, glich zwar schnell aus und fand dennoch nicht zu seinem gewohnten Spiel. Die harte Linie der Schiedsrichter schwächte die Gmünder zusätzlich, in Unterzahl kassieren sie den nächsten 0:5-Negativlauf. Zu allem Überfluss vergab Niklas Burtsche gleich zwei Strafwürfe, auch Regisseur Abt gelang nicht viel. Der Rückstand wuchs von 6:12 (17.) sogar auf 8:15 (21.) an, woraufhin Fröhlich schon früh seine zweite Auszeit nahm.

„Unsere Vorbereitung in der Faschingswoche war sicher nicht optimal und da müssen wir uns auch an die eigene Nase fassen“, fand der TSB-Coach deutliche Worte. Eine echte Schwächung war es zudem, dass Kreisläufer Stephan Mühleisen kurzfristig ausgefallen war und sich der vielseitige Rückraumspieler Kai Schäffner angeschlagen durchkämpfte. Trotzdem steckten die Gäste nie auf. Als Daniel Mühleisen glänzend parierte und über die volle Distanz zum 11:15 (24.) traf, war der TSB angekommen. Doch prompt folgte wieder die kalte Dusche und eine 12:18-Hypothek zur Halbzeit.
Der TSB bleibt geduldig – und belohnt sich spät
Die Gmünder konnten sich zwischenzeitlich auch bei ihrem starken Rückhalt bedanken, dass die Partie nicht schon völlig verloren war. Kurz nach Wiederanpfiff hielt Mühleisen einen Siebenmeter und seine Mannen damit im Rennen. Vorne verkürzten Abt und Burtsche mit schnellen Toren auf 15:19 (33.). Doch die Fehlerkette riss nicht ab. „In guten Phasen hatten wir immer das Gefühl, dass es jetzt auf unsere Seite kippen könnte“, meint Fröhlich. Etwa, als Schäffner mit einem Doppelschlag auf 17:20 (39.) verkürzte. Doch nur wenig später stand wieder ein Fünf Tore-Abstand auf der Anzeigetafel. Als dann Abwehrchef Andreas Maier mit seiner dritten Zeitstrafe vom Feld flog, sprach nur noch wenig für eine Aufholjagd.

Doch der TSB hatte noch einen taktischen Kniff in der Hinterhand: Fröhlich stellte in der Crunch-Time auf eine extrem offensive Abwehr um, gegen die Neuenbürg kaum noch Mittel fand. Vom 20:25 (47.) bis zum 25:30 (52.) lagen die Nordbadener scheinbar uneinholbar vorne. Doch sie kamen ins Nachdenken, weil gleichzeitig der TSB die größeren Kraftreserven aufwies. Sinnbildlich für die Mentalität stand Niklas Burtsche: Der Linksaußen kam nach seinem Durchhänger wieder ins Rollen und verwandelte in der zweiten Halbzeit alle seine sechs Würfe. „Beeindruckend, dass er sich nicht hat unterkriegen lassen“, findet sein Trainer.
Die offensive Abwehr lässt Neuenbürg verzweifeln
Als es am meisten darauf ankam, bewiesen die Gmünder, was sie in dieser Saison so unglaublich stark macht. Sechs Minuten lang musste Keeper Mühleisen nicht mehr hinter sich greifen, weil seine Vorderleute beherzt verteidigten und die vielen Ballgewinne auch sofort nutzten. Wolfgang Bächle und Schäffner sorgten für die Wende, auch ein Time-Out des HCN verpuffte wirkungslos. Von Rechtsaußen erzielte Bächle nicht nur den 29:30-Anschlusstreffer, sondern holte auch eine Zeitstrafe gegen seinen Gegenspieler Felix Kracht heraus.

Dann schlug Burtsches große Minute: Gleich zwei Konter nacheinander verwandelte der Torjäger ganz cool und warf den TSB damit erstmals in Führung, Abt erhöhte sogar auf 32:30 (58.). An Spannung war die Partie nicht mehr zu überbieten. Erst verpasste es der TSB, den Deckel draufzumachen. Abts Anspiel auf Kreisläufer Jonas Waldenmaier war zu unpräzise, Neuenbürg glich im Gegenzug zum 32:32 (59.) aus. Der Gmünder Linkshänder Stefan Scholz wurde danach bei seinem Durchbruch gefoult, aus sieben Metern behielt Abt die Nerven. Die Hausherren brachten dann nicht mehr als einen überhasteten Wurf zustande, den Mühleisen dankbar herunter pflückte. Die Schlusssirene und der neue TSB-Punkterekord gingen im lauten Jubel unter.
Nächsten Sonntag zuhause gegen den Klassenprimus
Inzwischen fiebert auch Aaron Fröhlich voll und ganz dem bevorstehenden Topspiel entgegen. „Wir werden daraus das größte Handballfest der letzten zehn Jahre machen. Wie geil wäre es denn bitte, wenn wir es sind, die Köndringen/Teningen die erste Niederlage zufügen?“ Nach dem kaum noch für möglich gehaltenen Erfolg in Neuenbürg ist der TSB-Trainer jedenfalls überzeugt: „Wenn es mal etwas Besonderes braucht, dann sind wir dafür zu haben.“