Porträt: Jürgen Rilli übernimmt die neu geschaffene Position des Sportlichen Leiters beim TSB Gmünd und arbeitet an der Vision Profihandball
Von Nico Schoch
Nach dem bitteren Oberliga-Abstieg herrscht Aufbruchstimmung bei den TSB-Handballern und auch strukturell haben sich die Gmünder neu aufgestellt. Eine zentrale Person, die den Neustart beim Württembergligisten prägen soll, ist Jürgen Rilli. Der 52-jährige Handballfachmann aus Bartenbach ist als Sportlicher Leiter beim TSB eingestiegen und verfolgt äußerst ehrgeizige Pläne.
Gemeinsam mit seinen insgesamt 14 Mitstreitern hat sich Jürgen Rilli in der vergangenen Woche bei der TSB-Klausurtagung in Oberstaufen auf die bevorstehenden Herausforderungen eingeschworen. "Ich bin total gut aufgenommen worden und habe einen richtigen TSB-Geist erlebt,
wir haben sehr professionell gearbeitet", so Rilli, der sich wenige Tage später auch der Mannschaft präsentierte. Sein Anspruch ist eindeutig: "Innerhalb der nächsten zwei Jahre wollen wir zurück in die Oberliga – und noch weiter aufsteigen."
Im laufenden Sommer startet Rilli zunächst als zentraler Aufbauhelfer beim Neustart in der Württembergliga, denn mit ihm erhält der TSB die in der Vergangenheit oftmals vermisste "Manpower" im Hintergrund. Und sein Einstieg ist durchaus ein Paukenschlag: Denn der neu geschaffene Posten des Sportlichen Leiters wird durch einen jahrelang erfahrenen Handballfachmann besetzt, der in gleicher Funktion bereits bis 2017 bei seinem Heimatverein TSV Bartenbach agierte. "Nach zwölf Jahren war dieses Kapitel für mich abgeschlossen, denn mit dem Landesliga-Aufstieg bei den Aktiven war das große Ziel erreicht", blickt Rilli zurück, erkannte in seinem zurückliegenden "Sabbat-Jahr" jedoch schnell: "Ganz ohne Handball ging es dann doch nicht." In Absprache mit der Familie erfolgte nun der Schritt zum TSB, wo er in ehrenamtlicher Funktion die neue Schnittstelle zwischen Abteilungsleitung und Trainerteam darstellen soll. Rilli selbst möchte einen "sehr engen Draht zur Mannschaft" pflegen und mindestens einmal pro Woche persönlich in der Halle sein, "um die Emotionen und Reaktionen der Spieler aufzunehmen." Doch die Nähe hat auch Grenzen: "Ich werde nicht mit auf der Trainerbank sitzen, hier genießen Stefan Klaus und Patrick Schamberger mein höchstes Vertrauen. Mit diesem Trainerduo sind wir fachlich und qualitativ hochklassig aufgestellt."
Ein Hauch von neuer Hierarchie weht durch die Abteilung. Doch in erster Linie möchte Rilli jene Arbeit fortsetzen, welche Michael und Andreas Hieber in den vergangenen 20 Jahren begonnen haben – selbstverständlich in enger Zusammenarbeit mit den beiden Brüdern, die künftig für die Bereiche Jugend und Sponsoring Verantwortung übernehmen werden. "Beide sind ganz wesentliche Faktoren beim TSB, aber ganz bewusst wurden mir die Aufgaben für den sportlichen Bereich zugeteilt", betont Rilli. Für seinen Weg nach Gmünd war ohnehin sein langjähriger Allianz-Mitarbeiter Michael Hieber die zentrale Figur gewesen. "Der Kontakt ist trotz beruflicher Veränderungen nie abgerissen, es hat sich dann peu á peu entwickelt", verweist Rilli darauf, dass sein Neueinstieg keine spontane Entscheidung, sondern vielmehr ein langfristiger Prozess war. "Micha und ich haben Visionen´und Projekte besprochen, wodurch sich eine gemeinsame Begeisterung entfacht hat", erzählt der 52-Jährige und fügt hinzu, dass "diese Aufgabe mich enorm reizt." Erste Kontakte zum TSB gab es bereits in den vergangenen Jahren in Person von Wolfgang Bächle (TSB-Rechtsaußen) sowie Max Häfner (mittlerweile beim Bundesligisten TVB 1898 Stuttgart aktiv), die in ihren Jugendjahren zwischen Bartenbach und Gmünd pendelten. "Das war eine tolle Zeit", blickt Rilli gerne zurück und nennt das Erreichen des Endspiels um die württembergische Meisterschaft mit den Jahrgängen 1997/98 als Höhepunkt: "Über viele Jahre hinweg wurde dort eine sehr erfolgreiche Jugendarbeit geleistet." Erwähnenswert ist auch, dass seine beiden Söhne Dominik (26) und Pascal (24) mit den TSB-Neuzugängen Lukas Kauderer und Hendrik Prahst gemeinsam für die Bartenbacher Beachhandballer an den Start gehen. "Ich kenne beide auch als Hallenspieler, war bei beiden Wechseln aber bewusst noch nicht eingebunden", stellt Rilli klar, "denn es ist für mich Ehrensache, bei meinem Heimatverein weder aktiv noch passiv nach Spielern zu suchen."
Angesprochen auf das Potenzial bei seinem neuen Verein, gerät der Sportlicher Leiter förmlich ins Schwärmen: "In den vergangenen Jahren wurde hier sehr kontinuierlich und erfolgreich gearbeitet. Das Zuschauerinteresse ist immens und selbst in der vergangenen Saison, die in sportlicher Hinsicht nicht erfolgreich verlief, waren es 550 Zuschauer im Schnitt." Auf diese Emotionen will man auch in der Württembergliga aufbauen, zumal sich durch diese Attraktivität auch mehr Möglichkeiten im Bereich des Sponsorings ergeben würden. "Mit neuen Projekten und Ideen möchte ich die positive Entwicklung weiter vorantreiben, natürlich stets zusammen mit dem Führungskreis", blickt Rilli voller Optimismus voraus.
Dass es Michael Hieber war, der Jürgen Rilli zum TSB lotsen konnte, erscheint keineswegs überraschend. Denn beide haben vor allem eines gemein: Ihre ambitionierten Visionen sind nahezu deckungsgleich und beide bleiben damit nicht lange hinterm Berg. "Die Zielsetzung besteht darin, den TSB im Profibereich anzusiedeln", lautet Rillis mutige Ansage zum Amtsantritt. Die erste Phase auf dem Weg nach ganz oben: "Wir wollen die aktuelle Situation so erfolgreich wie möglich meistern und unsere jungen Spieler weiterentwickeln." Die Qualität zum direkten Wiederaufstieg sei vorhanden, doch einen überzogenen Erwartungsdruck möchte er damit nicht schüren: "Ich setze dieses Jahr niemanden unter Zeitdruck, aber innerhalb der nächsten zwei Jahren wollen wir zurück in die Oberliga." Rilli verfolgt mit dem TSB einen Zehn-Jahres-Plan: Der Abstieg aus der Viertklassigkeit soll nicht nur korrigiert werden, vielmehr will man in höhere Sphären vorstoßen. Weitere fünf Jahren sind eingeplant bis zur 3.Liga, an der die TSBler vor zwei Jahren bereits einmal schnupperten. "Doch alles muss im Gleichklang zu unseren bescheidenen finanziellen Möglichkeiten stehen", mahnt Rilli: "Diese Vision ist nur realisierbar, wenn wir uns wirtschaftlich weiterentwickeln. Im mittelfristigen Bereich ist dann sogar die 2.Bundesliga machbar." Doch da sportlicher Erfolg bekanntlich nur schwer planbar ist, steht auch für Rilli vielmehr das langfristig orientierte, nachhaltige Arbeiten auch für Rilli an erster Stelle. Denn weiterhin gilt: Nicht über den eigenen Verhältnissen leben, sondern dem eingeschlagenen Weg treu bleiben, das Beste aus den vorhandenen Mitteln machen und die Gegebenheiten beständig verbessern. Nicht zuletzt muss auch der finanzielle Rahmen eingehalten werden. "Mit bescheidenen Mitteln nach oben" – das ist genau das, was bereits Michael Hieber in der jüngeren Vergangenheit propagierte.
Rilli will seine mittelfristigen Ambitionen aber keinesfalls als zusätzlichen Druck für Mannschaft und Trainerteam verstanden haben. Zunächst ist die "attraktive und spielstarke" Südstaffel der Württembergliga die große Herausforderung. Rilli zählt die eigenen Mannen zu einer fünfköpfigen Spitzengruppe, die "angeführt von der SG Lauterstein um den Aufstieg spielen wird." Komplettiert wird das Quintett seiner Ansicht nach durch den Vizemeister HSG Langenau/Elchingen, den SKV Unterensingen sowie den TSV Heiningen. "In der momentanen Kaderzusammensetzung ist es gar nicht so schlecht, dass wir in der Württembergliga spielen, denn wir wollen unseren hoffnungsvollen und leistungsstarken Talenten in der WL noch mehr Spielanteile geben", meint Rilli und hebt dabei insbesondere Yannik Leichs (18) hervor, der bereits in der Oberliga "manchem Spiel seinen Stempel aufdrücken konnte." Eine zentrale Achse hat der 52-Jährige längst ausgemacht: Sebastian Fabian als "zuverlässigen Top-Torhüter", eine starke Defensive um Christian Waibel, ein "Wahnsinnspotenzial im Rückraum" und zudem "einer der stärksten Rechtsaußen in Württemberg" alias Wolfgang Bächle. "Die Qualität ist vorhanden, dass wir in dieser Saison eine gute Rolle spielen können", befindet Rilli.
Seine eigene Agenda ist bis zum Pflichtspielauftakt Anfang September noch prallgefüllt. Die Kaderplanung sei zwar abgeschlossen, "aber wenn ich noch einen Spieler von meiner Begeisterung finden sollte und zu unseren Rahmenbedignungen passt, wäre das super." Der TSB sei allerdings nicht in Not, unbedingt neue Akteure an Bord zu holen. Rilli denkt bereits einen Schritt weiter: "Meine Aufgabe wird es sein, den Kader so zusammenzustellen, dass wir spätestens im zweiten Jahr um den Aufstieg mitspielen können, wenn es diese Saison noch nicht klappen sollte." Spätestens im Oktober beginnen die Gespräche mit potenziellen Wunschspielern für die darauffolgende Spielzeit. Der Sportliche Leiter ist sich bewusst, dass "ich mit rein finanziellem Aufwand keinen Spieler nach Gmünd holen kann. Wer nur auf monetäre Gründe schaut, passt nicht zum TSB." Der Fokus liege auf jungen, entwicklungsfähigen "Teamplayern", die er mit seinem Gesamtkonzept überzeugen möchte: "Attraktiver Handball, eine hervorragende Halle mit begeisterungsfähigen Zuschauern und ein Umfeld, in dem sich alle hundertprozentig mit dem Handball identifizieren – damit werde ich auf neue Spieler zugehen." as ist das womit ich auf neue Spieler zugehen möchte." Diesen selbst erlebten "TSB-Geist" möchte Rilli entsprechend vermitteln, "perspektivisch werden auch Arbeitsplätze eine Rolle spielen."
Doch Jürgen Rilli möchte seine Impulse nicht nur im Aktivenbereich setzen, sondern vielmehr die gesamte Abteilung langfristig voranbringen. "Die Achse zwischen Jugend, Zweiter und Erster Mannschaft muss in einer linearen Linie gefestigt werden", fordert er. Konkret bedeute dies, die Übergänge weiter zu verringern, übergeordnete Trainingseinheiten anzubieten und im Jugendbereich unabhängig von der Altersklasse positionsbezogene Inhalte zu vermitteln." Eine wichtige Rolle in Rillis Planungen spielt auch die Zweite Mannschaft, welche zuletzt in die Bezirksklasse zurückkehrte und die gesamte Entwicklung künftig mitgehen soll: "Die ideale Konstellation ist es immer, wenn eine Zweite zwei Spielklassen unterhalb der Ersten spielt. Das wäre in unserem Fall die Bezirksliga oder auf Dauer und ohne Zeitdruck auch einmal höher", erklärt Rilli. Bis dahin liegt allerdings noch ein weiter Weg vor ihm und seinen Mitstreitern im TSB-Führungskreis. "Doch wenn alle an einem Strang ziehen, bin ich sehr optimistisch, dass wir unsere gesteckten Ziele erreichen werden." Die Vision Profihandball jedenfalls lebt – und soll mit Jürgen Rilli als "Mann für die Zukunft" richtig an Fahrt aufnehmen.
Zur Person: Jürgen Rilli ist geboren am 30.Januar 1966 in Göppingen, aufgewachsen in Bartenbach und laut eigener Aussage "seit Jugendjahren handballverrückt." Von Kindesbeinen an spielte er aktiv beim TSV Bartenbach, war württembergischer Junioren-Auswahlspieler und feierte mit seinem Team 1981 die süddeutsche Meisterschaft. Anschließend war er für die TSV-Aktiven am Ball, ehe er seine Handballschuhe im Jahr 2000 an den Nagel hängte. Nach den Trainerstationen beim Heidenheimer SB und TSV Bartenbach II in der Bezirksliga Stauferland übernahm er von 2005 bis 2017 das Amt des Sportlichen Leiters bei seinem Heimatverein. Rilli ist verheiratet, die beiden Söhne Dominik (26) und Pascal (24) sind in seine Fußstapfen getreten und ebenfalls (beach-)handballbegeistert. Seit 31 Jahren ist er bei der Allianz Versicherungen beschäftigt, mittlerweile in leitender Stellung. Zu seinen Hobbies zählt der "allgemein sportbegeisterte" Rilli Ausflüge in die Berge und ebenso Marathonläufe.